Sind K.O.-Tropfen ein gefährliches Werkzeug im Sinne des StGB, wenn sie eingesetzt werden, um eine Vergewaltigung zu ermöglichen? Diese Frage wurde in der Rechtsprechung noch nicht einheitlich beantwortet. Das LG Saarbrücken musste diese Problematik nun aufarbeiten, nachdem ein Mann seine Angestellte mit K.O.-Tropfen widerstandsunfähig gemacht und sie danach vergewaltigt hat. Kann das LG Saarbrücken hinsichtlich der Einstufung von K.O.-Tropfen als gefährliches Werkzeug nun für Klarheit sorgen?
Wer eine Person mit K.O.-Tropfen in einen widerstandsunfähigen Zustand versetzt, um sexuelle Handlungen an ihr zu verüben, setzt die K.O.-Tropfen als gefährliches Werkzeug im Sinne des § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 Strafgesetzbuch (StGB) ein. Damit ist der Tatbestand der besonders schweren Vergewaltigung verwirklicht. Dies urteilte nun das Landgericht (LG) Saarbrücken. Begründet hat das Gericht die Entscheidung unter anderem damit, dass auch betäubende Substanzen ein Werkzeug sein können (Urt. v. 31.03.2023, Az. 3 KLs 35/22).
Vor den Gefahren, die K.O.-Tropfen mit sich bringen, wird häufig gewarnt. Mittlerweile werden in Drogeriemärkten sogar Bändchen verkauft, die man in sein Getränk halten kann, um zu überprüfen, ob einem die gefährlichen Tropfen ins Glas gemischt wurden. Doch selbst die beste Aufklärung hilft nicht immer – oft reicht schon eine unachtsame Sekunde, um Opfer von K.O.-Tropfen zu werden.
Das LG Saarbrücken musste sich nun mit einem Vorfall zwischen zwei Arbeitskollegen beschäftigen. Dort musste sich ein Mann verantworten, der seiner Angestellten ein heimlich mit K.O.-Tropfen versetztes alkoholhaltiges Getränk zum Trinken gab. Die Tropfen können, je nach Dosierung, enthemmend bis sogar betäubend und einschläfernd wirken. Die Dame fiel nach Einnahme der Tropfen in einen komaähnlichen Schlaf. Daraufhin entkleidete der Mann seine Angestellte, schoss Bilder von ihrem Intimbereich und penetrierte sie. Nach der Tat ließ er sie eine halbe Stunde alleine im Auto.
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LG Saarbrücken sieht besonders schwere Vergewaltigung
Das LG Saarbrücken verurteilte den Mann unter anderem wegen dieser Tat zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und zwei Monaten. Bei der Strafzumessung wertete das Gericht die Verabreichung der K.O.-Tropfen, die im Volksmund auch als „Vergewaltigungsdroge“ bezeichnet werden, als Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB. Die Richter sahen den Tatbestand der besonders schweren Vergewaltigung als erfüllt an, weil der Täter bei der Tat ein – wie es in § 177 Abs. 8 StGB heißt – „anderes gefährliches Werkzeug“ in Form von Gamma-Butyrolacton (GBL) verwendet habe. Bei GBL handelt es sich um einen frei erhältlichen und Felgen- und Industriereiniger, der auch als K.O.-Tropfen missbraucht wird. Der Wirkstoff habe die Dame laut Gericht nicht nur in einen komatösen Zustand versetzt, sondern sie wegen drohender Erstickungs- und Herzstillstandsgefahr erheblichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt.
Die Saarbrücker Richter begründen ihre Ansicht zunächst mit dem Wortlaut des Gesetzes. Sie argumentierten, dass der Begriff „Werkzeug“ auch als Synonym für „Gegenstand“ verstanden werden könne, was die Einbeziehung betäubender Substanzen einschließe. Zudem verwies das Gericht auf die Gesetzgebungsbegründung, in der Salzsäure, also ebenfalls ein flüssiges Mittel, als Beispiel für ein gefährliches Werkzeug genannt werde. Die Zielsetzung der Norm unterstütze laut LG diese Einordnung, da sie darauf abziele, die Gesundheit und das Leben der Geschädigten zu schützen. Das heimliche Hinzufügen von Felgenreiniger in das Getränk sei gefährlicher und eingriffsintensiver als zum Beispiel das bloße Bereithalten eines Messers als Drohinstrument. Zur Verdeutlichung zogen die Richter einen Vergleich zwischen der Verwendung von GBL und dem heimtückischen Niederschlagen einer Person mit einem Knüppel, gefolgt von Bewusstlosigkeit, was nach ihrer Auffassung in jedem Fall vom Qualifikationstatbestand erfasst werde.
Einstufung als gefährliches Werkzeug umstritten
In der Rechtsprechung ist die Einstufung von K.O.-Tropfen als gefährliches Werkzeug höchst umstritten. Während das LG Saarbrücken in Übereinstimmung mit einer Entscheidung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) (Beschl. v. 20.4.2017, Az. 2 StR 79/17) entschied, hatte der 4. Strafsenat in einem früheren Fall die Tropfen nicht als gefährliches Werkzeug eingestuft (Beschl. v. 27.01.2009, Az. 4 StR 473/08). Nehme man nun infolgedessen die Erfüllung des Tatbestands der schweren Vergewaltigung an, würde dies eine Strafandrohung von mindestens drei Jahren bedeuten. Folgt man allerdings der Lösung des LG Saarbrücken und der Beurteilung des 2. Strafsenats, steht mit der Verwirklichung einer besonders schweren Vergewaltigung eine deutlich schwerwiegendere Mindeststrafe von fünf Jahren im Raum. Ob die Tropfen als gefährliches Werkzeug eingestuft werden, spielt also für die Strafandrohung eine erhebliche Rolle.
agr