Ist der Flug schon im Voraus als verspätet angekündigt, können Reisende nach der Fluggastrechte-Verordnung der EU eine Ausgleichszahlung erhalten. Ob sie dafür trotz der angekündigten Verspätung zum Flughafen kommen müssen, ist bisher ungeklärt. Der BGH hat sich mit dieser Frage nun an den EuGH gewandt.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorgelegt, ob ein Fluggast nur dann eine Entschädigung nach der europäischen Fluggastrechtverordnung (Fluggastrechte-VO) erhalten kann, wenn er zum Check-In erschienen ist, obwohl er bereits weiß, dass der Flug mindestens drei Stunden verspätet ist (Beschl. v. 03.05.2022, Az. X ZR 122/21).

Anspruch auf Ausgleichszahlung ab 3 Stunden Verspätung

Auslöser für die Vorlagefrage war eine Flugverspätung im Jahr 2018. Ein Geschäftsreisender buchte einen Flug von Düsseldorf nach Palma de Mallorca, der um 10:15 Uhr landen sollte. Ihm wurde schon im Vorfeld mitgeteilt, dass der Flug sich erheblich verspäten würde. Dadurch war ihm bewusst, dass er seinen Geschäftstermin auf Mallorca mit diesem Flug nicht erreichen werde, so dass er kein Interesse mehr an diesem Flug hatte und nicht zum Abflug am Flughafen erschien. Der Flug wurde dann auch tatsächlich mit einer Verspätung von 3 Stunden und 32 Minuten durchgeführt.

Aufgrund der erheblichen Verspätung verlangt der Reisende nun 250 Euro Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechte-VO, obwohl er nicht zum Abflug angetreten ist.

Nach der Rechtsprechung des EuGH steht einem Fluggast der Ausgleichsanspruch (Art. 7 Fluggastrechte-VO) zu, wenn er bei der Ankunft an seinem Endziel einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleidet. Bei Flügen über eine Entfernung von maximal 1.500 km beläuft sich der Anspruch auf 250 Euro. Um diesen Ausgleich zu erhalten, muss sich der Reisende aber spätestens 45 Minuten vor Abflug zur Abfertigung am Flughafen einfinden (Art. 3 Abs. 2 Fluggastrechte-VO). Das gilt allerdings nicht, wenn der Flug annulliert wurde.

Soforthilfe vom Anwalt

Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.

Wir sind bekannt aus

Ansicht des Klägers: Gleichsetzung von erheblicher Verspätung und Annullierung

Der Kläger beruft sich nun darauf, dass eine erhebliche Verspätung, die vorab angekündigt wurde, einer Annullierung des Fluges gleichkomme und er deshalb anspruchsberechtigt ist, obwohl er nicht am Flughafen erschienen ist.

Das Amtsgericht der ersten Instanz wies die Klage ab. Der Kläger habe aufgrund seines Nichterscheinens am Flughafen keinen Anspruch auf Zahlung von 250 Euro. Das Landgericht Düsseldorf (LG) hingegen sah die Anspruchsvoraussetzungen als erfüllt an. Es treffe zwar zu, dass man grundsätzlich für den Erhalt einer Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechte-VO am Flughafen erscheinen müsse. Allerdings sei nicht ersichtlich, wieso es notwendig sei, zu kommen, wenn die Verspätung bereits im Voraus bekannt war. Eine erhebliche Flugverspätung käme einer Annullierung des Fluges gleich.

Noch ungeklärte Auslegung der Fluggastrechte-VO

Der BGH konnte weder der Fluggastrechte-VO noch der bisherigen Rechtsprechung des EuGH entnehmen, ob die Rechtsauffassung des LG europarechtskonform ist. Deshalb hat der BGH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Auslegungsfragen zur Fluggastrechte-VO vorgelegt. Die konkrete Frage dabei ist, ob der Fluggast nur eine Entschädigung nach der Fluggastrecht-VO erhalten kann, wenn er zum Check-In erschienen ist, auch wenn er bereits weiß, dass der Flug mindestens drei Stunden verspätet sein wird.

Der BGH hält eine Gleichstellung von Annullierung und erheblicher Verspätung für denkbar, da die Unannehmlichkeiten ähnlicher Natur sind. Eine Vergleichbarkeit besteht nach Ansicht des BGH hingegen eher nicht, wenn eine Verspätung nicht angekündigt wurde oder erst 45 Minuten vor Abflug eintritt.

Ob diese Ansicht zutrifft oder die Fluggastrechte-VO in dieser Hinsicht anders auszulegen ist, muss nun der EuGH entscheiden. Erst wenn diese Frage geklärt ist, kann entschieden werden, ob der Kläger einen Anspruch auf 250 Euro Ausgleichszahlung hat.

mha