Kündigung eines Betriebsratsmitglieds
„Betriebsratsmitglieder sind unkündbar“ – eine These, die sich mittlerweile hartnäckig in die Köpfe von Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorgearbeitet hat. Doch stimmt der Mythos vom unkündbaren Betriebsratsmitglied? Tatsächlich hat der Gesetzgeber für verschiedene betriebliche Ämter Mechanismen des Sonderkündigungsschutzes vorgesehen. Doch wie sehen diese konkret aus? Wie kann man sich gegen eine Kündigung wehren? Und welche besonderen Auflagen gelten für Arbeitgeber? Hier alle Informationen im Überblick – für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
In aller Kürze
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Informationen für Arbeitnehmer und Betriebsräte
Sonderkündigungsschutz – wo festgehalten?
Das Sonderkündigungsrecht für Betriebsräte findet sich in §15 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes (kurz: KSchG).
Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats […] ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist.
§15 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
Kurzum: mit einer ordentliche Kündigung muss ein Betriebsratsmitglied zu keinem Zeitpunkt rechnen. Hintergrund ist, dass ein Arbeitgeber sich nicht leichtfertig von einem Mitarbeiter trennen können sollte, weil sich dieser besonders für seine Kollegen einsetzt. Im Konfliktfall sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber so auf eine Stufe gehoben werden – die Konsequenz einer Kündigung soll ein Betriebsratsmitglied auch dann nicht fürchten müssen, wenn er sich in einen Konflikt mit seinem Unternehmen begibt.
Doch: auch für Betriebsratsmitglieder gelten betriebliche Regeln und gesetzliche Vorschriften. Daher können auch Betriebsratsmitglieder außerordentlich gekündigt werden, insofern ein schwerwiegender Grund dafür vorliegt und die Mehrheit des Betriebsrates der Kündigung zustimmt.
Aufgrund dieses zweistufigen Verfahrens (besonders schwerwiegender Grund UND Zustimmung der Mehrheit des Betriebsrats) spricht man im Volksmund häufig davon, dass Betriebsratsmitglieder im Prinzip sowieso unkündbar seien. Und tatsächlich: außerordentliche Kündigungen von Betriebsräten kommen in der Praxis tatsächlich recht selten vor.
Sonderkündigungsschutz – auch für Nicht-Aktive?
Der Sonderkündigungsschutz gemäß §15 Abs. KSchG gilt grundsätzlich für alle aktiven Betriebsratsmitglieder. Das betrifft vor allem die gewählten Mitglieder, die regelmäßig an Sitzungen teilnehmen. Doch es gibt zwei Gruppen, die ebenfalls in den Genuss von Sonderrechten kommen können.
Auch nicht direkt gewählte Betriebsratsmitglieder, die lediglich als Nachrücker oder Ersatzmitglieder vorgesehen sind, können in den Genuss des Sonderkündigungsschutzes kommen. Nämlich dann, wenn sie einmal aktiv zum Zuge kommen, zum Beispiel dann wenn in Zeiten von Urlaubs- oder Krankheitswellen „Not am Mann“ ist und sie ersatzweise für gewählte Mitglieder einspringen. Während ihres Einsatzes sind sie dann vom regulären Kündigungsschutz nach §15 Abs. 1 Satz 1 geschützt. Sobald der Einsatz vorbei ist, aber auch noch nach Satz 2. Eine ersatzweise übernommene Sitzung verspricht dementsprechend mindestens ein volles Jahr Kündigungsschutz.
Häufiger Konfliktfall in der Praxis: Betriebsräte, die ihre Abwesenheiten bewusst so wählen, dass möglichst viele Ersatzmitglieder zum Zug kommen – also entsprechend viele Kündigungsschutzrechte zusätzlich greifen. In der gerichtlichen Auseinandersetzung konnte diese Praxis jedoch rechtlich nie angegriffen werden; Gerichte sieht den Sonderkündigungsschutz dennoch als gegeben an.
