Welche Rechte hat man, wenn ein Online-Shop eine sogenannte „Zufriedenheitsgarantie“ gibt? Mit dieser Frage beschäftigt sich aktuell der BGH in einem Streit zwischen zwei Online-Händlern. Entscheidend wird es auf die Auslegung der Verbraucherrechte-Richtlinie sowie der Warenkaufs-Richtlinie der EU ankommen. Der BGH legt deshalb nun dem EuGH vor. Die Entscheidung des EuGH steht noch aus.

Hintergrund des Vorabentscheidungsverfahrens ist ein vor dem Bundesgerichtshof (BGH) anhängiger Rechtstreit zwischen zwei Online-Händlern. Der beklagte Händler verkauft Sport- und Fitnessprodukte stationär in seinem Onlineshop, darunter auch T-Shirts der Marke „L“. Einige davon versieht er regelmäßig mit Hängeetiketten, sogenannten „Hang-Tags“, auf denen folgender Text zu lesen ist:

“L. Warranty

Every L. product comes with our own lifetime guarantee. If you are not completely satisfied with any of our products, please return it to your specialist dealer from whom you purchased it. Alternatively, you can return it to „L. “ directly but remember to tell us where and when you bought it.”

Die Klägerin, ebenfalls eine Onlinehändlerin, erwarb im August 2018 über eine Testkäuferin bei dem Online-Händler zwei der besagten T-Shirts. Nachdem sie die Hang-Tags bemerkt hatte, machte sie geltend, die Angaben darauf genügten nicht den gesetzlichen Anforderungen einer Garantieerklärung nach § 479 Abs. 1 S. 2 BGB. Danach muss ein Verkäufer, der bei einem Verbrauchsgüterkauf eine Garantie verspricht, der Garantieerklärung bestimmte Informationen für Verbraucher beifügen. Es handelt sich dabei um eine Marktverhaltensregelung, die dem Schutz von Verbrauchern dient. Die Klägerin verlangte daher die Unterlassung solcher Garantieerklärungen in den Hang-Tangs, gegründet auf einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch. Der beklagte Online-Händler brachte dagegen hervor, dass der Anspruch auf Unterlassung nicht bestehe oder bereits verjährt sei.

Das Landgericht (LG) München stimmte dem T-Shirt-Verkäufer zu und wies die Klage ab (Urt. v. 10.2.2020 – 4 HKO 8418/19). Das Oberlandesgericht (OLG) München sah das hingegen anders und gab der Klage in zweiter Instanz statt. Es verurteilte den Verkäufer zur Unterlassung (Urt. v. 14.1.2021 – 29 U 1203/20). Dieser legte gegen diese Entscheidung Revision beim BGH ein. Der BGH setzte das Verfahren nun per Beschluss aus und legte zwei relevante Fragen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vor (Beschl. v. 10.2.2022 – I ZR 38/21).

Soforthilfe vom Anwalt

Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.

Wir sind bekannt aus

Vorlagefragen des BGH

Ob die Revision Erfolg hat, hängt davon ab, wie der EuGH über die Vorlagefragen des BGH entscheidet. Inhaltlich geht es bei den Fragen um die Auslegung von Art. 2 Nr. 14 der Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU) und von Art. 2 Nr. 12 der Warenkauf-Richtlinie ((EU) 2019/771).

Die bedeutendste Frage sei nach Ansicht der BGH-Richter die, ob die Zusage auf den Hang-Tags eine Garantie im Sinne von § 443 Abs. 1 BGB darstelle. Entscheidend für die Antwort sei dabei die Auslegung der genannten Richtlinien-Inhalte. Diese stellten bestimmte Anforderungen an eine Garantie, müssten hinsichtlich der genauen Bestimmung aber noch ausgelegt werden. Hier wird der EuGH nun entscheiden müssen, ob die Zufriedenheit eines Verbrauchers eine „andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderung“ darstellt, die noch vom Garantiebegriff der Richtlinien erfasst ist.

Die zweite Vorlagefrage knüpft an die erste an. Soweit bei der Zufriedenheitsgarantie von einer Garantie im Rechtssinn auszugehen sei, stelle sich, so der BGH, die Frage, ob die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit dem Produkt anhand objektiver Umstände feststellbar sein müsse.

