Die Bundesregierung will große deutsche Unternehmen verpflichten zu kontrollieren, dass Menschenrechte entlang ihrer Lieferkette eingehalten werden. Wir zeigen die Grundzüge des Entwurfs insbesondere der arbeitsrechtlichen Implikationen bzw. den entstehenden Handlungsbedarf auf.

Das Bundeskabinett hat am 3. März 2021 einen Gesetzesentwurf über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten nach langen politischen Diskussionen der Regierungsparteien beschlossen. Das Gesetz soll mehr Fairness und Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten schaffen. Eine Lieferkette umfasst den ganzen Weg einer Produktion von der Gewinnung von Rohstoffen über die Herstellung und Verarbeitung bis zur Lieferung des Produkts an den Endkunden. Ziel ist es, die gesamte Lieferkette im Auge zu behalten und damit international geltende Standards zu Menschenrechten, Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz entlang der weltweiten Lieferketten zu verbessern. Wir informieren über die wichtigsten Änderungen für Unternehmen.

Auf Basis der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen, die im Jahr 2011 einstimmig im Menschenrechtsrat beschlossen wurden, hatte die Bundesregierung am 21. Dezember 2016 den Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Dieser legt fest, dass Unternehmen menschenrechtliche Risiken ermitteln und minimieren sollen, die Öffentlichkeit über die Erkenntnisse informiert und ein betriebsinternes Beschwerdeverfahren installiert werden soll. Problematisch ist allerdings, dass die durchgeführten repräsentativen Untersuchungen vom Juli 2020 gezeigt haben, dass lediglich circa 13 bis 17 Prozent der befragten Unternehmen die Anforderungen des Nationalen Aktionsplans erfüllen.

Um eine ausreichende Einhaltung zu gewährleisten, bedarf es nach der Bundesregierung daher eines rechtlich verbindlichen und international anschlussfähigen Sorgfaltsstandards. Die Bundesregierung argumentiert, dass ein freiwilliges Einhalten der Menschenrechte nicht zielführend sei und nur rechtlich verbindliche Sorgfaltsstandards gewährleisten könnten, dass grundlegende Menschenrechte international geachtet werden. Auch soll das Gesetz für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sorgen, indem die Anforderungen an einzuhaltende Sorgfaltspflichten klar festgelegt werden.

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Welche Unternehmen sind von dem Lieferkettengesetz betroffen ?

Ab 2023 sollen Unternehmen mit 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ab 2024 Unternehmen mit 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unabhängig von ihrer Rechtsform, die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz in Deutschland haben, verpflichtet werden, auf Menschenrechte zu achten und die Sorgfaltspflichten umzusetzen. Innerhalb von verbundenen Unternehmen nach § 15 AktG werden die Arbeitnehmer sämtlicher Konzerngesellschaften der Konzernmutter hinzugerechnet, selbst wenn die Tochtergesellschaften im Ausland ansässig sind. Leiharbeitnehmer sind bei der Berechnung zu berücksichtigen, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt.

Unternehmen sollen nicht nur für ihren eigenen Geschäftsbereich Sorgfaltspflichten einhalten, sondern nun auch bezüglich ihrer unmittelbaren und mittelbaren Lieferanten verantwortlich sein. Das bedeutet, dass z.B. Unternehmen mit Tochtergesellschaften im Ausland sich ihrer Verantwortung nicht mehr mit der Begründung entziehen können, dass es sich um Auslandssachverhalte handelt.

Unterschiedliche Pflichten bei mittelbaren und unmittelbaren Zulieferern

Differenziert werden muss zwischen Pflichten im eigenen Geschäftsbereich bzw. bezüglich unmittelbarer Zulieferer und Pflichten bezüglich mittelbarer Zulieferer. Unmittelbarer Zulieferer ist ein Vertragspartner, dessen Zulieferung für die Herstellung des Produktes des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahmen der betreffenden Dienstleistung notwendig ist. Mittelbarer Zulieferer ist jedes Unternehmen, das kein unmittelbarer Zulieferer ist und dessen Zulieferungen für die Herstellung des Produktes des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind. Die Sorgfaltspflicht der Unternehmen umfasst die gesamte Lieferkette – vom Rohstoff bis zum Verkaufsprodukt. Eine Abstufung erfolgt entlang der Einflussmöglichkeiten des Unternehmens auf den Zulieferer sowie entlang der Stufen der Lieferkette.

Im eigenen Geschäftsbereich sowie bei unmittelbaren Zulieferern sieht der Entwurf vor, dass Unternehmen eine Grundsatzerklärung beschließen müssen, aus welcher herausgeht, welche Präventionsmaßnahmen es innerhalb der relevanten Geschäftsabläufe implementieren wird, um Verletzungen und Risiken vorzubeugen. In dieser Grundsatzerklärung muss auch erläutert werden, welche Präventionsmaßnahmen gegenüber unmittelbaren Zulieferern durchgeführt werden. Zulieferer müssen sich vertraglich mit den Vorgaben einverstanden erklären und diese wiederum ihrerseits entlang der Lieferkette kommunizieren. Im eigenen Geschäftsbereich müssen Kontrollen stattfinden und Schulungen durchgeführt werden.

