Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat entschieden, dass eine fehlende Baugenehmigung regelmäßig einen Sachmangel des veräußerten Wohnungseigentums darstellt (Urt. v. 12.04.2013, Az. V ZR 266/11). Der Grund wird darin gesehen, dass die Baubehörde die Nutzung der Wohnung bis zur Erteilung der erforderlichen Genehmigung untersagen kann.
Das Gericht stellte außerdem klar, dass der bei der Arglist vorausgesetzte Eventualvorsatz nicht schon dann vorliegt, wenn sich dem Verkäufer das Vorliegen von Tatsachen hätte aufdrängen müssen, die einen Mangel des Kaufobjekts begründen.
Wohnungseigentumsverkauf trotz fehlender Baugenehmigung
Die Klägerin und ihr damaliger Lebensgefährte kauften mit notariell beurkundetem Vertrag vom 9. Dezember 2005 von dem Beklagten eine von diesem sanierte Dachgeschosswohnung zum Preis von 90.000 €. Die Haftung für Sachmängel war ausgeschlossen. Als die Klägerin die Wohnung im Jahr 2009 verkaufen wollte, stellte sich heraus, dass sowohl für die Wohnung als auch für den Balkon keine Baugenehmigung vorlag. Die Ehefrau des Beklagten hatte bereits im Februar 2000 einen Bauantrag gestellt, welcher abgewiesen wurde. Davon wollte der Beklagte jedoch keine Kenntnis erlangt haben.
Im März 2009 forderten die Käufer den Beklagten dazu auf eine Baugenehmigung beizubringen. Darauf ging der Beklagte nicht ein, sondern verwies mit Schreiben vom 15. April 2009 lediglich darauf, dass nur Wohnraum saniert und modernisiert, nicht aber in die Statik eingegriffen worden sei; gleiches gelte für die Balkone. Im Übrigen sei das Dachgeschoss bereits früher bewohnt gewesen. Mit Schreiben vom 17. April 2009 erklärten die Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag, forderten den Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises bis zum 25. April 2009 auf und boten an, Erklärungen für die Rückauflassung abzugeben. Daneben forderte die Klägerin Schadensersatz i. H. v. 3.547 €. Sie behauptete, der Beklagte habe das Fehlen der Baugenehmigung arglistig verschwiegen. Davon war auch das Landgericht überzeugt und gab den Klageanträge statt. Dem ist das Oberlandesgericht (OLG) im Ergebnis gefolgt. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Senats des Oberlandesgerichts Rostock vom 8. Dezember 2011 aufgehoben.
BGH: Aufklärungspflichtiger Sachmangel und arglistiges Verschweigen ließ sich nicht feststellen
Die Richter urteilten, dass das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen hat, dem Beklagten sei die Berufung auf den vereinbarten Haftungsausschluss nach § 444 BGB versagt. Denn nach den bisherigen Feststellungen lässt sich das Vorliegen eines (aufklärungspflichtigen) Sachmangels – und damit auch ein arglistiges Verschweigen – nicht bejahen.
Der Senat hielt dabei an seiner bisherigen Rechtsprechung fest und betonte, dass eine fehlende Baugenehmigung regelmäßig einen Sachmangel des veräußerten Wohnungseigentums darstellt (vgl. Senat, Urteil vom 30. April 2003 – V ZR 100/02, NJW 2003, 2380, 2381). Denn die Baubehörde kann die Nutzung der Wohnung jedenfalls bis zur Erteilung der erforderlichen Genehmigung untersagen. Dies sei auch unabhängig von der Frage, ob eine Genehmigung unter Zulassung einer Ausnahme hätte erteilt werden können. Dabei besteht der Sachmangel bereits darin, dass es an der baurechtlich gesicherten Befugnis fehlt, das Objekt für den vertraglich vorausgesetzten Zweck zu nutzen. Diese Frage haben die Zivilgerichte in eigener Verantwortung – ohne Bindung an einen erst später ergangenen baubehördlichen Bescheid – zu beantworten. Ausreichende Feststellungen zur Beurteilung der Genehmigungsbedürftigkeit wurden vom Berufungsgericht jedoch nicht getroffen.
Die Richter stellten auch fest, dass ein arglistiges Verhalten des Beklagten nicht vorliegt. Arglist setzt nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des BGHs zumindest Eventualvorsatz voraus (so etwa Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 − V ZR 198/11, NJW 2012, 2793); leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt dagegen nicht. Ein arglistiges Verschweigen ist danach nur gegeben, wenn der Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genüge es dagegen nicht, wenn sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen, weil dann die Arglist vom Vorsatz abgekoppelt und der Sache nach durch leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis ersetzt würde. Selbst ein bewusstes Sichverschließen genügt nicht den Anforderungen, die an die Arglist zu stellen sind.