Mit dem Bürgergeld-Gesetz wurde die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II grundlegend reformiert und das Bürgergeld eingeführt. Die Grundsicherung stellt sicher, dass Leistungsberechtigte ein Leben führen können, das der Würde des Menschen entspricht. Sie stellt folglich eine Absicherung des Existenzminimums dar. Was jedoch Teil des verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimums ist und was nicht, ist immer wieder unklar. Wie sieht es z.B. mit der Anschaffung eines Hundes aus?

Ein Hund als Haustier gehört grundsätzlich nicht zum Existenzminimum, welches vom Jobcenter im Rahmen des Arbeitslosengeldes II bzw. Bürgergeldes abgedeckt werden muss. Dies gelte auch dann, wenn der Hund als „So­zi­al­kon­takt-Hilfe“ be­gehrt werde, so das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (Urt. v. 20.06.2023, Az. L 9 AS 2274/22).

Der Mann im konkreten Fall bezog seit 2005 Arbeitslosengeld II. Bei dem zuständigen Jobcenter beantragte er die Kostenübernahme für die Anschaffung und Haltung eines Hundes. Er begründete seinen Antrag damit, dass der Begleithund eine soziale Unterstützung während und insbesondere nach der Corona-Pandemie darstellen würde. Ziel der Anschaffung sei es insbesondere, die schweren Folgen der sozialen und finanziellen Isolation zu kompensieren. Der Hund solle ihn zudem darin unterstützen, eine Tagesstruktur zu entwickeln. Auch das Knüpfen von sozialen Kontakten sei durch einen Hund einfacher. Seiner Ansicht nach sei ihm der Begleithund als Familienersatz zu gewähren. Daher müssten die Kosten auch vom Jobcenter übernommen werden. 2.000 Euro sollte der Hund in seiner Anschaffung kosten und darüber hinaus 200 Euro pro Monat in der Haltung. Das LSG Baden-Württemberg lehnte den Antrag jedoch ab und urteilte, dass die Haltung eines Hundes nicht zu dem nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) zu gewährleistenden Existenzminimum gehöre.

Tierhaltung kein Fall des Mehrbedarfs

Das Gericht führte zunächst aus, dass es keine ausdrückliche Rechtsgrundlage für einen Mehrbedarf wegen Tierhaltung gäbe. Ein Mehrbedarf wird grundsätzlich allen Hilfebedürftigen zugesichert, die die Anspruchsvoraussetzungen des § 21 SGB II erfüllen, weil in der persönlichen Lebenssituation zusätzliche Bedarfe entstehen, die alleine durch den Regelsatz nicht gedeckt werden. Hierunter fallen beispielsweise Schwangere ab der 13. Schwangerschaftswoche, alleinerziehende Elternteile oder erwerbsfähig behinderte Menschen.

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Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Es wird aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitet. Das Gericht stimmte zwar zu, dass ein Hund als Sozialkontakthilfe dienen könne. Dies begründe jedoch noch nicht die Aufnahme in die unter das Existenzminimum fallenden Zuwendungen.

Kosten lassen sich vermeiden

Auch ein besonderer Bedarf, der ausnahmsweise die begehrte Leistung rechtfertigen könnte, wurde vom Gericht ausgeschlossen. Ein besonderer Bedarf liegt z.B. vor im Falle von atypischen Bedarfslagen, die über den Durchschnittsbedarf hinausgehen oder aufgrund ihrer Atypik vom Regelbedarf nicht erfasst sind. Kein besonderer Bedarf ist folglich anzunehmen, wenn der Bedarf nach Art und Umfang typischerweise bei Leistungsberechtigten nach dem SGB II auftritt.

Im Falle des Mannes erörterte das Gericht, dass dieser es jedenfalls selbst in der Hand hatte seinen Bedarf zu steuern, anders als beispielsweise bei bestimmten Erkrankungen mit dauerhaft erhöhtem Hygienebedarf, bei denen die Kosten zwingend anfallen würden und damit unvermeidbar seien. In letzteren Fällen sei eine Kostenübernahme zumindest möglich. Der Mann hingegen könne die Kosten für einen Hund durchaus vermeiden – eben durch die Nichtanschaffung des Hundes.

Keine Gefahr verfassungsrechtlich geschützter Güter

Außerdem sei dem Mann die Pflege von sozialen Kontakten sowohl zu Hunde- als auch zu Nichthundebesitzern in seinem Wohnumfeld, unabhängig davon, ob er selbst einen Hund besitze, uneingeschränkt möglich. Auch eine außergewöhnliche Lebenssituation, in der ohne die Bedarfsdeckung (Hundehaltung) verfassungsrechtlich geschützte Güter gefährdet würden, sei nicht gegeben.

Der Mann hatte selbst ausgeführt, dass er den Hund ausdrücklich nicht als „medizinische“ Leistung in Form eines Psychotherapie-Assistenzhundes benötige. Daher habe er sich auch nicht an seine Krankenkasse gewandt. Das Tier sei lediglich als Begleithund und Sozialkontakthilfe gedacht. Aus diesem Grund hatte das LSG auch eine konkrete und unmittelbare Gefährdung der Gesundheit des Mannes abgelehnt, die eventuell besonders zu berücksichtigen sei.

jvo/ezo