Ein tödlicher Unfall und die Frage nach einem Mord: Das LG Heilbronn verhandelt über den tragischen Vorfall, bei dem ein 21-Jähriger mit überhöhter Geschwindigkeit einen tödlichen Unfall verursachte. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Totschlag und illegales Autorennen vor, das Gericht prüft sogar einen Mordvorwurf. Insbesondere Zeugenaussagen und Gutachten werden bei der Suche nach Gerechtigkeit in den kommenden Monaten im Fokus stehen.
Vor dem Landgericht (LG) Heilbronn wird derzeit ein so genannter Raserfall verhandelt. Das sind zusammengefasst solche Fälle, in denen Personen wegen gefährlichen Fahrens mit überhöhter Geschwindigkeit angeklagt sind. In den nächsten Monaten wird sich das Gericht insbesondere mit der Frage beschäftigen, ob sich ein junger Erwachsener wegen Mordes strafbar gemacht hat.
Hintergrund des Raser-Prozesses ist der Fall eines 21-Jährigen, der an einem Sonntagnachmittag vor einem halben Jahr in der Heilbronner Innenstadt so heftig aufs Gaspedal getreten haben soll, dass er die Kontrolle über sein Auto verlor. Mit seinem 300 PS starken Sportwagen raste er in der Tempo-40-Zone mit rund 100 Stundenkilometern in das Auto eines 42-Jährigen. Dieser wollte gerade mit seiner Familie aus einer Ausfahrt fahren. Der 42-jährige Fahrer starb noch an der Unfallstelle in den Trümmern seines Wagens. Seine Frau wurde schwer, die beiden Kinder leicht verletzt. Der 21-jährige Raser und seine Beifahrerin erlitten nur leichte Verletzungen.
Staatsanwaltschaft: Er hätte es wissen müssen
Weil der Angeklagte kurz vor dem Unfall eine Fußgängerin auf einem Zebrastreifen fast überfahren hatte, warf ihm die Staatsanwaltschaft vor, er hätte wissen müssen, was drohen konnte. Die Frau hätte dem Fahrer des Sportwagens gerade noch ausweichen können. Damit begründete die Staatsanwaltschaft die Anklage unter anderem wegen Totschlags und illegalen Autorennens. Denn spätestens in dem Moment, als er die Fußgängerin beinahe überfahren hatte, habe der Fahrer nach Ansicht der Staatsanwaltschaft bedingten Tötungsvorsatz gehabt. Der 21-Jährige habe das Risiko bewusst akzeptiert und die damit verbundene Gefahr billigend in Kauf genommen. Seine Mitmenschen seien ihm während der Fahrt völlig gleichgültig gewesen. Die Familie im anderen Auto hätte keine Chance gehabt, so die Staatsanwaltschaft.
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Gericht prüft Mord
Die Große Jugendkammer des LG Heilbronn schließt sogar eine noch härtere Strafe für den jungen Erwachsenen nicht aus. Denn der Vorsitzende Richter hat bereits erklärt, dass das Gericht zumindest prüfe, ob in diesem Fall auch eine Anklage wegen Mordes in Betracht komme. Ein Totschlag wird dann zum Mord, wenn ein Mordmerkmal verwirklicht worden ist. Im vorliegenden Fall sei das Mordmerkmal der Heimtücke anzudenken. Das Mordmerkmal der Heimtücke setzt voraus, dass die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausgenutzt wird.
Das LG Heilbronn wird nun bis Mitte Dezember prüfen, ob im konkreten Fall auch Mordmerkmale erfüllt sind. Ausschlaggebend dafür sind Zeugenaussagen und Gutachten. Je nachdem, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung kommt, droht dem Angeklagten diesbezüglich möglicherweise sogar eine lebenslange Gefängnisstrafe. Bei Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren liegt dies im Ermessen der Richter. Mit dem Mordmerkmal der Heimtücke hatte sich das Gericht auch im berühmten Ku’damm-Raser-Fall zu befassen. Hier hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das Vorliegen von Heimtücke bejaht (Urt. v. 18.06.2020, Az. 4 StR 482/19).
Ein Auto genügt für ein illegales Autorennen
Der Straftatbestand des illegalen Kraftfahrzeugrennens wurde bereits im Oktober 2017 mit § 315d in das Strafgesetzbuch (StGB) aufgenommen. Nach dem neuen Straftatbestand kann bereits die Teilnahme an einem nicht genehmigten Autorennen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe geahndet werden. Auch der Fall, dass statt eines Rennens nur ein einzelnes Fahrzeug beteiligt ist, wird erfasst. Bei dieser Alternative hatte der Gesetzgeber zum Beispiel den allein mit einer Helmkamera rasenden Motorradfahrer vor Augen oder Raser, die vor der Polizei fliehen. § 315d StGB sieht zudem eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor, wenn ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen zur Folge hat. Der Angeklagte, der bei der Polizei als Raser bekannt ist, hat sich bislang noch nicht zur Sache geäußert.
lyt/ezo