Einmal im Jahr ist eine Risikoanalyse durchzuführen. Dafür muss ein Risikomanagement installiert werden. Menschenrechtsrisiken sollen in dieser Analyse auch bezüglich der Zulieferer bewertet werden. Das bedeutet, dass Unternehmen Strukturen zur Überwachung der Compliance erweitern oder implementieren müssen.

Sollte eine Verletzung bei einem unmittelbaren Zulieferer bekannt werden, muss das Unternehmen unverzüglich Abhilfemaßnahmen ergreifen. Sollte dies nicht sofort möglich sein, so ist ein Konzept zu erarbeiten, wie Verletzungen minimiert werden können. Dazu gehören Maßnahmen wie etwa die Erarbeitung eines Planes zur Behebung von Missständen oder ein Zusammenschluss der Branche, um Druck auf den Zulieferer auszuüben. Der Abbruch von Geschäftsbeziehungen ist nur unter gewissen Voraussetzungen vorzunehmen, zum Beispiel bei schwerwiegenden Verletzungen von Menschenrechten.

Unternehmen sind verpflichtet ein betriebsinternes Beschwerdeverfahren zu installieren oder die Beteiligung an einem externen Beschwerdeverfahren einzurichten. Personen im eigenen Geschäftsbereich oder im Bereich des unmittelbaren Zulieferers sollen dadurch etwaige Verstöße rügen können. Auch Personen, die möglicherweise Kenntnis von Verletzungen haben, sollen den Beschwerdemechanismus nutzen können und Unternehmen auf Risiken und Verletzungen aufmerksam machen können.

Es bestehen Berichtspflichten, die mit Dokumentations- und Veröffentlichungspflichten einhergehen. Die Erfüllung der Pflichten muss dokumentiert und sieben Jahre aufbewahrt werden. Einmal im Jahr ist ein Bericht beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle darüber einzureichen, welche Risiken analysiert und welche Maßnahmen ergriffen wurden. Unternehmen sind verpflichtet, den Bericht mit Abschluss des Geschäftsjahres auf der Internetseite einzustellen.

Bei mittelbaren Zulieferern und insbesondere bei verzweigten Lieferketten wird es deutlich schwieriger sein, den Sorgfaltspflichten nachzukommen, da ein deutsches Unternehmen regelmäßig kaum bis keinen Einblick und Einfluss auf den mittelbaren Zulieferer haben wird. Deshalb erfolgt gegenüber mittelbaren Zulieferern eine Abstufung. Unternehmen treffen lediglich anlassbezogene Sorgfaltspflichten, d.h. Überprüfungspflichten falls es Kenntnis von Verstößen gegen Menschenrechten, Arbeitsrechten, Gesundheitsschutz und Umweltschutz erlangt. Dennoch können Maßnahmen getroffen werden, um sich als deutsches Unternehmen vor einer Haftung zu schützen. So kann in den Lieferverträgen dokumentiert werden, dass auch nachgelagerte Zulieferer verpflichtet sind, die Arbeits- und Umweltschutzstandards einzuhalten und bei Nichteinhaltung vertragliche Maßregelungen, wie Kündigungsrechte und/oder Schadensersatzansprüche integriert werden.

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Konsequenzen für die betroffenen Unternehmen

Das neue Sorgfaltspflichtengesetz wird Auswirkungen auf die Wertschöpfungsketten haben. Unternehmen sollten – soweit noch nicht vorhanden – Strukturen zur Überwachung der Compliance schaffen und z.B. mit regelmäßigen internen Audits die Einhaltung der Compliance überprüfen. So können Unternehmen sicherstellen, dass sie ihrer jährlichen Pflicht zur Risikoanalyse ordnungsgemäß nachkommen. Bestehende Lieferverträge können dahingehend überprüft werden, ob sie bereits die Einhaltung der Compliance durch die Lieferanten vorsehen. Andernfalls kann entsprechend nachverhandelt werden. Ergänzende Klauseln bzgl. Kündigungsrecht und Schadensersatzansprüche bei Nichteinhaltung der geforderten Maßnahmen können ebenfalls formuliert werden. Auch die Erstellung einer eigenen „Code of Conduct“ zur Anerkennung der Sorgfaltspflichten durch den Lieferanten und seiner Zulieferer, kann Bestandteil der Lieferverträge werden. Auch wenn Mittelständler durch die Festlegung des Anwendungsbereichs auf große Konzerne nicht primär betroffen sind, ist anzunehmen, dass große Unternehmen, die den Pflichten des Sorgfaltspflichtengesetzes unterliegen, diese in der Praxis auch auf mittelständische Zulieferer abwälzen und von ihren kleinen Lieferanten und Zulieferern erwarten, dass dort selbst Präventionsmaßnahmen ergriffen werden, die die großen Unternehmen vorgeben. Wer diese Sorgfaltspflichten nicht erfüllen kann oder will, muss damit rechnen, durch einen anderen Lieferanten ersetzt zu werden. In jedem Fall sollte die Geschäftsleitung des Lieferkettengesetz im Rahmen ihrer umfassenden Legalitätskontrollpflichten berücksichtigen. Entsprechende Pflichten einer Compliance Verantwortung des Vorstandes einer AG lassen sich für den GmbH-Geschäftsführer aus der ordnungsgemäßen Unternehmensleitung aus § 43 Abs. 1 GmbHG herleiten. Die durch das Lieferkettengesetz vorgesehene Risikoanalyse wird deshalb in der Praxis zu erheblichen Berichtspflichten für Unternehmen führen. Die Geschäftsführung muss dieser Pflicht nachkommen.

