Innerhalb der EU gehören Roaming-Gebühren der Vergangenheit an. Wer sich jedoch mal auf eine Fernreise begibt, kann nach wie vor mit horrenden Mobilfunkgebühren rechnen. So erging es dem Vorstand eines Münchner Vereins, der für seine Handy-Nutzung in Kanada fast 2.500 Euro zahlen sollte. Doch nach Urteil des AG München muss er nun nur einen Bruchteil dessen zahlen, weil der Mobilfunkanbieter auch ihn als Unternehmer vorher auf die Auslandsgebühren hätte hinweisen müssen.
Ein Münchner Verein sollte seinem Mobilfunkanbieter insgesamt 2646,39 Euro Roaming-Gebühren zahlen. Der Vorstand des Vereins war mit einem Mobiltelefon, das ihm zur Benutzung überlassen wurde, nach Kanada gereist. Die monatlichen Kosten des Handyvertrags beliefen sich eigentlich auf 50,17 Euro. In Kanada wählte sich das Handy jedoch in das ausländische Netz ein und verursachte dadurch innerhalb eines Monats die hohe Auslandsgebühr.
Der Mobilfunkbetreiber erließ später 400 Euro des Betrages aus Kulanz. Dennoch beglich der Verein nur einen geringen Teil der Rechnung. Ein Inkassounternehmen, an das der Mobilfunkanbieter seine Forderung abgetreten hat, klagte dann vor dem Amtsgericht (AG) München auf Zahlungen von den restlichen 1961,11 Euro. Der Verein trug vor Gericht vor, dass er von seinem Mobilfunkanbieter zu Unrecht nicht auf die stark ansteigenden Kosten in Kanada hingewiesen worden sei. Deshalb habe er seinerseits Schadensersatzansprüche, die er der Forderung entgegenhalten könne. Das Inkassounternehmen auf der anderen Seite war der Ansicht, dass für Mobilfunkbetreiber überhaupt keine Informationspflicht bezüglich der Roaming-Gebühren bestehe. Entsprechende Informationspflichten gäbe es nur gegenüber Verbrauchern und nicht in Bezug auf Unternehmer, wie dem Verein.
Das AG München wies die Klage nun in weiten Teilen zurück (Urt. v. 14.05.2021, Az. 113 C 23543/20).
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Hinweispflicht für Roaming-Gebühr nicht beachtet
Die Münchner Richter urteilten zugunsten des beklagten Vereins. Das AG bestätigte, dass dem Verein ein Schadensersatzanspruch wegen einer Nebenpflichtverletzung im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB gegen den Mobilfunkbetreiber habe. Konkret habe der Anbieter die Pflicht verletzt, auf die stark über dem vereinbarten Basistarif entstehenden Kosten hinzuweisen. Diese Pflicht ergebe sich daraus, dass der Mobilfunkanbieter viel besser absehen könne, wie hoch die Roaming-Gebühren bei einem längeren Aufenthalt in Kanada werden könnten. Der Vorstand des Vereins hingegen habe bis zur Zahlungsaufforderung durch den Anbieter nicht erkennen können, welche Kosten er verursachte. Im Gegensatz dazu habe das Mobilfunkunternehmen jederzeit Einblick in die Höhe und Ursache der Kosten gehabt, weshalb ein eklatantes Informationsgefälle zwischen ihm und dem Verein bestand. Es wäre auch problemlos möglich gewesen, entsprechende Hinweise zu geben, etwa durch automatisierte Benachrichtigungen via SMS oder E-Mail.
Das AG München begründete seine Entscheidung weiterhin damit, dass das Interesse des Vereins an einer Geringhaltung der Kosten nicht nur für den Mobilfunkanbieter offenkundig sein müsse, sondern dass dieses sogar Vertragsgegenstand sei. Denn bei einem Flatrate-Tarif, wie er hier vorlag, wird üblicherweise vereinbart, eine gleichbleibende, berechenbare Kostengrundlage zu gewährleisten. Demnach bestehe bei Flatrate-Tarifen eine noch erhöhte Veranlassung für den Anbieter, den Kunden über stark ansteigende Kosten zu informieren.
Informationspflicht gilt nicht nur gegenüber Verbrauchern
Eine Informationspflicht über steigende Mobilfunkkosten durch Roaming ist auch gesetzlich in Art. 15 Abs. 3 der EU-Roaming-Verordnung festgelegt. Nach Feststellung der Münchner Richter sei die Norm hier mangels Verbrauchereigenschaft des Vereins nicht unmittelbar anwendbar. Allerdings sei der zugrundeliegende Rechtsgedanke auch auf Parteien anwendbar, die keine Verbraucher sind, da die Unternehmereigenschaft nichts daran ändere, dass der Mobilfunkanbieter über überlegenes Wissen bezüglich der Kosten verfüge. Lediglich der Schwellenwert, ab dem eine Informationspflicht besteht, müsse bei unternehmerischen Vertragspartnern höher angesetzt werden, um insofern einer gewissen Erfahrung im Geschäftsverkehr und damit üblicherweise geringeren Schutzbedürftigkeit Rechnung zu tragen. Unter Berücksichtigung diese Kriterien kommt das AG München zu dem Ergebnis, dass der Mobilfunkanbieter für das Roaming in Kanada maximal das zehnfache des monatlichen Basistarifs in Rechnung stellen dürfe.
Der Münchner Verein muss deshalb im Ergebnis „nur“ 501,70 Euro bezahlen. Das Urteil ist rechtskräftig.
ses