Ein kürzlich ergangener Beschluss des ArbG Hamburg bestätigt, dass ein Unternehmen seinen Beschäftigten die Nutzung von ChatGPT und anderen IT-Tools mit KI am Arbeitsplatz gestatten kann, ohne den Betriebsrat zu konsultieren. Der Konzernbetriebsrat hatte versucht, den Einsatz dieser Technologien per Eilverfahren zu unterbinden, scheiterte jedoch vor Gericht.
Das Arbeitsgericht (ArbG) Hamburg hat entschieden, dass die Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) am Arbeitsplatz, wie z.B. von ChatGPT, durch die Beschäftigten nicht unter die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats falle. Das ArbG erklärte, dass die Entscheidung des Arbeitgebers, solche Technologien einzusetzen, primär der Arbeitsorganisation und der Art der Arbeitsausführung zuzurechnen sei und nicht unmittelbar das „Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der Beschäftigten“ betreffe. Daher sei die Beteiligung des Betriebsrats hier nicht erforderlich (Beschl. v. 16. Januar 2024, Az. 24 BVGa 1/24).
KI-Nutzung im Unternehmen beschlossen
Ein global agierender Hamburger Hersteller im Bereich der Medizintechnik mit rund 1600 Mitarbeitern am Stammsitz hatte beschlossen, dass seine Mitarbeiter generative KI als unterstützendes Werkzeug in ihrer Arbeit nutzen sollten. Für die Anwendung dieser Technologie wurden durch den Arbeitgeber Leitlinien erstellt. Es wurde seitens des Unternehmens festgelegt, dass ChatGPT oder andere KI-Tools nicht direkt auf den Computern des Arbeitgebers installiert werden sollten. Stattdessen sollten die Mitarbeiter diese Tools über einen Webbrowser nutzen. Die Mitarbeiter waren außerdem dazu angehalten, sich selbstständig private Accounts bei den jeweiligen Anbietern der KI-Tools anzulegen und die etwaigen Kosten dafür selbst zu tragen.
Da keine Accounts durch den Arbeitgeber eingerichtet wurden, hatte dieser keine Einsicht darüber, wer von den Mitarbeitern einen solchen Account angelegt hatte, wie und wann die Tools genutzt wurden, in welchem Zusammenhang sie zum Einsatz kamen und welche Informationen dabei preisgegeben wurden. Es existierte bereits eine Betriebsvereinbarung zur Nutzung des Webbrowsers, jedoch keine spezifische Vereinbarung zur Nutzung von KI-Tools.
Vor diesem Hintergrund forderte der Betriebsrat, dass die Nutzung der KI-Tools untersagt werde, bis eine entsprechende Betriebsvereinbarung getroffen sei. Der Betriebsrat berief sich dabei auf sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, 6, 7 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG), welches ihm ein Mitspracherecht bei der Gestaltung von Arbeitsverfahren und -abläufen sowie bei technischen Anlagen einräumt. Der Arbeitgeber hingegen vertrat die Ansicht, dass die freiwillige Nutzung der ChatGPT-Anwendungen durch die Beschäftigten die Mitbestimmungsrechte des Konzernbetriebsrats nicht beeinträchtige.
Betriebsrat ohne Mitspracherecht
Das ArbG Hamburg entschied nun, dass der Betriebsrat keinen Anspruch auf Beteiligung bei der Nutzung von ChatGPT durch die Mitarbeitenden habe. Aus § 87 Abs. 1 BetrVG folge im konkreten Fall kein Erfordernis für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Nutzung von KI-Tools.
Die Notwendigkeit einer Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung von ChatGPT ergebe sich nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da die Nutzung von KI-Tools die Arbeitsleistung und nicht das Ordnungsverhalten der Mitarbeitenden im Betrieb betreffe. Eine spezifische Gefährdung sei laut Arbeitsgericht ebenfalls nicht ersichtlich, sodass auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG keine Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung von ChatGPT zu erfolgen habe.
Ebenfalls komme nach dem Beschluss des ArbG Hamburg ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG in diesem Fall nicht in Frage. Die Aufzeichnung, die der Webbrowser bei der Nutzung von ChatGPT anfertige, erfolge bei sämtlichen Nutzungen des Webbrowsers und stelle daher keine Besonderheit der KI-Tools dar. Aufgrund der potenziellen Überwachung durch den Webbrowser sei eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden, sodass insoweit das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bereits ausgeübt worden sei. Im Übrigen entstehe keine weitere Überwachungsmöglichkeit, die über diejenige des Webbrowsers hinausgehe. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Arbeitgeber keine Dienstaccounts zur Verfügung stelle. Auch eine Kennzeichnungspflicht für Werke, die mit Hilfe von KI erstellt worden seien, rechtfertige kein anderes Ergebnis. Die technische Einrichtung selbst müsse nämlich die Überwachung ermöglichen und nicht das Verhalten der Beschäftigten.
Nicht pauschal auf alle Betriebe übertragbar
Der Beschluss des ArbG Hamburg sollte nicht ohne weiteres auf andere Fälle übertragen werden. Insbesondere kann das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Nutzung von ChatGPT gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht pauschal ausgeschlossen werden. Der spezielle Fall, mit dem sich das ArbG Hamburg befasste, enthielt einige besondere Elemente. So bestand bereits eine Betriebsvereinbarung über die Nutzung des Browsers, und die KI-Tools wurden nicht fest installiert, noch wurden Dienstaccounts für die Mitarbeiter bereitgestellt.
Da die Nutzung von KI-Tools potenzielle Überwachungsmöglichkeiten schaffen kann, ist es durchaus möglich, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn bisher keine Betriebsvereinbarung über die Nutzung von Webbrowsern getroffen wurde oder das Anlegen von Dienstaccounts neue Überwachungsoptionen eröffnen könnte. Es müssen immer die spezifischen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.
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