Auf eine erweiterte zivilrechtliche Haftung innerhalb des Lieferkettengesetzes wurde verzichtet. Betroffenen soll aber im Rahmen der Prozessstandschaft die Möglichkeit gegeben werden, etwaige zivilrechtliche Ansprüche (bspw. Bei Körperverletzungen oder im Todesfall) mit Hilfe von Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen in Deutschland geltend zu machen.
Der Entwurf weist dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle auch das Recht zu, geeignete und erforderliche Anordnungen und Maßnahmen zu treffen, um Verstöße gegen die Pflichten nach dem Sorgfaltspflichtengesetz zu beseitigen und zu verhindern.

Zudem sind Zwangs- und Bußgelder vorgesehen. § 24 sieht Zwangsgelder bis zu EUR 50.000 vor, § 24 erlaubt die Verhängung von Bußgeldern bei Verstößen gegen das Sorgfaltspflichtengesetz. Die Bußgelder können bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als EUR 400 Millionen prozentual vom weltweiten Gesamtumsatz des Unternehmens berechnet werden, und zwar bis zu einer Höhe von 2%. Geplant ist auch, Unternehmen, die gegen das Gesetz verstoßen, drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen auszuschließen.

Ausblick

Das deutsche Lieferkettengesetz soll ab dem 1. Januar 2023 in Kraft treten, wird aber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vermutlich noch einige Änderungen erfahren. Dennoch empfiehlt es sich frühzeitig auf die Vorgaben zu reagieren, um die Sorgfaltspflichten – die viel Zeit und neue Strukturen erfordert – rechtzeitig umzusetzen. Auch wenn neue zivilrechtliche Haftungen ausbleiben, sind Unternehmen gut beraten, die Vorgaben zu erfüllen, um hohe Bußgelder zu vermeiden und Reputationsrisiken zu minimieren. Auch kleinere Unternehmen, die in den Lieferketten ansässig sind, sollten sich mit den neuen Pflichten auseinandersetzen; auch diese werden wie beschrieben mittelbar durch das Gesetz betroffen. Unternehmen ist dringend zu empfehlen, bestehende Lieferverträge zu überprüfen, eine Compliance-Dokumentation sowie Compliance-Kontrollsysteme einzuführen.

Aber auch KMU, die Großunternehmen beliefern, sollten das Thema nicht erst angehen, wenn sie von diesen in die Pflicht genommen werden. Erste, für diese schon jetzt sinnvolle Schritte sind z.B. im Rahmen einer Projektgruppe interne Zuständigkeiten und Budgets zu klären. Auch mit der Risikoanalyse, von der zu erwarten ist, dass Großunternehmen sie einfordern werden, kann bereits begonnen werden. Verfolgt werden sollte zudem die Ankündigung eines Lieferkettengesetzes auf EU-Ebene. Bereits für Juni 2021 hat der zuständige EU-Justizkommissar Reynders den eigenen Entwurf eines Europäischen Lieferkettengesetzes angekündigt. Ziel ist eine Anwendung ab dem Jahr 2024. Der Entwurf der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates, der Unternehmen aller Größenordnungen einbeziehen soll, wird die nun folgende Debatte über die Ausgestaltung der unternehmerischen Sorgfalts- und Rechenschaftspflichten auf europäischer Ebene wesentlich prägen.

So hilft Ihnen WBS!

Haben Sie Fragen zu den neuen Verpflichtungen aus dem Lieferkettengesetz oder benötigen Sie Unterstützung bei der Anpassung hinsichtlich der in Ihrem Unternehmen verwendeten Vereinbarungen, Allgemeine Geschäftsbedingungen und/oder bestehende Verhaltenskodizes? Dann wenden Sie sich gerne an uns. Unser erfahrenes Team aus Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten im Arbeitsrecht steht Ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Rufen Sie uns gerne jederzeit unter 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit) (Beratung bundesweit) an.