In Bezug auf die sogenannten Klima-Kleber der „Letzten Generation“ wird aktuell wegen des Verdachts einer „kriminellen Vereinigung“ ermittelt. In diesem Zusammenhang wurden in sieben Bundesländern bereits 15 Wohnungen und Geschäftsräume der Klimaaktivisten durchsucht. Auch die Homepage der Vereinigung wurde nun abgeschaltet. Wie ist der Stand der Dinge?
Immer wieder sind die Klimaaktivisten in den Schlagzeilen. Indem sie sich am Asphalt festkleben, schaffen sie z.B. Straßenblockaden und wollen so auf die Klimakrise aufmerksam machen. Auslöser der aktuellen Ermittlungen waren unter anderem Sabotageaktionen gegen die PCK-Raffinerie in Schwedt im April 2022. Nachdem sich zwei Aktivisten unberechtigten Zugang zu dem Gelände verschafft hatten, drehten sie die Hähne der Pipeline zu. Danach ketteten sie sich an Rohren fest und verklebten sich miteinander. Festnahmen sind bisher noch nicht erfolgt. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Neuruppin wurde jedoch neben dem Anfangsverdacht von Straftaten wie Sachbeschädigung, Nötigung und Landfriedensbruch auch der Anfangsverdacht der „Störung öffentlicher Betriebe“ nach § 316b StGB und der Bildung einer „kriminellen Vereinigung“ nach § 129 StGB angenommen.
Während die Staatsschutzkammer des Landgerichts (LG) Potsdam in zweiter Instanz den Anfangsverdacht der Neuruppiner Staatsanwaltschaft bestätigte, sah die Berliner Staatsanwaltschaften bislang noch keinen Anfangsverdacht für die Bildung einer „kriminellen Vereinigung“.
Voraussetzungen einer kriminellen Vereinigung
Um vor dem Gesetz als „kriminelle Vereinigung“ zu gelten, müssen sich mindestens drei Menschen auf Dauer zu dem Zweck zusammengeschlossen haben, wiederholt Straftaten zu begehen. Letztere müssen eine bestimmte Erheblichkeitsschwelle überschreiten. In diesem Zusammenhang beruft sich die Staatsanwaltschaft Berlin auf den Tatbestandsausschluss des § 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB, wonach eine Strafbarkeit wegen der Bildung einer „kriminellen Vereinigung“ nicht angenommen werden darf, „wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist“. Diese sei nach Ansicht der Berliner Staatsanwaltschaften erst dann gegeben, wenn die Vereinigung terrorismusähnliche Züge annimmt.
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Zudem komme es darauf an, in welchem Maße das Leben und der Alltag der Menschen durch die Aktivitäten der Klima-Kleber beeinträchtigt werden. Zu berücksichtigen ist dabei aber auch das allgemein verfolgte Ziel der Vereinigung. Das Ziel der „letzten Generation“ ist die Politik dazu zu bewegen, wirksamen Klimaschutz zu betreiben, um die drohende Klimakatastrophe abzuwenden. Mit dem Ziel Aufmerksamkeit für dieses Anliegen zu erhalten, nahmen sie in der Vergangenheit häufig strafbares Verhalten in Kauf. Häufig vermittelten die letzten Schlagzeilen den Eindruck, dass sogar Personen im Zusammenhang mit Straßenblockladen der Klima-Kleber gestorben seien, weil dadurch Rettungswagen blockiert wurden. Bisher stellte sich jedoch immer heraus, dass die Blockade selbst nicht ursächlich für den Tod der Personen war. Solange die Aktivisten nur durch ein „dauerhaftes Lästigwerden“ auffallen, wie die Berliner Staatsanwaltschaft es ausdrückt, wird es wohl schwierig sein die Überschreitung einer Erheblichkeitsgrenze zu begründen. Anders sieht dies immer noch das LG Potsdam. Die eingesetzten Mittel „friedlichen zivilen Ungehorsams“ seien danach bereits ein Anhaltspunkt für die „Kriminalität“ der Bewegung.
Zentraler Vorwurf der aktuellen Durchsuchungen war ein Spendenaufruf von sieben Beschuldigten zur Finanzierung weiterer Straftaten für die Letzte Generation. Dadurch sollen 1,4 Millionen Euro eingesammelt worden sein. Die Durchsuchungen sollen nun dazu dienen Beweismittel zur Mitgliederstruktur zu finden. Auch die Homepage wurde nun abgeschaltet.
Die Razzia traf die „Letzte Generation“ laut deren Sprecherin zwar hart. Dennoch reagierten sie selbst mit scharfer Kritik und fragten sinngemäß, „wann denn Lobbystrukturen durchsucht und fossile Gelder der Regierung beschlagnahmt werden würden“. Im Netz bekundeten auch weitere Klimaschutzgruppen ihre Solidarität mit den Aktivisten. Die Ermittlungen laufen weiter. Sollte das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung tatsächlich festgestellt werden, drohen nach dem Gesetz jedenfalls Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren – und das für die bloße Mitgliedschaft in der Gruppe.
ezo