Es kommt nicht selten vor, dass sich Gerichte mit der Auslegung von einzelnen Nachrichten auseinandersetzen müssen. Im vertraglichen Kontext wird dadurch ermittelt, was denn nun tatsächlich von den Parteien gewollt war. Im Falle eines kurz angebundenen Ferrari-Käufers ging es vor dem LG München dabei aber nicht um einen ganzen Satz, sondern vor allem um das Emoji 😬. Hat der Käufer damit einer Lieferfristverlängerung zugestimmt? Eine wichtige Frage, schließlich ging es um über eine halbe Million Euro.
Der Käufer eines Ferrari durfte vom Vertrag zurücktreten, obwohl er auf die per WhatsApp angekündigte Lieferverzögerung mit „Ups 😬“ reagiert hatte. In der Verwendung des Emojis „Grimassen schneidendes Gesicht“ (Unicode U+1F6sC) sei keine Zustimmung zu einer Lieferfristverlängerung zu erkennen, so das Oberlandesgericht (OLG) München (OLG München, Urt. v. 11.11.2024, Az.: 19 U 200/24 e).
Hintergrund des Verfahrens war der Streit eines Autohändlers mit einem Immobilienunternehmer über die Auslegung ihrer WhatsApp-Kommunikation. Der Unternehmer hatte vom Händler einen eigens konfigurierten Ferrari Typ SF90 Stradale bestellt, der laut Vertrag „unverbindlich“ im 2./3. Quartal 2021 geliefert werden sollte. Im Vertrag hieß es außerdem: „Bei einem unverbindlich vereinbarten Liefertermin kann der Käufer den Verkäufer zur Lieferung erst anmahnen, wenn der unverbindliche Liefertermin um zwei Quartale überschritten ist.“ Der Käufer leistete eine Anzahlung in Höhe von 59.500 Euro auf einen Kaufpreis von rund 600.000 Euro.
Im September 2021 schrieb der Händler dem Käufer dann, dass die Lieferung „leider auf erstes Halbjahr 2022“ rutsche und sie das nicht beeinflussen könnten. „Immerhin“ sei er dann zur nächsten Saison da. Hierauf antwortete der Käufer knapp mit „Ups 😬“ und verlangte im Anschluss eine schriftliche Bestellbestätigung von Ferrari. Er erhielt eine PDF mit der in Auftrag gegebenen Konfiguration, die er wiederum mit „👍“ quittierte.
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Am 09.Mai 2022 stellte sich heraus, dass der Ferrari fehlerhafte Batterien hatte und deshalb bis zum Ersatz nicht ausgeliefert werden konnte. Dem Käufer wurde es zu bunt und er setzte eine Nachfrist zum 24.05.2022 und trat letztlich am 01.06.2022 vom Vertrag zurück. Der Händler verweigerte die Rückabwicklung. Der Käufer wandte sich dafür an das Landgericht (LG) München II, das zunächst dem Händler Recht gab. Dieser sollte gemäß seiner Widerklage einen Schadensersatz in Höhe von rund 100.000 € bekommen, weil er den Ferrari in der Folge nur unter Verlust habe weiterverkaufen können. Das OLG München hob diese Entscheidung nun auf und gab dem Käufer Recht.
„Grimasse schneidendes Gesicht“-Emoji als Zustimmung
Nach Ansicht der Autohändlers habe der Käufer mit seiner Reaktion auf die Lieferverzögerung zum ersten Halbjahr 2022 einer Lieferfristverlängerung zum 31.06.2022 zugestimmt. Entsprechend hätte er nicht schon vorher mahnen und zurücktreten können. Diese Ansicht teilte das OLG München nicht.
Nach einer allgemeinen Feststellung darüber, dass auch WhatsApp-Nachrichten als Willenserklärungen im zivilrechtlichen Sinne gelten würden, wandte sich das OLG dann der Interpretation des verwendeten Emojis (😬) zu und stellte klar: Ein Erklärender könne seinen Willen auch „mittels Zeichen“ kundtun, das bedeute auch durch „digitale Piktogramme – wie Emojis“. Ob der Käufer sich durch die Verwendung des Emojis rechtlich binden oder doch nur seine Stimmung- und Gefühlslage mitteilen wollte, sei eine Frage der Auslegung.
Diese Auslegung sei allerdings fehleranfällig, da es vorkomme, dass Emojis in bestimmten Kreisen bestimmte Bedeutungen von vornherein zugemessen würden. Das OLG spricht von einem „Emoji-Soziolekt“. Entsprechend müssten bei der Auslegung alle Begleitumstände herangezogen werden, um das Emoji in den richtigen Kontext zu setzen. Der Rechtsanwender könne dafür auch auf ein Emoji-Lexikon und den begleitenden Text zurückgreifen.
Das Emoji „Grimasse schneidendes Gesicht“ (😬) stelle laut Emoji-Lexikon grundsätzlich negative oder gespannte Emotionen dar, besonders Nervosität, Verlegenheit, Unbehagen oder Peinlichkeit. „Ups“ sei begleitend allenfalls als ein Ausruf der Überraschung oder des Erstaunens zu werten, und damit nicht als zustimmende Aussage.
Das „Daumen hoch“-Emoji (👍) sei zwar durchaus als Geste zu verstehen, die bei „physischer Verwendung regelmäßig Zustimmung“ bedeute. In diesem Falle habe es sich aber „in keiner Weise“ auf den Liefertermin, sondern lediglich auf den Erhalt der Konfigurations-PDF bezogen. Auch gelte nichts anderes, nur weil sich der Kläger im Januar 2022 nach dem Stand der Dinge erkundigte: „Erstes Halbjahr hat angefangen. 😄 schon ein Lebenszeichen von Ferrari wann mit dem Auto zu rechnen ist?“. Auch hierin habe keine Zustimmung gelegen.
Fälligkeit nach „unechter Nachfrist“
Damit blieb es bei der vorherigen vertraglichen Vereinbarung. Dass der Käufer laut dieser erst zwei Quartale nach Ablauf des unverbindlichen Termins mahnen durfte, sei laut OLG als eine sog. „unechte Nachfrist“ zu verstehen. Durch den Ablauf (zum Ende des übernächsten Quartals, 31.03.2022), wurde die Lieferung fällig und der Verkäufer konnte durch einfache Mahnung in Verzug gesetzt werden. Der Käufer habe dann eine „echte“ Nachfrist bestimmen müssen, die in diesem Fall aber kurz ausfallen könne.
Laut Gericht sei diese echte Nachfrist von drei Wochen hier angemessen gewesen. Diese konnte er in der Tat aber erst über einen Monat nach Fälligkeit erklären, denn auf eine Nachfrage des Verkäufers, ob für die Abwicklung die Woche ab 09.05. passen würde, hatte der Käufer mit „Passt.“ reagiert. Auch hierin lag laut OLG zwar keine Zustimmung zu einer Lieferfristverlängerung, aber immerhin eine Erklärung darüber, dass mit der Nachfristsetzung bis dahin gewartet werde. Am 10.05. habe der Käufer also erfolgreich abgemahnt und sei dann am 01.06. erfolgreich zurückgetreten.
Er konnte somit seine Anzahlung nebst Zinsen zurückverlangen, der Verkäufer ging indes leer aus. Sein geltend gemachter Schaden führe ins Leere, weil der Käufer nicht mehr zur Abnahme des Kfz verpflichtet gewesen sei.
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