Ein aktuelles EuGH-Urteil stärkt die Verbraucherrechte: Versäumt es ein Unternehmer, den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu unterrichten, und widerruft der Verbraucher dann den Vertrag, muss er selbst dann nicht zahlen, wenn die vertragliche Leistung bereits erfüllt wurde.
Grundsätzlich muss ein Unternehmer den Verbraucher bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag über dessen 14-tägiges Widerrufsrecht unterrichten. Tut er das nicht, muss er die Kosten tragen, die ihm für die Erfüllung des Vertrags während der Widerrufsfrist entstanden sind. Das ergibt sich aus einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 17.05.2023, Rs. C-97/22).
Ein Verbraucher schloss mit einem Unternehmen einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallation seines Hauses. Dies stellte einen Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmens dar – ein sogenanntes „Haustürgeschäft“. Das Unternehmen versäumte es jedoch, den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu unterrichten. Als das Unternehmen nach Erbringung seiner vertraglichen Leistungen dem Verbraucher eine Rechnung vorlegte, verweigerte der Verbraucher die Zahlung und widerrief stattdessen den Vertrag. Er macht geltend, dass das Unternehmen keinen Anspruch auf Vergütung habe, da es versäumt habe, ihn über sein Widerrufsrecht zu unterrichten und da die Arbeiten vor Ablauf der Widerrufsfrist ausgeführt worden seien. Diese verlängere sich bei einem solchen Versäumnis nämlich um ein Jahr.
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LG Essen wendet sich an den EuGH
Mit diesem Rechtsstreit befasst sich das Landgericht (LG) Essen (2022/C 165/42). Das Gericht vertritt die Auffassung, dass ein Verbraucher nach den Bestimmungen des deutschen Verbraucherrechts nicht für die vor Ablauf der Widerrufsfrist erbrachte Dienstleistung aufzukommen brauche, wenn der Unternehmer es versäumt habe, ihn über sein Widerrufsrecht zu unterrichten. Die deutschen Regelungen setzen die europäische Richtlinie über die Rechte der Verbraucher um.
Nun stand jedoch die Frage im Raum, ob die europäische Richtlinie einen Anspruch des Unternehmers auf „Wertersatz“ auch dann ausschließt, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht erst nach Erfüllung des außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags ausgeübt hat. Auf diese Weise könnte der Verbraucher nämlich einen Vermögenszuwachs erlangen, was dem Grundsatz des Verbots ungerechtfertigter Bereicherung, einem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, zuwiderliefe. Das LG Essen legte diese Frage daher dem EuGH vor.
EuGH stärkt Verbraucherrechte
Mit seinem heutigen Urteil beantwortet der EuGH die ihm vorgelegte Frage. Danach ist ein Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen des Unternehmers befreit, wenn dieser ihn nicht über sein Widerrufsrecht informiert hat und der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt hat.
Das Widerrufsrecht soll den Verbraucher im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vertrages schützen. Insbesondere, wenn diese außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden. Dies hängt damit zusammen, dass Verbraucher in solchen Situationen möglicherweise psychisch stärker unter Druck stehen oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt sind. Die Information über das Widerrufsrecht ist dabei entscheidend für den Verbraucher. Erst nach einer Unterrichtung über das Widerrufsrecht, ist es ihm möglich die Entscheidung über einen Vertragsschluss in Kenntnis der gesamten Sachlage zu treffen. Der Verbraucher ist in einer solchen Situation daher rechtlich besonders schützenswert.
Hinsichtlich der Frage des vom Verbraucher auf diese Weise erzielten Vermögenszuwachses und des Verbots ungerechtfertigter Bereicherung weist der EuGH darauf hin, dass die Richtlinie den Zweck verfolgt, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen. Dieses Ziel würde jedoch gefährdet werden, wenn man zulassen würde, dass einem Verbraucher Kosten entstehen könnten, nur weil er ein „Haustürgeschäft“ nach fehlender Aufklärung noch widerrufen möchte. Solche Kosten seien auch in der Richtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen.
ezo