Kündigung trotz Sonderkündigungsschutz – was tun?
Sie haben als im Betriebsrat tätiger Arbeitnehmer eine Kündigung erhalten und möchten nun wissen, wie Sie damit umgehen sollen? Erst einmal gilt: Ruhe bewahren und die Rechtslage prüfen.
Grundsätzlich sollten Sie zunächst auf die konkrete Textzeile Ihrer Kündigung achten. Ist dort von einer ordentlichen Kündigung die Rede und Sie sind aktives Betriebsratsmitglied oder waren es im Verlaufe des vergangenen Jahres, können Sie Ihren Arbeitgeber getrost auf die Regelungen des §15 Kündigungsschutzgesetz verweisen.
Handelt es sich um eine außerordentliche Kündigung, muss der Fokus auf die Kündigungsbegründung und die formalen Erfordernisse gerichtet werden.
Eine außerordentliche Kündigung von Betriebsräten ist nur bei Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes möglich – da muss es sich schon um Fälle wie Diebstahl oder körperliche Auseinandersetzungen mit dem Chef gehandelt haben. Schauen Sie also genau nach, was Ihnen Ihr Arbeitgeber konkret vorwirft und prüfen Sie mithilfe eines Rechtsanwalts, ob der vom Arbeitgeber genannte Grund gemäß gängiger juristischer Praxis überhaupt zulässig erscheint.
Zudem bestehen formale Erfordernisse im Vorfeld der außerordentlichen Kündigung. §103 des Betriebsverfassungsgesetzes (kurz: BetrVg) sieht vor:
„Die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats […] bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.“
§103 Betriebsverfassungsgesetz
Konnte der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht von der Notwendigkeit Ihrer außerordentlichen Kündigung überzeugen, muss er vor dem Arbeitsgericht eine entsprechende Verfügung eingeholt haben, die ihm die Kündigung im speziellen Falle auch ohne die Zustimmung des Betriebsrates erlaubt – Dieser Fall findet in der Praxis selten bis nie Anwendung. Achten Sie daher genau auf den im Schreiben erhaltenen Wortlaut – womöglich ist Ihre Kündigung bereits aufgrund nicht eingehaltener formaler Aspekte rechtswidrig.
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Informationen für Arbeitgeber
Sind Betriebsräte unkündbar?
Betriebsräte genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Der Hintergrund ist simpel: das deutsche Arbeitsrecht geht seit je her von einem Mächte-Ungleichgewicht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus. Gerät der Arbeitnehmer beispielsweise in einen Konflikt mit seinem Chef, so muss er befürchten, dafür gekündigt zu werden. Gerade bei Betriebsräten ist es jedoch oft deren originäre Aufgabe, bestimmte Maßnahmen vom Arbeitgeber einzufordern und auf Konfliktkurs zu gehen. Damit Betriebsratsmitglieder, die sich so für ihre Kollegen einsetzen, nicht fürchten müssen, aufgrund ihrer Tätigkeit gekündigt zu werden, genießen Betriebsräte gemäß §15 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz einen besonderen Schutz.
ACHTUNG! Das heißt nicht, dass sie unkündbar sind. Wie jeder andere Arbeitnehmer auch müssen sich auch Betriebsratsmitglieder an betriebliche Vorgaben und die gesetzlichen Rahmenbedingungen halten. Verstöße können auch in diesem Fall eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Solche schwerwiegenden Verletzungen von Arbeitnehmerpflichten können beispielsweise sein: erhebliche Überschreitung der eigentlichen Urlaubszeiten, Diebstähle oder Unterschlagungshandlungen am Arbeitsplatz, körperliche Angriffe auf Kollegen oder unberechtigte Verweigerung der Arbeitsleistung. Besonders häufiges krankheitsbedingtes Fehlen scheidet hingegen als schwerwiegende Verletzung aus.
