Plötzlich war das Auto weg: Nachdem eine Kundin im Rahmen des sogenannten „Cash & Drive“-Modells in Zahlungsrückstand geraten ist, ließ das Unternehmen Pfando das vermietete Fahrzeug ohne ihren Willen abholen. Laut einer aktuellen Gerichtsentscheidung des OLG stelle dies verbotene Eigenmacht dar und sei daher verboten, selbst wenn das Vorgehen laut deren AGB gestattet war.
Befindet man sich in Zahlungsschwierigkeiten gibt es viele Möglichkeiten, wie man das Problem angehen kann. Häufig wird z.B. ein Bankkredit aufgenommen. Auch Pfandhäuser gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Besonders verlockend wirkt jedoch das Geschäftsmodell des Unternehmens Pfando – zumindest auf den ersten Blick. Viele Gerichte beschäftigten sich bereits mit dem sog. „Cash & Drive“-Modell und seinen Haken. Nun entschied auch das OLG Frankfurt am Main, dass die eigenmächtige Abholung eines PKW am Ende der Mietzeit verboten sei (Urt. v. 26.05.2023, Az. 2 U 165/21).
Das Unternehmen Pfando ist ein bundesweit betriebenes staatlich zugelassenes Pfandleihhaus, welches neben dem klassischen Pfandleihgeschäft das sog. „Cash & Drive“-Modell verfolgt. Dies bewirbt Pfando für einen kurzfristigen Liquiditätsengpass mit dem Erhalt von Bargeld bei fehlender Kreditwürdigkeit. Dafür kauft das Unternehmen Eigentümern ihr Kraftfahrzeug ab, lässt es sich übereignen und vermietet es sogleich über einen bestimmten Zeitraum zurück an den ursprünglichen Eigentümer. Der vorliegende Fall betraf eine Kundin, die dem Unternehmen infolge von finanziellen Nöten ihren damals etwa neun Jahre alten PKW verkaufte. Hierfür zahlte Pfando ihr 1.500 Euro. Die Kundin mietete ihr Fahrzeug sodann für 148,50 Euro monatlich zurück.
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Nach dem Ende der Mietzeit sollte das Fahrzeug binnen 24 Stunden an das Unternehmen zurückgegeben werden. Besonders hervorzuheben sind an dieser Stelle die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Pfando. Diese sahen nämlich vor, dass Pfando selbst das Fahrzeug in Besitz nehmen, es ohne Ankündigung sicherstellen und hierfür auch das befriedete Besitztum des Mieters auch zur Nachtzeit betreten dürfe. Als keine Mietzahlungen mehr erfolgten, kündigte Pfando das Mietverhältnis und forderte die Kundin auf, das Fahrzeug zurückzugeben. Ohne der Kundin eine tatsächliche Chance zu ermöglichen das Fahrzeug zurückzugeben, ließ das Unternehmen dieses kurzerhand abholen, und zwar ohne Willen der Kundin. Der PKW wurde daraufhin versteigert oder verkauft.
Schadensersatzanspruch wegen Wegnahme des Fahrzeugs
Die Zwangsvollstreckung aus einem zunächst von der Kundin erwirkten Titel auf Herausgabe des Fahrzeugs war erfolglos. Besonders unglücklich war nämlich, dass der Verbleib des PKW nicht festgestellt werden konnte. Daraufhin erhob die Kunden Klage vor dem Landgericht (LG) Frankfurt am Main und begehrte Wertersatz für das verschwundene Fahrzeug in Höhe von 3.750 Euro sowie Nutzungsentschädigung für einen Zeitraum von fast zwei Jahren in Höhe von rund 17.000 Euro.
Das LG Frankfurt am Main verurteilte Pfando zur Zahlung von Wertersatz und Nutzungsersatz, allerdings in Höhe von rund 8.700 Euro – unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Kundin von 50%. Die hiergegen eingelegte Berufung durch Pfando hatte im Wesentlichen keinen Erfolg: laut dem OLG Frankfurt am Main stehe der Kundin ein Schadensersatzanspruch gegen Pfando wegen der Wegnahme des Fahrzeugs zu.
Verbotene Eigenmacht durch Pfando
Das OLG Frankfurt am Main stellte, wie auch schon die Vorinstanz klar, dass Pfando der Kundin den Besitz des Fahrzeugs durch verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entzogen hatte. Dies rechtfertige einen Anspruch auf Ersatz eines Nutzungsausfallschadens. Ob der Mietvertrag oder der Kaufvertrag überhaupt wirksam waren, könne damit offenbleiben. Die AGB im Mietvertrag, die Pfando das hier auch umgesetzte Verfahren gestatteten, seien wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden unwirksam. Ziel der Regelung des § 858 ff. BGB sei es im Mietverhältnis oder auch im Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer die Selbstexekution oder Selbstjustiz verhindern. Diese Ansicht des Gerichts scheint kaum zu verwundern. Denn schließlich wirkt es schon aus Laiensicht unbillig, wenn das Unternehmen ein Fahrzeug in einer „Nacht und Nebel Aktion“ einfach abholen könnte.
Pfando handelte fahrlässig
Pfando haben daneben auch fahrlässig gehandelt, so das OLG. Begründet wurde dies damit, dass das Unternehmen durchaus damit hätte rechnen können, dass ihr Geschäftsmodell „bemakelt“ sei, zumindest mit Blick auf die von verschiedenen Gerichten bereits geäußerten rechtlichen Bedenken gegen das Geschäftsmodell. Allein in vier Fällen, hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) bereits mit dem Pfando Geschäftsmodell befassen müssen. Dass die Art der Sicherstellung gegen Treu und Glauben verstoßen würde, war damit zumindest erkennbar.
Allerdings habe auch die Kundin gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, da sie fast zwei Jahre mit einer Ersatzbeschaffung gewartet hatte. Grundsätzlich sei der Ersatzanspruch auf Nutzungsausfall – wie der Anspruch auf Mietwagenkosten – auf die erforderliche Ausfallzeit beschränkt. Vorliegend hat die Kundin aber nicht darauf vertrauen können, ihr Fahrzeug wiederzuerlangen. Insofern hätte sie ihren Anspruch auf Herausgabe bereits deutlich früher geltend machen können. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Haken des Geschäftsmodells: Häufig ist den Kunden des „Cash & Drive“-Modell nicht bewusst, dass sie ihr Auto tatsächlich verkaufen und nur zurückmieten. In der Regel gehen sie lediglich von einer Beleihung des Wagens aus, wie in einem Pfandhaus. Das liegt u.a. daran, dass viele Kunden vom „Vertragskauderwelsch“ überfordert sind. In ihrer finanziellen Not suchen sie jedoch eine schnelle Lösung und unterschreiben so wider besseres Wissen den Vertrag. In vielen Fällen wurde sogar bereits eine Sittenwidrigkeit des Vertrages angenommen, da Unternehmen wie Pfando den Kunden für ihr Fahrzeug nur selten einen dem Wert des Fahrzeuges entsprechenden Betrag auszahlen.
Pfando passt AGB an
Ob Pfando nach den zahlreichen Gerichtsentscheidungen aus seinen Fehlern lernt und lieber den üblichen zivilrechtlichen Weg beschreitet, um die Fahrzeuge zurückzuholen, bleibt zu beobachten. Zumindest soll Pfando mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung seine AGB bereits anpasst haben. Wie die Herausgabe nach diesen aktuellen AGB nun konkret ablaufen soll, ist momentan jedoch noch nicht bekannt. Es bleibt spannend.
ezo