WhatsApp-Chats sind in der Regel nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Daher ist es nicht unüblich, dass über WhatsApp und anderen Chatforen unter dem Deckmantel der Privatsphäre Inhalte ausgetauscht werden, für die Schwierigkeiten drohen könnten, würden sie öffentlich ausgesprochen werden. Was aber, wenn in einer WhatsApp-Gruppe unter Arbeitsmitgliedern über den Chef gelästert wird und dieser davon mitbekommt? Darf dem Arbeitnehmer dann gekündigt werden oder steht das der Vertraulichkeitserwartung entgegen?

Wer sich in einem Chat rassistisch und beleidigend äußert, darf sich nicht auf den Schutz der Vertraulichkeit berufen und kann gekündigt werden. Das entschied nun das Bundesarbeitsgericht (BAG), nachdem ein Arbeitgeber den Inhalt der Chat-Nachrichten eines Arbeitnehmers mitbekam und diesem daraufhin kündigte (BAG, Urt. v. 24.08.2023 – Az. 2 AZR 17/23).

Der Vorfall ereignete sich in einer WhatsApp-Gruppe mehrerer Mitarbeiter der Fluggesellschaft TUIfly GmbH. Die Gruppe hatte sieben Mitglieder – alle Arbeitskollegen waren seit vielen Jahren miteinander befreundet und zwei Chat-Mitglieder waren sogar miteinander verwandt. In der Gruppe wurden unter anderem private Themen besprochen. Eines der Chatmitglieder nutzte den Chat jedoch auch, um seinem Unmut nach einem Konflikt am Arbeitsplatz Luft zu machen. Laut Pressemitteilung des Gerichts äußerte sich das 2020 in die Gruppe aufgenommene Chatmitglied in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise („in die Fresse hauen“) über Vorgesetzte. Unter anderem wurde geschrieben, dass die „Covidioten“ „vergast“ werden sollten. Zum Pech für den Arbeitnehmer erfuhr sein Arbeitgeber zufällig von den Äußerungen, nachdem eine Kopie des Chats zunächst an den Betriebsrat und dann an den Personalchef gelangte – das Dokument hatte 316 Seiten. Der Arbeitgeber kündigte dem Arbeitnehmer und Chatmitglied (nachdem der Betriebsrat zugestimmt hat) fristlos.

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Doch der Gekündigte wollte die Kündigung nicht einfach hinnehmen, also ging er gerichtlich gegen die Kündigung vor – und das zunächst mit Erfolg: Die Vorinstanzen gaben der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers statt. Der Fall ging bis vor den zweiten Senat des BAG, dort aber die Ernüchterung für den Gekündigten: Die Revision seines Arbeitgebers hatte Erfolg. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass bei rassistischen Äußerungen oder Beleidigungen von Arbeitskollegen in WhatsApp-Gruppen eine außerordentliche Kündigung drohe, wenn menschenverachtende Pöbeleien öffentlich werden.

Gruppengröße und Art der Nachricht entscheidend

Der Schutz der Vertraulichkeit von Chat-Nachrichten bezieht sich grundsätzlich darauf, ob und inwieweit Nachrichten, die in privaten Chat-Gruppen ausgetauscht werden, als vertraulich betrachtet werden und vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen oder rechtlichen Maßnahmen geschützt sind. Doch warum genau konnte der Arbeitnehmer in diesem Fall nicht auf die Vertraulichkeitserwartung hoffen?

Laut BAG sei eine Vertraulichkeitserwartung nur dann berechtigt, wenn die Chat-Mitglieder den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen könnten – das sei jedoch abhängig von der Gruppengröße und der persönlichen Zusammensetzung der Gruppe. Wenn sich Arbeitnehmer in Chats in beleidigender und menschenverachtender Weise über Betriebsangehörige äußerten, bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer davon ausgehen konnte, der Inhalt der Nachrichten werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben. Die Ausführungen des BAG können also so verstanden werden, dass es für die Vertraulichkeitserwartung darauf ankommt, wie groß die Gruppe und was der Inhalt der Nachrichten ist.

Arbeitnehmer muss Vertraulichkeitserwartung nun begründen

Auf Grundlage dieser Begründung hat das BAG das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen zurückverwiesen. Der Gekündigte werde vor dem LAG darlegen müssen, warum er in Anbetracht der Gruppengröße, deren Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung WhatsApps – einem Medium, das laut BAG auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegt sei – eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung gehabt haben durfte. Außerdem habe der Arbeitgeber die Kopie des Chats verwerten dürfen, da diese keinem Beweisverwertungsverbot unterlägen, wie schon das LAG in der Vorinstanz ausführte.

Durch diesen Fall beschäftigte sich das BAG erstmals mit der Frage, ob WhatsApp-Gruppen dieser Größe eine Art geschützter, privater Raum sind und ob in solchen Räumen die Vertraulichkeit gilt. Die Rechtsprechung zu ehrverletzenden Äußerungen in geschlossenen Gruppen von Messaging-Diensten ist bisher uneinheitlich in Deutschland.

Es bleibt abzuwarten, wie das LAG entscheiden wird.

agr