Das OVG Berlin-Brandenburg hat in zwei Beschwerdeverfahren zu presserechtlichen Auskunftsansprüchen im Zusammenhang mit der „Cum-Ex-Steuergeldaffäre“ entschieden. Dabei musste das Gericht untersuchen, wie weit der presserechtliche Auskunftsanspruch von Journalisten geht und welche Auskunftspflichten die Behörden haben.

Journalisten haben keinen presserechtlichen Ankunftsanspruch in Bezug auf Informationen, die der auskunftspflichtigen Behörde nicht mehr vorliegen, entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 13.06.2023, Az. 6 S 16/23). Außerdem entschied das Gericht, dass der presserechtliche Auskunftsanspruch kein „allgemeines Fragerecht“ begründe (Beschl. v. 15.06.2023, Az. 6 S 15/23).

Journalistisches Auskunftsrecht

Grundsätzlich haben Journalisten Auskunftsansprüche gegenüber den klassischen Behörden des Bundes, Landes und der Kommunen wie Verwaltungen, Oberbürgermeister oder Ministerien, außerdem gegenüber EU-Behörden. Ebenfalls auskunftspflichtig sind juristische Personen des Privatrechts, die von der öffentlichen Hand beherrscht werden und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben (z.B. Daseinsvorsorge) eingesetzt werden. Darüber hinaus sind auch alle staatlichen Stellen wie Parlamente und Gerichte auskunftspflichtig. Der Umfang der Auskunftspflicht bezieht sich auf alle für die Öffentlichkeit relevanten Themen. Begrenzt ist der Auskunftspflicht von Bundesbehörden jedoch beispielsweise dann, wenn private oder öffentliche Interessen entgegenstehen. Ob mündlich, schriftlich, durch Herausgabe von Aktenauszügen, durch eine Presseerklärung oder die Einladung zu einer Pressekonferenz Auskunft erteilt wird, kann die Behörde selbst entscheiden.

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Keine Auskunftsansprüche für nicht (mehr) vorhandene Informationen

Mit Beschluss vom 13. Juni 2023 versagte das OVG Berlin-Brandenburg einem Journalisten den Auskunftsanspruch gegenüber dem Bundesministerium der Finanzen. Der Reporter wollte wissen, wann und durch wen Informationen, die Olaf Scholz bzw. seine damalige Büroleiterin an den Cum-Ex-Untersuchungsausschuss übersandt haben sollen, vernichtet worden sind. Seinen Anspruch wollte der Journalist deshalb geltend machen, weil die begehrten Informationen wohl nicht mehr beim Bundesministerium der Finanzen in entweder schriftlicher oder elektronischer Form als sog. präsentes dienstliches Wissen hinterlegt seien. Das OVG wies seinen geltend gemachten presserechtliche Auskunftsanspruch aber mit der Begründung zurück, dass sich Ansprüche dieser Art nur auf wirklich vorhandene Informationen beschränken würden. Auskunftspflichtige Behörde seien nicht verpflichtet, Informationen zu beschaffen, die nicht mehr in den Archiven vorliegen würden. Mit dem Beschluss des OVG wurde die Beschwerde des Antragsstellers gegen den vorinstanzlichen Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin (Beschl. v. 28.03.2023, Az. 27 L 390/22) zurückgewiesen.

Presserechtlicher Auskunftsanspruch begründe kein allgemeines Fragerecht

Darüber hinaus hat der Senat mit Beschluss vom 15. Juni 2023 entschieden, dass ein Journalist keinen Anspruch gegenüber dem Bundeskanzleramt hat, Informationen zu erhalten, auf welche Weise Bundesminister Wolfgang Schmidt im Jahr 2022 zur „Cum-Ex-Steuergeldaffäre“ mit Journalisten kommuniziert hat. Laut dem OVG Berlin-Brandenburg lägen die begehrten Informationen nicht in der Form präsenten dienstlichen Wissens des Kanzleramtsministers bei der Behörde vor. Auskünfte seien laut dem Gericht nur zu dienstlich erlangtem Wissen zu erteilen. Schließlich begründe der presserechtliche Auskunftsanspruch kein allgemeines Fragerecht gegenüber den Leitern der befragten Behörden.

Hier sahen die Richter nicht, dass es sich bei der fraglichen Kommunikation Wolfgang Schmidts mit Journalisten um eine dienstliche Tätigkeit in diesem Sinne gehandelt haben soll. Dies gelte wohl zum einen insbesondere im Zusammenhang mit seiner Zeugenaussage vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur „Cum-Ex-Steuergeldaffäre“ in Hamburg, zum anderen aber auch in Bezug auf die weiteren begehrten Auskünfte, die ebenfalls in Verbindung zu der Affäre stehen. Mit seinem Beschluss hob das OVG Berlin-Brandenburg einen Beschluss des VG Berlin auf, der das Kanzleramt noch zu Auskünften verpflichtet hatte.

Auswirkungen auf den Untersuchungsausschuss des Bundestags

Die Ergebnisse dieses letzten Gerichtsverfahrens könnten sich nun auch auf den Bundestags-Untersuchungsausschuss auswirken, den die Union zu der „Cum-Ex-Affäre“ fordert. Dieser wird von der Union angestrebt und soll die Rolle von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Sache aufklären. Nach Artikel 44 des Grundgesetzes (GG) kann und muss der Deutsche Bundestag auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Dieser prüft hauptsächlich mögliche Missstände in Regierung und Verwaltung und mögliches Fehlverhalten von Politikern. Hierfür können die Untersuchungsausschüsse Zeugen und Sachverständige vernehmen und sonstige Ermittlungen durch Gerichte und Verwaltungsbehörden vornehmen lassen. Das Ergebnis fasst der Untersuchungsausschuss in einem Bericht an das Plenum zusammen.

agü/ezo