Eine Frau erwarb eine Premium-Mitgliedschaft bei einer Online-Partnervermittlung im Wert von 265,68€. Nachdem sie als Verbraucherin aber kurz nach Vertragsschluss den Widerruf erklärte, verlangte die Dating-Plattform einen Wertersatz für bereits erbrachte Leistungen in Höhe von 199,26€. Der BGH hat nun aber einer Klage der Kundin stattgegeben, die deshalb nur noch einen Bruchteil des geforderten Wertersatzes leisten muss.
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass zwar ein Wertersatzanspruch bestehen kann, dieser aber nur zeitanteilig berechnet wird und deshalb viel geringer ausfällt. Das ergibt sich auch daraus, dass eine Norm über Ehevermittlung für Online-Partnervermittlung nicht anwendbar ist.
Die Klägerin erwarb eine sogenannte Premium-Mitgliedschaft mit einer Laufzeit von 12 Monaten zum Preis von 265,68 € und wurde ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt. Sie forderte die Partnervermittlung dann auf, sofort mit der Ausführung der Leistungen zu beginnen. Daraufhin erhielt sie ein zum Leistungsumfang gehörendes, automatisiert auf der Basis von Logarithmen erstelltes „Persönlichkeitsgutachten“ sowie Partnervorschläge und konnte die Plattform vollumfänglich nutzen. Doch einen Tag später erklärte sie trotzdem den Widerruf. Das Dating-Portal bestätigte diesen, machte aber zugleich einen Anspruch auf Wertersatz für bis zur Erklärung des Widerrufs erbrachte Leistungen in Höhe von 199,26 € geltend. Dagegen klagte die Kundin zunächst vor dem Amtsgericht (AG) und Landgericht (LG) Hamburg, bis nun der Bundesgerichtshof (BGH) entschied (Urteil v. 17. Juni 2021, Az. III ZR 125/19)
BGH: Kundin muss keinen hohen Wertersatz zahlen
Der BGH ist, ebenso das AG, der Überzeugung, dass eine Zahlungspflicht in Höhe von 199,26€ nicht besteht. Allerdings steht der Partnervermittlung dem Grunde nach schon ein Anspruch auf Wertersatz zu. Durch den Abschluss des Vertrages mit der Kundin hat sie einen Vergütungsanspruch erlangt, so dass auch ein Anspruch auf Ersatz des Wertes ihrer Leistungen gemäß § 351 Abs. 8 Satz 1 BGB begründet werden konnte, ohne dass es darauf ankommt, dass die Kundin die Vergütung noch nicht gezahlt hatte. § 656 Abs. 1 BGB steht dem nicht entgegen, denn die Norm ist auf diesen Vertrag nicht anwendbar.
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Norm für Ehevermittlung ist bei Online-Partnervermittlungen nicht anwendbar
§ 656 Abs. 1 BGB bestimmt, dass durch das Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe oder für die Vermittlung des Zustandekommens einer Ehe eine Verbindlichkeit nicht begründet wird, das auf Grund des Versprechens Geleistete jedoch nicht deshalb zurückgefordert werden kann, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat. Der Bundesgerichtshof hat eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zunächst auf den Eheanbahnungs- und schließlich auf den Partnerschaftsanbahnungsvertrag angenommen. Dies hat er damit begründet, dass nach dem Zustandekommen der Ehe oder Partnerschaft die Honorarklage aus solchen Verträgen die Intimsphäre der Kunden ebenso beeinträchtigen würde wie bei einer Klage auf den sogenannten Ehemäklerlohn. Gerichtliche Auseinandersetzungen seien vor allem dann zu erwarten, wenn die Bemühungen des Vermittlers erfolglos geblieben seien, so dass häufig mit dem Einwand zu rechnen sei, der Vermittler habe seine vertraglichen Pflichten nicht gehörig erfüllt, indem er auf die in Frage kommenden Partner nicht intensiv genug eingewirkt oder Personen benannt habe, die überhaupt nicht an einer Partnerschaft interessiert oder als Partner nicht geeignet seien.
§ 656 BGB Heiratsvermittlung
(1) Durch das Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe oder für die Vermittlung des Zustandekommens einer Ehe wird eine Verbindlichkeit nicht begründet. Das auf Grund des Versprechens Geleistete kann nicht deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat.
Diese Gründe gelten für den verfahrensgegenständlichen Vertrag über eine „Online-Partnervermittlung“ jedoch nicht. Dort besteht die Leistungspflicht des Anbieters vor allem darin, ihren Kunden einen unbeschränkten Zugang zu der von ihr betriebenen Plattform zu gewähren, auf der diese aus eigener Initiative einen Kontakt zu möglichen Partnern herstellen können. Zwar stellt auch sie ihren Kunden Partnervorschläge zur Verfügung. Diese beruhen aber allein auf einem elektronischen Abgleich der nicht näher überprüften eigenen Angaben der Kunden. Eine individuelle, persönliche Auswertung findet nicht statt. Auch eine Gewähr für die Richtigkeit dieser Angaben und damit für die Qualität der Vorschläge übernimmt die Online-Plattform nicht. Es bestehen daher keine Anhaltspunkte dafür, dass durch einen Rechtsstreit über den Vergütungsanspruch der Online-Partnervermittlung in die Intimsphäre ihrer Kunden in einer Weise eingegriffen würde, die vergleichbar mit der Situation bei einem herkömmlichen Partnerschaftsvermittlungsvertrag wäre. Gleiches gilt für das sogenannte Persönlichkeitsgutachten, das ebenfalls automatisiert erstellt wird.
Verbraucherin muss nach Widerruf lediglich Bruchteil zahlen
Nach Urteil des BGH muss die klagende Kundin nur 1,46€ Wertersatz aus § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB leisten, anstelle der geforderten fast 200€. Zu diesem Ergebnis kamen die Richter, indem sie den Preis für die Mitgliedschaft für die 12-monatige Laufzeit anteilig ausrechneten. Da die Klägerin nur 2 Tage lang die Mitgliedschaft nutzte, musste sie auch nur für diese Dauer aufkommen.
Mit seiner Berechnung folgt der BGH nun einem Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) aus dem letzten Jahr (Urteil v. 08. Oktober 2020, Az. C-641/19). Darin entschied das höchste Gericht der Europäischen Union, dass die Singlebörse Parship im Falle eines Widerrufs ihren eigenen Wertersatzanspruch nur zeitanteilig berechnen darf. Die Betreiber der Plattform hatten eingewendet, dass auch Anzahl und Art der Kontakte, die das jeweilige Mitglied schon hatte, mitberücksichtigt werden müssten – dem folgte der EuGH aber nicht und entschied zugunsten der Verbraucher.
Was kann ich als Betroffener tun?
Singlebörsen wie Parship und Elitepartner haben sich in der Vergangenheit leider recht uneinsichtig gezeigt und von Kunden nach einem Widerruf immer noch sehr hohe Wertersatzzahlungen gefordert. Doch die gute Nachricht: Selbst wenn Sie schon eine zu Hohe Summe gezahlt haben, können Sie Ihr Geld womöglich noch zurückfordern – denn Ihr Anspruch verjährt erst nach 3 Jahren.
Ob Sie zu viel Wertersatz geleistet haben, können sie ganz einfach selbst ausrechnen. Dazu muss man den Betrag seiner Mitgliedschaft für einen Tag ausrechnen, also beispielsweise durch 365 teilen, wenn man eine Jahresmitgliedschaft hatte. Nach dem Widerruf muss man dann nur noch die Tage bezahlen, die man tatsächlich Mitglied war – alles darüber Hinausgehende können sie zurückfordern.
ses