Der Ausgleichsanspruch wegen größerer Flugverspätung besteht auch bei einem Flug mit Anschlussflügen, die von unterschiedlichen und unabhängigen Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass ein „direkter Anschlussflug“ auch vorliege, wenn bei einem Beförderungsvorgang aus einem Mitgliedstaat, mehrere unterschiedliche und rechtlich nicht verbundene Fluggesellschaften beteiligt sind. Dem Fluggast stünden dann Ansprüche nach der Fluggastrechte-Verordnung zu, selbst wenn der verspätete Flug nicht in einem Mitgliedstaat startete (Urt. v. 06.10.2022, Rs. C-436/21).
Hintergrund dieser Entscheidung war die Reise eines Passagiers von Stuttgart nach Kansas City. Er erwarb über ein Reisebüro einen elektronischen Flugschein für eine Strecke von Stuttgart nach Kansas City für Juli 2018.
Diese Reise wurde mit drei einzelnen Flügen von verschiedenen Airlines durchgeführt. Der erste Flug wurde von Swiss International Airlines betrieben, wohingegen der zweite und der dritte von American Airlines durchgeführt wurde. Zwischen diese beiden Luftfahrtunternehmen besteht rechtlich keine Beziehung. Die ersten beiden Flüge verliefen planmäßig, der letzte Flug von Philadelphia nach Kansas City verspätete sich dann allerdings um vier Stunden.
Soforthilfe vom Anwalt
Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.
Anwendung der EU-Verordnung bei verspätetem Flug in den USA?
Der Fluggast trat daraufhin seine Rechte aufgrund dieser Verspätung an „Flightright“ ab, einer Gesellschaft für Rechtshilfe, die die Ansprüche von Reisenden durchsetzt. „Flightright klagte wegen der Verspätung gegen die Airline auf Grundlage der EU-Verordnung Nr 261/2004, vor einem deutschen Gericht auf Ausgleichzahlung in Höhe von 600 Euro.
Der mit der Sache befasste deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat dem EuGH die Frage zur Auslegung der Verordnung vorgelegt. Der EuGH bestätigte die Anwendung der Verordnung, weil es sich im konkreten Fall um „direkte Anschlussflüge“ handle. Obwohl der verspätete letzte Flug im EU-Ausland startete und landete, sei er dennoch als direkter Anschlussflug eines europäischen Flugs von der Verordnung erfasst.
Gesamtheit der drei Flüge aufgrund einheitlichen Buchungsvorgangs
Die Charakterisierung als direkter Anschlussflug ergebe sich daraus, dass der Fluggast eine Buchung vornahm, für die ein einziger Flugschein mit einer einzigen Buchungsnummer ausgestellt wurde. Auch die Buchung der gesamten Reise bei einem Reiseunternehmen sei ein Indiz dafür, dass der Beförderungsvorgang auf einer einzigen Buchung beruhe. Außerdem stellte das Reisebüro dem Passagier eine Rechnung aus, die für die Reise einen Gesamtpreis erfasste und keine Aufschlüsselungen in Teilflüge.
Etwas anderes ergebe sich nach Auffassung des EuGH nicht deshalb, weil keine rechtliche Beziehung zwischen den Fluggesellschaften bestand. Eine solche Bedingung für die Ausgleichsleistungen würde, wegen der damit einhergehenden Beschränkung, dem Ziel der Sicherung eines hohen Schutzniveaus für Fluggäste zuwiderlaufen. Voraussetzung sei lediglich, dass die Flüge mit einer einzigen Buchung zusammengefasst wurden und eine einheitliche Rechnung gestellt wurde. Da die Buchung des Reisenden von Stuttgart nach Kansas diese Voraussetzungen erfülle, gelte der Flug von Philadelphia nach Kansas City als direkter Anschlussflug.
Ob im konkreten Fall ein Ausgleichsanspruch besteht, muss nun der BGH entscheiden.
mbl