Das Bundeskabinett hat das sog. Betriebsrätemodernisierungsgesetz beschlossen. Der Gesetzesentwurf fördert Gründungen, Wahlen und Arbeit von Betriebsräten. Wir liefern alle wichtigen Infos.
Betriebsräte vertreten die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ermöglichen den Beschäftigten eine demokratische Teilhabe an den sie betreffenden Entscheidungen des Arbeitgebers.
Die vor allem im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelte betriebliche Mitbestimmung sieht sich jedoch auch Herausforderungen ausgesetzt. Dazu gehört zunächst die geringe Anzahl an Betriebsratsgremien. Immer weniger Betriebe verfügen überhaupt über einen Betriebsrat. Lediglich 41 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Westdeutschland und 36 Prozent in Ostdeutschland werden nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von Betriebsräten vertreten.
Kabinett beschließt Entwurf des Betriebsrätemodernisierungsgesetz
Bei dem Wunsch einen Betriebsrat zu gründen, kommt es immer häufiger zu Konflikten mit dem Arbeitgeber. In kleinen Betrieben können daneben die Formalien des regulären Wahlverfahrens eine Hemmschwelle darstellen. Vor diesem Hintergrund hat sich die Bundesregierung mit dem Gesetzesentwurf zum Betriebsrätemodernisierungsgesetz zum Ziel gesetzt, die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu fördern und zu erleichtern und zugleich die Fälle der Behinderungen von Betriebsratswahlen zu reduzieren. Darüber hinaus soll aufgrund der zunehmenden Digitalisierung der Arbeitswelt das Engagement der Betriebsräte im Hinblick auf die Qualifizierung der Beschäftigten gestärkt und Gestaltungsmöglichkeiten des Betriebsrats beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) gesichert werden. Die Bundesregierung beabsichtigt auch, den Betriebsräten bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit ein umfassendes Mitbestimmungsrecht einzuräumen.
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Dementsprechend hat das Bundeskabinett am 31. März 2021 den Entwurf des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes beschlossen. Damit sollen die erwähnten Betriebsratsgründungen und -wahlen sowie die Betriebsratsarbeit im Zeitalter der Digitalisierung gefördert werden. Mit dem Gesetzesentwurf soll umgesetzt werden, was hierzu im Koalitionsvertrag und der Strategie der Bundesregierung zu künstlicher Intelligenz vereinbart wurde.
Zudem sieht das Gesetz Anpassungen des Sprecherausschussgesetzes, der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung und des Kündigungsschutzgesetzes vor.
Konkret sieht der Gesetzentwurf vor:
- Der Anwendungsbereich des vereinfachten Wahlverfahrens wird ausgeweitet und die Zahl der erforderlichen Stützunterschriften für Wahlvorschläge reduziert. Bereits bei Betrieben mit bis zu 200 Arbeitnehmer*innen statt wie bisher 100 kann das vereinfachte Verfahren durchgeführt werden. In Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten müssen keine Stützunterschriften mehr vorliegen, in Betrieben mit 20 bis 100 Beschäftigten erfolgt eine pauschale Absenkung auf mindestens zwei unterstützende Unterschriften.
- Zukünftig kommt es für das aktive und passive Wahlrecht von Auszubildenden zur Jugend- und Auszubildendenvertretung nur noch auf den Status als Auszubildender an. Die Höchstaltersgrenze von Auszubildenden von 25 Jahren wird gestrichen.
- Die Anfechtung von Betriebsratswahlen wegen Fehlern in der Wählerliste wird unter bestimmten Vorgaben eingeschränkt. Wahlanfechtungen aus dem Arbeitnehmerlager, die sich auf eine unrichtige Wählerliste beziehen, sind nur noch zulässig, wenn zuvor Einspruch eingelegt wurde. Dem Arbeitgeber ist eine Anfechtung untersagt, wenn die Unrichtigkeit der Liste auf diesen Angaben beruht.
- Die Zahl, der gegen ordentliche Kündigungen besonders geschützten Einladenden zu Wahlversammlungen wird von drei auf sechs erhöht. Außerdem wird ein besonderer Kündigungsschutz gegen ordentliche, verhaltens- oder personenbezogene Kündigungen für Arbeitnehmer*innen eingeführt, die ihre Absicht zur Gründung eines Betriebsrats in einer notariell beglaubigten Erklärung dokumentieren und entsprechende Vorbereitungshandlungen unternehmen, die noch vor der Einladung zur Wahl liegen.
- Der Gesetzesentwurf reagiert auf den zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt: Es wird klargestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei Personalauswahlrichtlinien auch dann greifen, wenn sie durch oder mit Hilfe einer KI erstellt wurden. Wenn der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz die Einführung oder Anwendung von KI beurteilen muss, gilt die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich.
