In einer immer digitaler werdenden Welt ist es mehr als üblich, dass Dokumente digital statt postalisch zugestellt werden. Dazu zählen unter anderem Kontoauszüge oder auch die Rechnungen der Mobilfunkanbieter. Wie sieht es aber mit Gehaltsabrechnungen aus? Dürfen diese den Beschäftigten ohne deren Zustimmung in einem Mitarbeiterportal zur Verfügung gestellt werden, anstatt postalisch zugestellt werden? Auf diese Frage hat das LAG Niedersachsen nun eine Antwort gegeben.

Eine Entgeltabrechnung über ein Onlineportal gilt nur dann als zugegangen, wenn die Mitarbeiter für die Abrufmöglichkeit über das Onlineportal ihre Zustimmung erteilt haben. Das entschied nun das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachen. Fehlt es an der Zustimmung der Beschäftigten, liege keine Erfüllung des Anspruchs auf eine Entgeltabrechnung vor (Urt. v. 16.01.2024 – Az. 9 Sa 575/23).

Immer mehr Arbeitgeber setzen cloudbasierte Personalwirtschaftssysteme mit Onlineportalen ein. Über diese erhalten Mitarbeiter Zugangsdaten, um bestimmte Aktionen wie das Einreichen von Anträgen durchzuführen und gleichzeitig ihre im System generierten Lohnabrechnungen herunterzuladen. Während Arbeitgeber solche Onlineportale als Zugangspunkt für an sie gerichtete Erklärungen (beispielsweise Urlaubsanträge) in ihrer Organisation bereitstellen können, gilt dies nicht automatisch für den umgekehrten Zugang seitens der Mitarbeiter.

Zugang bei Bereitstellung im Onlineportal nur bei Zustimmung

Rechtlich betrachtet wird der persönliche Bereich eines solchen Systems erst dann als empfangsbereit für Erklärungen angesehen, wenn die einzelnen Mitarbeiter dies ausdrücklich festgelegt haben. Erst unter dieser Bedingung stellt die bloße Bereitstellung der Entgeltabrechnung im Onlineportal einen Zugang dar.

§ 108 Abs. 1 Satz 1 GewO legt fest, dass der Arbeitgeber bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung erteilen muss, die der Textform bedarf. Dabei muss im Sinne des § 126b BGB sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber keine nachträglichen Änderungen an der Erklärung vornehmen kann, nachdem die Abrechnung erteilt wurde. Etwaige Onlineportale sind also dahingehend einzurichten, dass ein Zugriff des Arbeitgebers auf diese geschützten Bereiche nicht möglich sein kann.

Die wesentlichen Informationen für die Entgeltabrechnung sind gemäß der Entgeltbescheinigungsvorordnung (EBV) in § 108 Absatz 3 Satz 1 GewO festgelegt. Ziel ist es, den Mitarbeitern zu ermöglichen, die Berechnung ihres Arbeitsentgelts nachzuvollziehen. Erforderlich dafür ist ein Zugang gemäß § 130 BGB, wonach die Entgeltabrechnung den Mitarbeitern so zugänglich gemacht werden muss, dass diese unter normalen Umständen davon Kenntnis erlangen können.

Zustimmung auch via Arbeitsvertrag

Nun musste solch ein Fall vor dem LAG Niedersachsen verhandelt werden. Das LAG urteilte, dass der Anspruch auf eine Entgeltabrechnung gegenüber den Mitarbeitern nicht erfüllt werde, sollte der Arbeitgeber Abrechnungen in einem Onlineportal zum Download ohne individuelle Zustimmung der jeweiligen Mitarbeiter zu dieser Übermittlungsart bereitgestellt haben. Auch wenn eine solche Zustimmung nicht an eine spezielle Form gebunden sei, müsse sie im Streitfall nachweisbar sein. Im Gegensatz zu einer datenschutzrechtlichen Einwilligung könne eine solche Zustimmung auch bereits im Arbeitsvertrag erfolgen. Eines ist sicher: Für die Arbeitgeber entsteht so ein höherer administrativer Aufwand.

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Außerdem stellte sich noch die Frage, ob beim Vorhandensein eines Betriebsrates eine individuelle Zustimmung der Mitarbeiter durch Regelungen in einer Betriebsvereinbarung ersetzt werden könne. Das LAG Niedersachsen lehnte diese Möglichkeit jedoch mit der Begründung ab, dass bei einer solchen Zustimmung kein Mitbestimmungsrecht bestehe. Außerdem würde § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG laut den Richtern ausschließlich die Modalitäten der Auszahlung des Arbeitsentgelts, nicht jedoch der Entgeltabrechnung betreffen.

Spielball nun beim BAG

Das letzte Wort ist hier jedoch noch nicht gesprochen. Denn die Revision gegen das Urteil des LAG ist aktuell beim Bundesarbeitsgericht (BAG) anhängig. Es bleibt abzuwarten, ob die Richter am BAG dem LAG folgen. Schließlich hat das BAG in früheren Urteilen durchaus die Begründung von Pflichten der Mitarbeitenden durch Betriebsvereinbarungen auch außerhalb der zwingenden Mitbestimmung zugelassen.

agr