Anforderungen an eine Garantieerklärung

Um der Frage, ob eine Zufriedenheitsgarantie eine Garantie im rechtlichen Sinne darstellt, auf den Grund zu gehen, hat der BGH zunächst den Begriff der Garantie geklärt. Eine „gewerbliche Garantie“ im Sinne der Warenkauf-Richtlinie sei eine Verpflichtung des Verkäufers oder Herstellers, den Kaufpreis zu erstatten oder die Waren zu ersetzen, falls die nicht genau die Eigenschaften aufweisen, die der Verbraucher erwarten darf. Dabei handele es sich um Eigenschaften, die in der Garantieerklärung oder auch in einschlägiger Produktwerbung angepriesen wurden.

Da die Regelungen aus der Richtlinie jedoch europaweit gelten, dürfe in Deutschland laut BGH keine strengere oder lockerere Regelung zu Garantien gelten, als in der restlichen EU. Damit stellt der BGH klar, dass die Anforderungen an eine Garantie im deutschen Recht genauso gestellt werden müssen, wie es die EU-Richtlinien verlangen. Die Richtlinien sprechen beide von bestimmten Eigenschaften, die im Rahmen einer Garantie zugesichert werden. Auch § 443 Abs. 1 BGB, also das deutsche Recht, spricht von einer bestimmten Beschaffenheit, die garantiert wird.

Zufriedenheit ist keine Beschaffenheit der Sache

Nach Ansicht des OLG München und des BGH ist die Zufriedenheit des Käufers aber weder eine Eigenschaft noch eine Beschaffenheit im Sinne dieser Vorschriften. Denn als Beschaffenheit versteht man im deutschen Recht grundsätzlich nur Faktoren, die der Sache unmittelbar anhaften. Dies können Farbe, Material und Beständigkeit sein, unter Umständen aber auch weitere Eigenschaften, die im Rechtsverkehr wichtig sein, beispielsweise die Urheberschaft bei Kunstwerken. Nach der Rechtssprechung können aber nur Faktoren, die für die Frage der Mängelfreiheit relevant sind, zur Beschaffenheit zählen. Ob die Faktoren dem gekauften Gegenstand unmittelbar anhaften müssen oder ob jeglicher Bezug zur Sache ausreicht, hat der BGH bislang noch nicht entschieden.

In der subjektiven Zufriedenheit der Käufer sieht der BGH deshalb bislang keine Eigenschaft, die zur Beschaffenheit einer Sache gehört. Die Zufriedenheit könne zwar an die den objektiven Zustand und mögliche Mängel der Sache anknüpfen, das ist aber nicht zwingend. Jeder Käufer könne das Produkt, wie hier die T-Shirts, auch aus rein subjektiven Gründen missbilligen. Somit müsse die Zufriedenheit des Kunden nicht unbedingt einen tatsächlichen Bezugspunkt zur Ware aufweisen.

Wie ist die „Zufriedenheitsgarantie“ rechtlich einzuordnen?

Nach Ansicht der Karlsruher Richter könne die Zufriedenheit der T-Shirt-Käuferin aber eine „andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderung“ im Sinne der EU-Richtlinie sein. Solche Anforderungen lösen auch die Informationspflichten für Garantieerklärungen nach § 479 BGB aus. Das Gericht führt aus, dass dem Wortlaut der Richtlinie nicht eindeutig zu entnehmen sei, ob die Anforderungen sich auf objektive Gegebenheiten der Kaufsache beziehen müssen oder ob es ausreicht, wenn sie sich auf die subjektive Haltung des Verbrauchers zu dem gekauften Produkt beziehen. Diese Auslegung soll nun der EuGH vornehmen.

Kommt der EuGH zu dem Schluss, dass die Zufriedenheit des Verbrauchers eine solche andere Anforderung darstellt, muss er sich mit der zweiten Frage befassen. Dabei geht es darum, ob die Unzufriedenheit in irgendeiner Weise objektiv feststellbar sein muss. Der BGH selbst tendiert dazu, diese Frage zu verneinen. Seiner Meinung nach soll der Garantiefall auch dann vorliegen, wenn der Verkäufer oder Hersteller die Anforderungen des Käufers nicht anhand objektiver Umstände nachprüfen kann. Im Ergebnis würde diese Auslegung dazu führen, dass der Verbraucher von seinem Garantierecht nach Belieben Gebrauch machen kann, selbst wenn er in Wahrheit gar nicht unzufrieden ist.

Wie der EuGH in diesen Fragen entscheiden wird, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Das Ergebnis könnte einen großen Schritt für Verbraucherrechte darstellen.

lha/ses