Auch Richter verhalten sich nicht immer angemessen. Das gilt beispielsweise dann, wenn sich eine Partei bei einem Prozessvergleich verweigert. So war es auch in einem Fall, über den das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden hatte. Dort soll ein Vorsitzender sogar mit Prügel gedroht haben.
Im zugrundeliegenden Fall war ein Arbeitnehmer nicht mit seiner Kündigung einverstanden und reichte dagegen Kündigungsschutzklage ein.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens schlossen die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht einen Vergleich.
Ein Jahr später hat der Kläger den Vergleich „unter allen erdenklichen Gesichtspunkten, insbesondere wegen Täuschung und Drohung im Sinne von § 123 BGB“ angefochten. Hierzu trug er Folgendes vor:
„Unmittelbar zu Beginn der Verhandlung vom 16. August 2006 habe der Vorsitzende – offenbar bereits über das Scheitern außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen unterrichtet – seine Unzufriedenheit über den Verfahrensstand zum Ausdruck gebracht und auf seinen – des Klägers – Vortrag zum Grund des Konflikts mit den Worten reagiert: „Passen Sie auf, was Sie sagen; es wird sonst alles gegen Sie verwendet“. Dadurch sei bei ihm der Eindruck entstanden, der Vorsitzende wolle jegliche Erörterung des Streitstoffs gleich zu Beginn unterbinden. Trotz seiner Erklärung, den Arbeitsplatz wiedererlangen zu wollen, habe dieser das Gespräch sogleich auf die Erörterung der Modalitäten eines Vergleichs gelenkt. Da er sich dem nicht offen habe widersetzen wollen, habe er einen seiner Vorstellung entsprechenden Abfindungsbetrag von 150 TEuro genannt. Der Vorsitzende habe daraufhin erklärt: „Wer bis zuletzt hofft, stirbt mit einem Lächeln“ und sei dazu übergegangen, ihm geringe Erfolgsaussichten seiner Klage wie folgt vor Augen zu führen: „Wenn Sie dem nicht zustimmen, dann kriegen Sie sonst nur 10 oder 20 TEuro“, „Sie haben keine Chance, höchstens 20 %, Sie müssen das machen!“. Seine weiterhin ablehnende Haltung gegenüber einem Vergleich habe der Vorsitzende mit den Worten kommentiert: „Sie spielen hier Vabanque“; „Was Sie machen, ist unverantwortlich im Hinblick auf Ihre familiäre Situation“ und: „Hören Sie mir auf mit Mobbing, davon will ich nichts hören, da kommt nichts bei raus!“ Zusammen mit weiteren unsachlichen Bemerkungen habe dies in ihm den Eindruck hervorgerufen, sein Fall werde nicht mehr objektiv und unparteiisch beurteilt. In unverhohlen aggressiver Art habe der Vorsitzende dann geäußert: „Seien sie vernünftig. Sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“, auf seine weitere Verweigerung eines Vergleichsschlusses ohne Widerrufsmöglichkeit erklärt: „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und schließlich: „Sie werden sonst an die Wand gestellt und erschossen“ sowie – nach einem „Blick in die Runde“ -: „Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen“. Danach habe er – der Kläger – endgültig den Eindruck gewonnen, der Vorsitzende sei bereit, sich über jedes Recht hinwegzusetzen. Durch dessen weitere Reaktionen wie „Dann wechseln Sie eben die Stadt.“; „Dann müssen Sie eben wieder unten anfangen und sich hocharbeiten“ sei ihm klar geworden, dass gleichgültig sei, was er noch vortrage. So sei nach der Erklärung des Vorsitzenden: „Stimmen Sie dem jetzt endlich zu, ich will Mittag essen gehen“ der Vergleich geschlossen worden. Erst später sei ihm bewusst geworden, dass diese massiven, einer fairen Verhandlungsführung widersprechenden Drohungen zu seiner Verhandlungsunfähigkeit geführt hätten. Ohne sie hätte er den Vergleich nicht geschlossen, zumindest nicht mit dem protokollierten Inhalt.“
Aufgrund dieser Äußerungen erklärte das Bundesarbeitsgericht als Revisionsinstanz den Vergleich für unwirksam. Es stellt hierzu Folgendes fest: „Der Vergleich ist unwirksam, weil die Anfechtung berechtigt ist. Der Kläger ist im Termin der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2006 widerrechtlich durch Drohung seitens des Kammervorsitzenden zum Abschluss des Vergleichs bestimmt worden“.
„Den Erklärungen des Vorsitzenden kann ein drohendes Element nicht abgesprochen werden. Aus dem Vorbringen der Parteien geht nicht hervor, dass dem Kläger die – offenbar häufiger an den Tag gelegte – ungewöhnliche Art des Vorsitzenden bekannt gewesen wäre oder die Vergleichsverhandlungen in einer aufgelockerten Gesprächsatmosphäre geführt worden wären. Dies ist auch objektiv nicht ersichtlich. Vielmehr beschreibt das Vorbringen beider Parteien eine durchgehende Anspannung des Klägers. Unter diesen Umständen ist es nachvollziehbar, dass beim Kläger aufgrund der in Rede stehenden Äußerungen der Eindruck entstanden ist, dem Vorsitzenden sei jedes, ggf. auch ein anrüchiges Mittel recht, um den Prozess zu dem gewünschten Abschluss bringen, und er – der Kläger – diesem Druck nur dadurch ausweichen könne, dass er den angetragenen Vergleich (endlich) schließe.“
Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 12.5.2010, 2 AZR 544/08