Beamte, die sich in ihrer Pausenzeit durchgehend für einen jederzeit möglichen Einsatz bereithalten müssen, haben einen Anspruch auf einen Freizeitausgleich. Die Pausenzeit ist nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in einem solchen Fall als Arbeitszeit zu qualifizieren. Der Anspruch muss jedoch zeitnah geltend gemacht werden.
Der zu entscheidende Fall handelte von einem Bundespolizisten, der die Anrechnung von ihm gewährten Pausenzeiten auf die Arbeitszeit beansprucht hatte, da er diese Zeit in „Bereithaltung“ verbracht hatte. Konkret verlangte er eine Anrechnung von 1020 Minuten. Eine einzelne Pause belief sich auf jeweils 30 bis 45 Minuten. Die Vorinstanzen (Verwaltungsgericht (VG) Chemnitz, Urt. v. 3.7.2019, Az. 3 K 2020/15; Oberverwaltungsgericht (OVG) Bautzen, Urt. v. 27.12.2021, Az. 2 A 960/19) hatten die Beklagte zu der Anrechnung von insgesamt 510 Minuten verurteilt, da in dieser Zeit der Charakter von Arbeitszeit überwogen habe. Im Übrigen wurde die Berufung des Klägers zurück- und die Klage abgewiesen. Nachdem der Kläger die Revision eingelegt hatte, verurteilte das BVerwG die Beklagte sodann dem Kläger einen Freizeitausgleich im Umfang von weiteren 105 Minuten zu gewähren (BVerwG, Urt. v. 13.10.2022, Az. 2 C 24.21).
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Beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch
Begründet hatte das BVerwG seine Entscheidung mit dem Vorliegen eines beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs wegen „Zuvielarbeit“. Dieser sei dann gegeben, wenn es sich bei den gewährten Pausenzeiten tatsächlich um Arbeitszeit handele. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Pausen- und Arbeitszeit sei, laut BVerwG, „ob die im Rahmen einer Pausenzeit auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie die Möglichkeiten, sich zu entspannen und sich Tätigkeiten nach Wahl zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beschränken“. Solche Einschränkungen werden dann angenommen, wenn ein Beamter während seiner Pausenzeit seine ständige Erreichbarkeit gewährleisten muss und in diesem Zusammenhang verpflichtet, eine sofortige Dienstaufnahme sicherzustellen.
Diese Erwartungen wurden im entscheidenden Fall an den Bundespolizisten gestellt. Pausenzeiten, die solch hohe Einschränkungen aufweisen, sind dann als Arbeitszeit zu qualifizieren. Nicht maßgebend ist, ob und in welchem Umfang der Beamte tatsächlich dienstlich in Anspruch genommen wurde. Die Verpflichtung zum Tragen von Einsatzkleidung sowie zum Mitführen von Dienstwaffe und Dienstfahrzeug allein soll aus Sicht des BVerwG jedenfalls nicht für die Annahme einer dienstlichen Inanspruchnahme ausreichen. Es kommt für die Abgrenzung zwischen Pausen- und Arbeitszeit allein darauf an, ob die Pause zur Entspannung genutzt werden kann.
Grundsatz der zeitnahen vorherigen Geltendmachung
Da sich der beamtenrechtliche Ausgleichsanspruch nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, sondern aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) hergeleitet wird, gilt der „Grundsatz der zeitnahen vorherigen Geltendmachung“. Geht es um die Durchsetzung eines beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs, sollte dieser also so zeitnah wie möglich geltend gemacht werden. Denn ein solcher Anspruch kommt nur für solche „Zuvielarbeit“ in Betracht, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet wurde (OVG Lüneburg 5. Senat, Urt. v. 11.03.2020, Az. 5 LB 48/18).
In der vorliegenden Entscheidung des BVerwG, hatte der Bundespolizist sich mit seinem Begehren erstmals Ende Juli 2013 schriftlich an seinen Dienstherren gewandt. Das Gericht hatte einen Ausgleichsanspruch in Bezug auf vor August 2013 gewährte Pausenzeiten aus diesem Grund verneint.
Selbstverständlich ist die Anrechnung von Arbeitszeit auch außerhalb von Beamtenverhältnissen ein sehr wichtiges Thema. Sinn und Zweck von Arbeitszeitvorschriften und damit auch der Wahrnehmung von gesetzlich vorgesehenen Pausen, ist im Allgemeinen die Erhaltung der Arbeitskraft sowie die Sicherung der Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.1.1988, Az. 1 C 11.85).
Abgrenzung von Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft und Arbeitsbereitschaft
Hängt eine Tätigkeit mit einer geforderten „Bereithaltung“ des Beschäftigten zur sofortigen Arbeitsaufnahme zusammen, kommt es für die Annahme von Arbeitszeit auf die konkrete Form der Bereithaltung an. Es wird unterschieden zwischen dem Bereitschaftsdienst, der Rufbereitschaft und der Arbeitsbereitschaft.
Ein Beschäftigter im Bereitschaftsdienst hat sich in der Regel im Unternehmen oder in dessen unmittelbarer Nähe aufzuhalten, um seine Arbeit bei Bedarf sofort oder zumindest zeitnah aufnehmen zu können. Der Bereitschaftsdienst ist in vollem Umfang als Arbeitszeit einzustufen.
Bei der Rufbereitschaft kann der Beschäftigte seinen Aufenthaltsort selbst bestimmen, muss sich jedoch für einen jederzeit möglichen Einsatz bereithalten. Es wird verlangt, dass der Beschäftigte innerhalb eines bestimmten Zeitraums am Einsatzort eintrifft und seine Arbeit aufnimmt. Rufbereitschaft gilt, sofern ein Einsatz nicht tatsächlich erfolgt, nicht als Arbeitszeit. Die Arbeitsbereitschaft beschreibt einen Zustand „wacher Achtsamkeit im Zustande der Entspannung“. Die Beschäftigten sind hierbei am Arbeitsplatz anwesend und jederzeit einsatzbereit (Bsp. Taxifahrer). Die Arbeitsbereitschaft stellt anzurechnende Arbeitszeit dar.
Dringender Handlungsbedarf auf Seite der Politik
Dass Fälle wie der des oben genannten Bundespolizisten zukünftig noch häufiger vorkommen, ist durchaus wahrscheinlich. Die immer noch aktuelle Problematik des Stellenabbaus bei der Polizei führt zu einer erhöhten Arbeitsbelastung der Polizeibeamten und damit zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des gesamten Polizeiapparates. Dadurch, dass sich die Beamten in ihrer Pause oft nicht von Kollegen ablösen lassen können, wird ihnen die entspannte Wahrnehmung von Pausen fast unmöglich gemacht. Der Umstand einer nur „geringen Polizeistärke“ führt damit am Ende des Tages auch zu vermehrten Freizeitausgleichsforderungen. Hier ist erneut die Politik am Zug Lösungen zu erarbeiten und entsprechende Konzepte umzusetzen.
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