Das BAG hat am 23. August geurteilt, dass Arbeitgeber Aufnahmen aus einer rechtmäßigen und offenen Videoüberwachung nutzen dürfen, um dem Verdacht von Straftaten ihrer Mitarbeiter nachzugehen. Die Aufzeichnungen müssten dafür auch nicht sofort ausgewertet werden, sondern Arbeitgeber dürften damit bis zu einem berechtigten Anlass warten.
Nachdem der Betreiber eines Tabak- und Zeitschriftenhandels Warenschwund in seinem Geschäft bemerkte, wertete er die Videoüberwachung in seiner Filiale aus. Darauf zu erkennen: Eine bei ihm beschäftigte Verkäuferin, die Geldbeiträge nicht verbuchte, sondern diese für sich vereinnahmte. Es folgte der Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Die Vorinstanzen urteilten zugunsten der Verkäuferin, da die Aufnahmen in einem Prozess nicht verwertbar seien,da diese nicht unverzüglich gelöscht wurden, so die Vorinstanzen.
Das BAG hat nun die Entscheidung der Vorinstanzen aufgehoben. Das BAG urteilte, dass Arbeitgeber eine offene Videoüberwachung in Verkaufsräumen auch nutzen dürfen, um einem Verdacht von Straftaten der Arbeitnehmer nachzugehen. Dabei müssen sie das Bildmaterial nicht immer sofort auswerten, (BAG 23.08.2018, 2 AZR 133/18).
Worum ging es im Verfahren?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) verhandelte am Donnerstag, den 23.08.2018 über die Kündigungsschutzklage einer Arbeitnehmerin. Diese hatte einen Minijob (geringfügiges Beschäftigungsverhältnis) als Verkäuferin im Tabak- und Zeitschriftenhandel mit Lottoannahmestelle des Kiosk-Betreibers. Der Betreiber kündigte ihr fristlos „wegen begangener Straftaten“ und stütze sich dabei auf die Auswertung von Videoaufzeichnungen, die durch ein in der Filiale installiertes Videogerät angefertigt wurden. Durch die sichtbar angebrachte Überwachungskamera wollte der Betreiber einerseits potentielle Ladendiebe von Straftaten abhalten und andererseits begangene Straftaten leichter aufklären können. Dies war den Beschäftigten bekannt.
Im dritten Quartal 2016 fielen dem Betreiber Unregelmäßigkeiten in Form von Warenschwund, insbesondere bei Tabakwaren, auf. Dies veranlasste ihn die Aufzeichnungen der Videoanlage auszuwerten. Die ab August 2016 durchgeführte Analyse habe dabei ergeben, dass die klagende Verkäuferin am 3. und 4. Februar 2016 eingenommene Geldbeträge nicht ordnungsgemäß in der Kasse registriert und dort eingelegt habe. Daraufhin sprach er –gestützt auf die Videoaufnahmen – eine fristlose Kündigung aus und verklagte die Arbeitnehmerin auf Ersatz der ihm entstandenen Kosten für die Sichtung und Analyse der Videoaufnahmen.
Die ehemalige Verkäuferin ging erfolgreich gerichtlich gegen die Kündigung und die Schadensersatzforderung vor. Dabei rügte sie die Unwirksamkeit der Kündigung und bestritt die Vorwürfe strafbaren Verhaltens.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hatte als Vorinstanz entschieden, dass der Betreiber der Tabak- und Zeitschriftenhandels sich zur Rechtfertigung der Kündigung nicht auf die Auswertung der Videoaufnahmen berufen könne (LAG Hamm, Urteil vom 20. Dezember 2017, 2 Sa 192/17). Wegen Vorgaben des Datenschutzes und des Persönlichkeitsschutzes bestehe ein Beweisverwertungsverbot, d.h. das Gericht darf den Videobeweis im Prozess nicht zur Kenntnis nehmen und würdigen. Die Aufnahmen hätten entsprechend datenschutzrechtlicher Vorgaben zum Zeitpunkt der Auswertung bereits gelöscht worden sein müssen. Die Analyse ein halbes Jahr später war deshalb unzulässig und begründet eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Verkäuferin. Deswegen seien die Aufnahmen unverwertbar.
BAG urteilt zur Videoüberwachung
Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist und bleibt einer der brisanteren Fragestellungen im Beschäftigtendatenschutz. Für den Arbeitgeber sind die neuen technischen Möglichkeiten der Mitarbeiterüberwachung attraktiv, um die Leistung seiner Arbeitnehmer überwachen zu können oder unter dem Gesichtspunkt der Aufdeckung und Verbindung von Straftaten im eigenen Betrieb (Compliance). Für den Beschäftigten stellt sich die Videoüberwachung, unabhängig von der konkreten technischen Ausgestaltung, immer als besonders intensiven Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Entsprechend streng sind auch die Vorgaben des Datenschutzrechts. Diese haben sich durch das Inkrafttreten des DSGVO und der Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) nochmals verschärft. Auch in der breiten Öffentlichkeit ist die Problematik des korrekten Umgangs mit personenbezogenen Daten in den Fokus der Diskussion gelangt.
Deswegen wurde mit Spannung erwartet, ob das BAG an der strengen Betrachtung der Vorinstanzen festhält und ebenfalls von einem Beweisverwertungsverbot ausgeht. In der Vergangenheit würdigte das BAG in Fällen, die von Videoüberwachung am Arbeitsplatz handelten, stets umfassend die Interessen des Arbeitgebers an der Aufklärung gegen die persönlichkeitsrechtlichen Belange des Arbeitnehmers ab. In diesen Entscheidungen folgte deswegen aus den datenschutzrechtlichen Verstößen nicht zwingend ein Beweisverwertungsverbot, wenn die Interessen des Arbeitgebers im Einzelfall höher zu gewichten waren.
Die Entscheidung des BAG
Auf die Revision des Tabak- und Zeitschriftenhandels hat das BAG das Berufungsurteil hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG Hamm zurückverwiesen. Sollte es sich – was der Senat nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilen kann – um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt haben, wäre die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG alter Fassung) zulässig gewesen und hätte dementsprechend nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verkäuferin verletzt. Der Betreiber musste das Bildmaterial nicht sofort auswerten. Er durfte hiermit solange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah. Sollte die Videoüberwachung rechtmäßig erfolgt sein, stünden auch die Vorschriften der seit dem 25. Mai 2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einer gerichtlichen Verwertung der erhobenen personenbezogenen Daten der Verkäuferin im weiteren Verfahren nicht entgegen.
jpa/tsp