- Ein wesentlicher Punkt des Gesetzesentwurfs ist die Einführung eines umfassenden Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit. Nachdem das BMAS mit dem Gesetzesvorstoß zur mobilen Arbeit und einem entsprechenden Rechtsanspruch zunächst gescheitert ist, erhalten Betriebsräte nun bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit („wie“), nicht hinsichtlich der Frage der Einführung („ob“), ein neues Mitbestimmungsrecht. Ob mobile Arbeit, etwa in Form von Homeoffice eingeführt wird, entscheidet allein der Arbeitgeber. Soweit andere Mitbestimmungstatbestände betroffen waren, bestanden bereits Mitbestimmungsrechte bei der Ausgestaltung der mobilen Arbeit, die unverändert weiter gelten. Mit dem neuen Tatbestand werden die Mitbestimmungsbefugnisse des Betriebsrates jedoch erweitert. Beispielsweise greift die erzwingbare Mitbestimmung nun auch für Regelungen zum Ort, von welchem aus mobil gearbeitet werden kann sowie zu Regelungen zur Erreichbarkeit oder zu Anwesenheitspflichten im Betrieb.
- Bei Fragen der beruflichen Bildung sollen Arbeitgeber*innen und Betriebsrat künftig die Einigungsstelle um Vermittlung anrufen können, wenn sie sich nicht über konkrete Maßnahmen einigen können. Ein Zwang zur Einigung besteht allerdings nicht.
- Betriebsräte sollen künftig, auch außerhalb der Covid-19-Pandemie, , alleine und frei entscheiden können, ob sie bei der Durchführung von Betriebsratssitzungen auf Video- und Telefonkonferenzen zurückgreifen., sofern nicht ein Viertel der Betriebsratsmitglieder widerspricht und diese Möglichkeit in der Geschäftsordnung des Betriebsrats verankert ist. Vorrangig soll weiterhin die Präsenzsitzung sein. .
- Betriebsvereinbarungen, Interessenausgleich und Sozialplan können künftig mit qualifizierter elektronischer Signatur abgeschlossen werden. Entsprechendes wird für den Spruch der Einigungsstelle klargestellt.
- Es folgt eine Klarstellung, dass der Arbeitgeber bei der Verarbeitung personenbezogener Daten der Verantwortliche im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung ist. Der Betriebsrat und der Arbeitgeber werden verpflichtet sich bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften gegenseitig zu unterstützen.
Zweifel, ob Gesetzesziel erreicht wird
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Entwurf keine grundlegende Überarbeitung und Erneuerung des Betriebsverfassungsgesetzes im Lichte der Anforderungen der Digitalisierung und der Industrie 4.0 bietet.
Mit punktuellen Ergänzungen werden aber die Arbeitsabläufe im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung weiterentwickelt, die die Umstände des modernen Arbeitslebens berücksichtigen sollen. Zentral erscheinen aus Sicht des Praktikers weniger die Änderungen zur Regelung der Betriebsratswahl, sondern vor allem diejenigen zum Datenschutz und zur mobilen Arbeit.
Wie bereits der frühere Referentenentwurf zum Betriebsrätestärkungsgesetz, trifft nun auch der Kabinettsentwurf für ein Betriebsrätemodernisierungsgesetz eine Regelung zur datenschutzrechtlichen Stellung des Betriebsrats. Damit bringt das Kabinett eine gesetzliche Klarstellung dahingehend, den Arbeitgeber endgültig als gesetzlich Verantwortlichen nach DSGVO und BDSG festzulegen.
Es bleibt jedoch zweifelhaft, ob der Gesetzgeber sein eigenes Ziel mit der vorgeschlagenen Regelung erreicht. Denn der Entwurf enthält keine konkrete Regelung dazu, wie der Arbeitgeber den Datenschutz beim Betriebsrat durchsetzen soll. Stattdessen formuliert der Gesetzgeber salomonisch die gegenseitige Unterstützung bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften der Betriebsparteien. Hierdurch werden sich in der Praxis Auslegungs- und Anwendungsprobleme ergeben. Auch wäre dringend nötig die Rolle des Datenschutzbeauftragten im Verhältnis zum Betriebsrat zu klären, die umstritten ist.
Das Gesetz soll nun noch vor der Bundestagswahl Ende September 2021 in Kraft treten. Mit dem Kabinettsbeschluss geht der Entwurf nun den Weg der Gesetzgebung. Bundesrat und Bundestag müssen den Neuregelungen und Änderungen noch zustimmen.
Hier geht es zum Gesetzesentwurf des Betriebsrätemodernisierungsgesetz.
rpo/stö