Praxisbeispiele für zulässige außerordentliche Kündigungen:
- Vorsätzliches Löschen von betrieblichen Daten auf dem Server des Arbeitgebers
- Provisionsbetrug durch Hinterlegen falscher Beraternummer im EDV-System
- Unerlaubtes Ausdrucken von Unterlegen für eine betriebsinterne Prüfung
- Verstoß gegen absolutes Rauchverbot auf dem Sicherheitsgelände des Unternehmens
Außerordentliche Kündigung – Abmahnung nötig?
Für eine außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds gelten die gleichen Auflagen wie für reguläre außerordentliche Kündigungen auch. Das heißt: in manchen Fällen muss zuvor eine Abmahnung erfolgt sein; in besonders schweren Fällen, in denen die Basis der Zusammenarbeit nachhaltig gestört ist, kann eine Abmahnung entbehrlich sein. Zu den Voraussetzungen finden Sie hier nähere Informationen.
Ein Beispielfall aus der Praxis zur Entbehrlichkeit einer Abmahnung zeigt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Falle eines Arbeitnehmers, der während der Arbeitszeit Eigentum des Arbeitgebers zur eigenen Bereicherung weiterverkauft hatte. Hier ging das Gericht von einem so gestörten Vertrauensverhältnis aus, dass auf den Zwischenschritt einer Abmahnung verzichtet werden konnte. (BAG, vom 10.02.1999, 2 ABR 31/98)
Kündigung bei Pflichtverletzungen im Amt
Ein Verstoß gegen eine ihm als Betriebsratsmitglied auferlegte Amtspflicht, so stellt das zunächst keinen direkten Kündigungsgrund dar. Häufiger Praxisfall ist das Verletzen von Verschwiegenheitspflichten. Über bestimmte Betriebsgeheimnisse müssen Betriebsräte Verschwiegenheit walten lassen. Gemäß §79 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz gilt das für alle Interna, die vom Unternehmen auch ausdrücklich als „geheimhaltungsbedürftig“ gekennzeichnet sind.
ABER: eine Verletzung dieser Pflicht führt nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Kündigung. Hier empfiehlt der Gesetzgeber das mildere Mittel in Form des Ausschlusses aus dem Betriebsrat. Kündigungen, die gegen Arbeitnehmer aufgrund von Amtspflichtverletzungen ausgesprochen werden, führen in der Praxis regelmäßig nicht zum Erfolg. Dies gilt im Übrigen auch für Mitarbeiter, die im Anschluss an ihren Rauswurf aus dem Betriebsrat eine Kündigung erhalten. Denn: die Konsequenz ist bereits durch die Abberufung zum Tragen gekommen – eine zusätzliche Kündigung für den gleichen Vorfall ist in der Regel nicht zulässig (sogenannte Doppelbestrafung).
Sind Sie sich im Falle eines Mitarbeiters unsicher, ob eine Kündigung ausgesprochen werden darf?
Prüfen Sie folgende Punkte:
- Ist der Mitarbeiter oder war der Mitarbeiter im vergangenen Jahr Mitglied oder Ersatzmitglied des Betriebsrates?
- Wenn nur Ersatzmitglied: kam er tatsächlich bei einer Sitzung zum Einsatz?
- Liegt ein schwerwiegender Grund für eine außerordentliche Kündigung vor? Prüfen Sie im Gespräch mit einem fachkundigen Arbeitsrechtler, ob der genannte Grund für eine fristlose Kündigung ausreichend ist.
- Liegt ein Verstoß gegen eine Amtspflicht des Betriebsrates vor? Prüfen Sie, ob es sich tatsächlich um eine Pflicht im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit oder im Rahmen seiner regulären Arbeitstätigkeit handelt. Im ersten Falle kommt zunächst ein Ausschluss aus der Arbeitnehmervertretung in Betracht. Auch hier sollten Sie sich mit einem Experten im Arbeitsrecht beraten – gerade das Betriebsverfassungsgesetz bietet hier diverse Fallstricke.
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