Ein Gag, so alt wie das Fotohandy selbst: Schüler, die heimlich Fotos von ihren Lehrern machen. Leider ist es nicht unüblich, dass sich die Schüler (statt im Unterricht aufzupassen) einen Spaß daraus machen, das möglichst peinlichste Foto ihres Lehrers zu schießen und dieses dann an die Klassenkameraden zu verbreiten. Doch welche Folgen kann solch eine Aktion für die Schüler haben und ist sogar ein Verweis angebracht?
Eine Schule darf einem Schüler einen schriftlichen Verweis erteilen, wenn dieser heimlich seinen Lehrer fotografiert und dieses Foto an eine unbekannte dritte Person sendet. Der Verweis sei in diesem Fall eine pädagogische Maßnahme (Verwaltungsgericht (VG) Berlin, Urt. v. 21.07.2023, Az. 3 K 211/22).
Wenn Schülern im Unterricht langweilig ist, kommen sie auf kreative Ideen, um die Zeit bis zur nächsten Pause schneller zu überbrücken. Leider entpuppen sich manche dieser Ideen im Nachgang als eher ungeschickt. Wie zum Beispiel die Idee, heimlich Fotos der Lehrer zu schießen und diese dann zu verbreiten. Das tat nämlich ein Achtklässler einer Berliner Schule. Mit seinem Tablet fotografierte der Schüler seinen Lehrer aus Langeweile und schickte diese Bilder dann an eine unbekannte Person. Die Fotos wurden anschließend unter den Schülern verbreitet – teilweise sogar in den sozialen Medien.
Auf einer später folgenden Klassenkonferenz wurde einstimmig beschlossen, dem Schüler einen Verweis zu erteilen. Eine Mehrheit votierte dafür, den Verweis auch auf dem Zeugnis einzutragen. Bei einem schriftlichen Verweis handelt es sich um eine verschärfte Ermahnung, die allerdings schon eine Ordnungsmaßnahme darstellt. Häufig ist der Verweis die letzte Mahnung der Schule. Einfach hinnehmen wollte der Schüler diese Maßnahme aber nicht, der Fall ging also vor das VG Berlin.
Verweis als pädagogische Maßnahme
Das VG Berlin war der gleichen Auffassung wie die Schule. Laut Gericht besitze der schriftliche Verweis als schulische Disziplinarmaßnahme keinen strafähnlichen Charakter, eher handle es sich um eine pädagogische Maßnahme. Der Verweis solle neben der Erziehung des betreffenden Schülers hauptsächlich darauf abzielen, die Funktionsfähigkeit der Schule, insbesondere des Unterrichts, zu gewährleisten. Voraussetzung für die Maßnahme sei eine objektive Pflichtverletzung des Schülers. Der Schüler habe eingeräumt, die Fotos ohne Einverständnis gemacht und verschickt zu haben. Damit habe er gegen die Hausordnung der Schule verstoßen, den Unterrichtsablauf gestört sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Lehrers verletzt.
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Das VG betonte, dass die Schule bei der Anwendung von Disziplinarmaßnahmen einen gewissen pädagogischen Ermessensspielraum hat. Das Gericht prüfte daher lediglich die Richtigkeit der ermittelten Fakten, die Willkürfreiheit der Maßnahme und ihre Verhältnismäßigkeit. Dies sei jeweils gegeben gewesen. Angesichts der „viralen“ Verbreitung der Fotos in der Schule, der daraus resultierenden Gefahr der Nachahmung und des nicht einsichtigen Verhaltens des Schülers wurde der schriftliche Verweis als die mildeste angemessene Maßnahme betrachtet. Da der Schüler durch die Versendung erst das Risiko der Verbreitung geschaffen habe, sei auch die Eintragung auf dem Zeugnis nicht zu beanstanden.
Nicht das erste Urteil dieser Art
Dieser Fall ist nicht der erste dieser Art, der vor dem VG Berlin verhandelt wurde. Im Jahre 2019 filmten zwei Zehntklässler ihren Lehrer, später tauchten beleidigende Videos im Internet auf. Deswegen durften die zwei vorläufig für neun Tage vom Unterricht suspendiert werden, wie das VG Berlin entschied (Beschl. v. 07.06.2019, Az. 3 L 357.19 und 3 L 363.19). Die Weiterverbreitung der Aufnahmen in den sozialen Medien beeinträchtige das geordnete Schulleben und erschüttere das Vertrauen der Schülerschaft in einen regelgeleiteten und friedlichen schulischen Rahmen, so das VG damals.
Das VG Berlin stärkt mit seiner Haltung das Persönlichkeitsrecht der Lehrer und die geltenden Schulordnungen. Dies ist insbesondere im digitalen Zeitalter von hoher Bedeutung, da in der heutigen Zeit fast alle Schüler ein Smartphone besitzen und in der Schule dabeihaben und jederzeit heimliche Aufnahmen der Lehrkräfte machen können.
agü/the