Der Redakteur eines Wirtschaftsmagazins wurde zurecht wegen der Veröffentlichung eines Artikels in einer anderen Zeitung abgemahnt, entschied das Bundesarbeitsgericht. Der Chefredakteur hatte seinen Artikel entsprechend um eine Passage gekürzt, die der Verfasser jedoch unbedingt veröffentlicht wissen wollte. Daraufhin ging der Redakteur kurzerhand zu einer anderen Zeitung- und kassierte deswegen eine Abmahnung.
Ohne Erlaubnis seines Arbeitgebers darf ein angestellter Redakteur einen Beitrag nicht bei einer anderen Zeitung veröffentlichen, wenn dort Nachrichten enthalten sind, die ihm während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt geworden sind, bestätigte nun das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 15.06.2021, Az. 9 AZR 413/19). Damit schloss es sich der Ansicht der Vorinstanz des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf an, das die Abmahnung des Arbeitgebers für berechtigt hielt (Urteil vom 26.06.2019, Az. 4 Sa 970/18).
Artikel im Rahmen der „#MeToo-Debatte“
Im Rahmen seiner Tätigkeit hatte der Redakteur des Wirtschaftsmagazins „WirtschaftsWoche“ im September 2017 einen Artikel über eine Firmeneröffnung eines deutschen Unternehmens in den USA verfasst. Darin schilderte er ein Gespräch am abendlichen Buffet zwischen ihm und der ausrichtenden Unternehmerin. Dabei erzählte der Redakteur selbst, dass er „zu viel Speck über’m Gürtel“ habe und erklärte damit, wieso er auf dem Event nichts esse. Daraufhin habe die Unternehmerin die Aussage mit einem Kniff in die Hüfte „überprüft“.
Diese Passage strich der Chefredakteur und veröffentlichte den Beitrag ohne sie. Damit war der Verfasser aber nicht einverstanden und versuchte im Dezember 2017 noch eine nachträgliche Veröffentlichung des Beitrages bei seinem Arbeitgeber zu erreichen. Weil das aber nicht erfolgreich war, veröffentlichte er den Beitrag im März 2018, entgegen der mündlichen Absage seines Chefredakteurs, kurzerhand in der Tageszeitung „taz“. Dort schilderte er auch seine Erlebnisse über diesen Vorfall und stellte das Erlebte in den Zusammenhang mit der „#MeToo-Debatte“. Dieser Hashtag wurde in den sozialen Netzwerken populär und wird dort genutzt, um auf das Ausmaß sexueller Belästigung und sexueller Übergriffe auf Frauen aufmerksam zu machen.
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Recht auf Nebentätigkeitsanzeige geht vor
Der Arbeitgeber erteilte dem Redakteur eine Abmahnung, weil er es unterlassen hatte, die schriftliche Einwilligung der Chefredaktion einzuholen. Dagegen wehrte sich der klagende Redakteur und begehrte die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte. Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgelehnt.
Auch die Revision des Klägers hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Auf das Arbeitsverhältnis finde kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag (MTV) für Redakteure und Redakteurinnen an Zeitschriften Anwendung findet. Danach bedarf die Verwertung einer dem Redakteur bei seiner Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht der Einwilligung des Verlages, § 13 Nr. 3 MTV. Die Beklagte sei dementsprechend berechtigt gewesen, den Kläger wegen Verletzung seiner Anzeigepflicht aus § 13 Ziffer 3 MTV abzumahnen.
Zwar sei die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG dadurch eingeschränkt, aber dies sei durch die allgemeinen Schranken aus Art. 5 Abs. 2 GG, zu denen auch die tarifrechtlichen Vorschriften gehören, gerechtfertigt.
Keine Grundrechtsverletzung
Der Kläger argumentierte mit einer Verletzung seiner in Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit sowie eine Verletzung seiner freien Meinungsäußerung und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Er sah sich außerdem in dem Recht aus Art. 10 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt, welches die Freiheit der Meinungsäußerung schützt. Er führte an, dass eine Einwilligung der Chefredaktion nicht mehr erforderlich gewesen sei, weil diese die Veröffentlichung endgültig ablehnte.
Das Gericht stimmte dem jedoch nicht zu. Zwar sei der Redakteur persönlich betroffen, aber es überwiege der dienstliche Zusammenhang. Im Rahmen der Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen sei nach dem BAG zu berücksichtigen, dass die Beklagte erst durch die Anzeige der beabsichtigten Nebentätigkeit in die Lage versetzt wird zu überprüfen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Die Beklagte habe ein berechtigtes Interesse an der Unterrichtung gehabt, um die Verwertung einer Nachricht durch einen Wettbewerber verhindern zu können. Dahinter müsse das Interesse des Klägers, die Nachricht ohne vorherige Einbindung des Verlags zu veröffentlichen, zurücktreten. Denn die Belange des Klägers seien vorliegend nur unwesentlich beeinträchtigt worden. Das Unterlassen der Nebentätigkeitsanzeige war deshalb eine Pflichtverletzung, die der Arbeitgeber abmahnen durfte.
Unter diesen Umständen sei das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Kläger vor der Veröffentlichung des Artikels verpflichtet gewesen sei, die entsprechende Einwilligung der Beklagten einzuholen, so das BAG. Der Kläger musste die Abmahnung hinnehmen. Damit hatte er keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte.
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