Künstler, die wegen der Corona-Pandemie nicht auftreten konnten, gehen leer aus. Der BGH entschied im August, dass sie keinen Anspruch auf Entschädigung haben. Die coronabedingten Konzertabsagen seien verhältnismäßig gewesen.
Keine Auftritte, kein Publikum und keine Einnahmen – so ging es vielen Künstlern während der Corona-Pandemie. ,,Vollblutmusiker‘‘ Martin Kilger tourte schon mit Joe Cocker durch die Welt und drehte Videos für Xavier Naidoo. Im Jahr 2020 sah es aber auch für ihn schlecht aus: Durch die Covid-Verordnung des Landes Baden-Württemberg wurden Live-Auftritte zunächst ganz verboten und später von staatlicher Seite auf eine minimale Personenanzahl beschränkt. Damit fiel seine Haupteinnahmequelle weg. Die Entschädigung in Höhe von 8000 Euro, die er vom Land forderte, verweigerte ihm nun auch der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 03.08.2023, Az. III ZR 54/22).
Zuvor hatten bereits das Landgericht (LG) und das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart die Forderung des Musikers abgewiesen. Der Musiker hatte damit argumentiert, dass jeder einzelne Künstler ein Sonderopfer für die Gemeinschaft erbracht habe, das vom Land entschädigt werden müsse. Nach Ansicht der Richter am LG und OLG kam ein Entschädigungsanspruch jedoch nicht in Betracht: Weder die Entschädigungsregelungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) noch des Landespolizeigesetzes seien anwendbar. Auch die im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten Entschädigungsansprüche aus „enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff“ oder der allgemeine Aufopferungsanspruch seien nicht einschlägig. Denn es habe sich um eine sogenannte ,,Jedermann-Maßnahme‘‘ gehandelt, also um eine Maßnahme, die nicht speziell für Künstler, sondern für jedermann gegolten habe. Kilgers Anwalt hatte damals gesagt, es sei „bitter“ für die Künstler, weil Juristen entscheiden würden, die in der fraglichen Zeit ein gesichertes Einkommen hatten.
Auch BGH weist Klage ab
Vor dem obersten Zivilgericht machte sich der 47-jährige Musiker mehr Hoffnung. Doch die Richter enttäuschten ihn. Kilgers Anwalt hatte in der Revision in erster Linie einen enteignungsgleichen Eingriff geltend gemacht. Das ist ein durch die Rechtsprechung entwickeltes Haftungsinstitut. Bei Vorliegen der Voraussetzungen eines enteignungsgleichen Eingriffs, hat der Anspruchsteller einen Anspruch auf Entschädigung, wenn er einen Schaden erlitten hat. Bedingung dafür sei allerdings nach Ansicht der Richter, dass unmittelbar durch den Staat in das Eigentum eingegriffen werde. Zudem müsse dem Berechtigten durch diesen staatlichen Eingriff ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit auferlegt werden. Diese Voraussetzungen sahen die Karlsruher Richter allerdings nicht gegeben. Denn die in den Corona-Verordnungen des Landes Baden-Württemberg angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen, seien schon nicht rechtswidrig gewesen. So sei durch die Verordnungen weder gegen das Grundrecht auf Eigentum verstoßen worden noch gegen die Berufs- und Kunstfreiheit.
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Prüfung der Verhältnismäßigkeit
In ihrem Urteil wogen die Richter die Grundrechte des Musikers gegen das Ziel der staatlichen Maßnahme, die Pandemie einzudämmen und die Bevölkerung zu schützen, ab. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Maßnahmen verhältnismäßig gewesen seien. Denn die angeordneten Maßnahmen verfolgten nach Auffassung des BGH einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck, da sie darauf abzielten, die weitere Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und die exponentielle Zunahme der Infektionen durch eine Verringerung der zwischenmenschlichen Kontakte zu brechen. Damit sollte eine Überlastung des Gesundheitssystems vermieden werden und die medizinische Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden, so die Richter.
In Anlehnung an das Robert-Koch-Institut führte das Gericht weiter aus, dass die ,,soziale Distanzierung‘‘ auch geeignet gewesen sei, um die Verbreitung des Covid-Virus zu verhindern und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten.
Schließlich habe es auch kein gleich geeignetes, aber milderes Mittel als die Kontaktbeschränkungen gegeben, die zur Absage zahlreicher Konzerte geführt haben. Denn zum einen wären differenzierte Übergangs- und Ausnahmeregelungen mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Eindämmung des Virus nicht vereinbar gewesen, zum anderen hätte dieses Ziel damit nicht gleich wirksam erreicht werden können.
Schließlich seien die Beschränkungen auch verhältnismäßig im engeren Sinne gewesen. Das ist der Fall, wenn die mit einer Maßnahme verbundenen Nachteile nicht völlig außer Verhältnis zu den durch sie bewirkten Vorteilen stehen. Dies sei bei den Corona-Maßnahmen der Fall gewesen, weil die öffentliche Hand einen verfassungsgemäßen Ausgleich zwischen der Grundrechtsbeeinträchtigung des Musikers und dem Schutz besonders bedeutsamer Gemeinwohlbelange, der durch das Veranstaltungsverbot bezweckt wurde, gefunden habe. Denn das Veranstaltungsverbot sei von vornherein zeitlich befristet gewesen und durch großzügige staatliche Hilfsprogramme abgemildert worden. So habe die Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbständige allein in Baden-Württemberg zu Zahlungen von mehr als zwei Milliarden Euro geführt, so die Richter.
lyt