Auch wenn die Kindererziehung nicht immer einfach ist, so entstehen während der Elternzeit dennoch keine Urlaubsansprüche, entschied nun das BAG.
Jeder Elternteil hat Anspruch auf Elternzeit zur Betreuung und Erziehung seines Kindes bis dieses sein drittes Lebensjahr vollendet hat. Die Elternzeit ist ein Anspruch des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin gegenüber dem Arbeitgeber. Während der Elternzeit ruhen aber die Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses, also einerseits die Pflicht der Bezahlung des Arbeitnehmers sowie dessen Pflicht, seine Arbeit zu erledigen. Das Arbeitsverhältnis bleibt aber bestehen.
Bestehen bleiben hingegen die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten. So hat der Arbeitnehmer nach Ablauf der Elternzeit einen Anspruch auf Rückkehr zur früheren Arbeitszeit und ist gemäß der im Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarungen zu beschäftigen.
Urlaubsanspruch entsteht grundsätzlich auch während der Elternzeit
Da der gesetzliche Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 des deutschen Bundesurlaubsgesetzes (BurlG) an ein bestehendes Arbeitsverhältnis anknüpft, entstehen auch während der Elternzeit grundsätzlich Urlaubsansprüche, kann jedoch vom Arbeitgeber nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) gekürzt werden.
Das Arbeitnehmer (eine 5 Tage Woche vorausgesetzt) einen Anspruch auf mindestens 20 Tage bezahlten Urlaub haben, folgt nicht nur aus dem BurlG, sondern ergibt sich auch aus unionsrechtlichen Vorgaben, hier aus Art. 7 der europäischen Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG.
Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) sieht diesen Anspruch als besonders bedeutsamen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts an. Dies hat er in zahlreichen Urteilen immer wieder erkennen lassen (Rechtssachen C-569/16, C-570/16, C214/10 oder auch C619/16).
Insofern wurde die Frage, ob die im deutschen Recht vorgesehene Kürzungsmöglichkeit während der Elternzeit unionsrechtskonform ist oder nicht schon unkürzbare Urlaubsansprüche entstehen, weil das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit formal weiter besteht, kontrovers diskutiert.
Streit um gekürzten Urlaub vor dem BAG
Die Klägerin, eine Arbeitnehmerin, war bei ihrem Arbeitgeber seit dem 1. Juni 2001 als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt. Die Mutter von inzwischen zwei Kindern befand sich unter anderem vom 1. Januar 2013 bis zum 15. Dezember 2015 durchgehend in Elternzeit. Mit Schreiben vom 23. März 2016 kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2016, da sie ihr zweites Kind erwartete, und beantragte unter Einbeziehung der während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche, ihr für den Zeitraum der Kündigungsfrist Urlaub zu gewähren.
Mit Schreiben vom 4. April 2016 erteilte ihr der Arbeitgeber vom 4. April bis zum 2. Mai 2016 Urlaub, die Gewährung des auf die Elternzeit entfallenden Urlaubs lehnte er jedoch ab und kürzte unter Berufung auf § 17 BEEG die während der Elternzeit erworbenen Urlaubsansprüche. Er forderte seine Arbeitnehmerin vielmehr dazu auf, für den noch abzüglich der gekürzten Urlaubsansprüche verbleibenden Zeitraum von Anfang Mai bis Ende Juni 2016 ihre Arbeitsleistung zu erbringen.
Die Arbeitnehmerin hatte mit ihrer Klage zuletzt noch die Abgeltung von 89,5 Arbeitstagen Urlaub aus dem Zeitraum ihrer Elternzeit geltend gemacht.
Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Sowohl vor dem erstinstanzlich Arbeitsgericht Detmold (Urt. v. 9.3.2017, Az. 1 Ca 359/16) als auch vor dem Landesarbeitsgericht Hamm (Urt. v. 31.1.2018, Az. 5 Sa 625/17) blieb sie erfolglos.
Kein Erfolg vor dem BAG
Nun hatte auch ihre Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) keinen Erfolg (Urteil vom 19.03.2019, Az. 9 AZR 315/17). Ihr Arbeitgeber habe ihre Urlaubsansprüche aus den Jahren 2013 bis 2015 mit Schreiben vom 4. April 2016 wirksam gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel gekürzt. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG stehe im Einklang mit dem Unionsrecht.
Sofern der Arbeitgeber von seiner ihm durch § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG eingeräumten Befugnis Gebrauch machen möchte, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen, so muss er eine darauf gerichtete empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben, so das BAG. Dazu sei es ausreichend, dass für den Arbeitnehmer erkennbar sei, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen wolle. Das Kürzungsrecht des Arbeitgebers erfasse auch den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für diesen keine von § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG abweichende Regelung vereinbart hätten.
BAG bezog sich auf aktuelle EuGH-Entscheidung
Das BAG konnte sich zudem auf ein zwischenzeitlich ergangenes EuGH-Urteil beziehen.
Im entsprechenden EuGH-Verfahren ging es um den Urlaubsanspruch einer rumänischen Richterin während der Elternzeit (Rechtssache C-12/17). In diesem Verfahren entschied er EuGH, dass eine nationale Bestimmung, wonach bei der Berechnung des einem Arbeitnehmer zu gewährleistenden Jahresurlaubs die Dauer eines von dem Arbeitnehmer genommenen Elternurlaubs nicht als Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung angesehen werde, mit dem Unionsrechts vereinbar sei. Denn in Abgrenzung zum Elternurlaub sei bei einer Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit das Eintreten der Erkrankung grundsätzlich nicht vorhersehbar und nicht vom Willen des Arbeitnehmers abhängig. Die Situation im Mutterschaftsurlaub unterscheide sich ebenso von der im Elternurlaub, denn der Mutterschaftsurlaub diene dem Schutz der körperlichen Verfassung der Frau während und nach der Schwangerschaft. Daher könne der Zeitraum des Elternurlaubs, den der betreffende Arbeitnehmer während des Bezugszeitraums genommen habe, bei der Berechnung seiner Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub einem Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung nicht gleich gestellt werden.
Das BAG bestätigte daher, dass das Unionsrecht nach der EuGH-Rechtsprechung nicht verlange, Arbeitnehmer, die wegen Elternzeit im Bezugszeitraum nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet waren, Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet hätten.
Die Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs verstoße insofern weder gegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) noch gegen § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU.