Lange und unter vielen Widrigkeiten beschäftigte sich der Bundestag mit einem Gesetzesentwurf zum Schutz von Hinweisgebern. Anfang Juli ist das lang ersehnte Gesetz dann endlich in Kraft getreten. Das neue Gesetz zum Schutz von Whistleblowern soll es Hinweisgebern ermöglichen, Missstände in Unternehmen und Behörden aufzudecken, ohne selbst Repressalien ausgesetzt zu sein. Zwar überzeugt das Gesetz in vielerlei Hinsicht noch nicht. Dennoch sind mittlerweile die ersten Hinweise bei der externen Meldestelle des Bundes eingegangen.
Am 2. Juli 2023 ist das neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft getreten. Es dient der seit Ende 2021 fälligen Umsetzung der Hinweisgeberschutzrichtlinie der Europäischen Union. Ziel des Gesetzes ist es laut Bundesregierung, den bislang lückenhaften und unzureichenden Schutz von Hinweisgebern zu verbessern. Diese leisteten einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung und Ahndung von Missständen. Allerdings habe es in der Vergangenheit immer wieder Fälle gegeben, in denen sie wegen der Meldung oder Aufdeckung von Missständen benachteiligt worden seien.
Tatsächlich befanden sich Whistleblower quasi im rechtsfreien Raum. Sie hatten kaum Möglichkeiten, sich gegen Kündigungen oder Benachteiligungen durch den Arbeitgeber zu wehren, da die Materie bislang nicht gesetzlich geregelt war. Einziger Anhaltspunkt für Arbeits- und Zivilgerichte war vorher die Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aus dem Jahr 2011, wonach der Gang an die Öffentlichkeit wegen der Pflicht zur Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber das „letzte Mittel“ sei. Dementsprechend agierte die Rechtsprechung entsprechend restriktiv.
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Dies soll sich mit dem HinSchG ändern. Im Allgemeinen sieht das neue Gesetz ein System vor, nach dem Mitarbeiter zunächst „im Stillen“ auf etwaige Missstände hinweisen sollen, damit die Unternehmen zunächst die Möglichkeit haben, diese selbst abzustellen. Wird jedoch nichts unternommen, sollen Whistleblower auch an die Öffentlichkeit gehen können – ohne Repressalien befürchten zu müssen.
Meldestellen für Hinweise von Whistleblowern
Konkret sieht das neue Gesetz vor, dass Arbeitgeber interne Meldestellen in ihren Unternehmen einrichten müssen, wenn sie mindestens 50 Arbeitnehmer beschäftigen. So sollen Meldungen gegen Betrügereien, Korruption oder zu Verstößen gegen Tierschutz- oder Umweltschutzregeln vertraulich entgegengenommen und bearbeitet werden. Bei Verstoß gegen das Gesetz droht ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitenden haben allerdings noch bis zum 17. Dezember 2023 Zeit. Ergänzend sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, dass Whistleblower Hinweise nicht nur innerhalb des Unternehmens, sondern auch extern melden können. Zu diesem Zweck wurde beim Bundesamt für Justiz (BfJ) die externe Meldestelle des Bundes eingerichtet. Daneben bleiben die bestehenden Meldesysteme im Rahmen der Finanzdienstleistungsaufsicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und beim Bundeskartellamt bestehen.
Nachdem der Whistleblower mit einer Meldestelle Kontakt aufgenommen hat, muss er zunächst bis zu drei Monate auf eine Rückmeldung warten. In Fällen mit hohem Bearbeitungsaufwand kann diese Frist bis zu sechs Monate betragen. Erst wenn die Meldung eines Verstoßes an eine externe Meldestelle erfolglos war oder sie keine geeignete Rückmeldung erhalten haben, dürfen sie sich an die Öffentlichkeit wenden und sind dann geschützt.
Repressalien des Arbeitgebers wie Abmahnungen, Kündigungen oder sonstige Benachteiligungen des Whistleblowers sind gesetzlich verboten und können zu Schadensersatzansprüchen führen. Zum Schutz der Whistleblower vor Repressalien enthält das Gesetz eine Beweislastumkehr. Danach wird das Vorliegen einer Repressalie vermutet, wenn der Whistleblower infolge einer Meldung im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit benachteiligt wird. Der Arbeitgeber steht dann in der Pflicht nachzuweisen, dass sein Vorgehen in keiner Weise mit der erfolgten Meldung in Verbindung stand.
Anonyme Hinweise werden erschwert
Die Ziele, die die Bundesregierung mit dem neuen Gesetz verfolgt, klingen vielversprechend. Doch das Gesetz bietet Arbeitgebern einige Schlupflöcher. So verpflichtet das neue Gesetz die Meldestellen nicht, anonyme Meldewege zu ermöglichen. Mehr noch: das Gesetz verpflichtet die Meldestellen nicht einmal, anonymen Hinweisen nachzugehen, sondern enthält lediglich eine unkonkrete Empfehlung. Sah der Gesetzesentwurf zumindest noch vor, dass anonymen Hinweisen nachgegangen werden sollte, soweit dadurch die Bearbeitung nicht anonymer Hinweise nicht gefährdet würde, so sieht das Gesetz eine solche Regelung jetzt überhaupt nicht mehr vor.
Damit wird es für Whistleblower kaum noch eine Möglichkeit geben, die Informationen auch anonym zu melden. Daneben hat der Arbeitgeber mit der viel zu langen Wartefrist von mindestens drei, wenn nicht sogar sechs Monaten ausreichend Gelegenheit, das Image des Unternehmens durch PR-Strategien aufzupolieren oder Missstände zu vertuschen.
Auch der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes bleibt weiterhin zu eng. So werden nur strafbare Handlungen und bestimmte Ordnungswidrigkeiten erfasst. Informiert der Arbeitnehmer hingegen über moralisch unvertretbares Verhalten, untersteht er nicht dem Schutz des Gesetzes. Schließlich genießen Mitarbeiter öffentlicher Stellen in vielen Fällen nicht den gleichen Schutz, weil lediglich solche Informationen gemeldet werden dürfen, die unter die niedrigste Geheimhaltungsstufe fallen.
Über 100 Hinweise seit Inkrafttreten des Gesetzes
Seit das Gesetz am Anfang Julia in Kraft getreten ist ist, sind bei der externen Meldestelle des Bundes 113 Hinweise eingegangen. Die meisten davon wurden über ein Online-Formular eingereicht. Darüber hinaus wird, wie das Justizministerium verlauten ließ, auch die Beratungsleistung der Meldestelle rege in Anspruch genommen. Die Meldestelle pflege außerdem einen regelmäßigen fachlichen Austausch mit den Hinweisgeberstellen des Bundeskartellamts und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Das Bundesjustizministerium hat wohl aber keine Erkenntnisse darüber, wie viele Meldungen seit Inkrafttreten des Gesetzes bei internen Meldestellen von Unternehmen und Behörden eingegangenen sind.
Ausblick
Wie sieht also das erste Fazit aus? So begrüßenswert ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern ist, so ernüchternd erscheint die Umsetzung des Gesetzes auf den zweiten Blick. Neben den genannten Aspekten sind noch viele weitere nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Liste der kritisierten Punkte seit Beginn des Umsetzungsverfahrens ist lang. Es bleibt abzuwarten, ob das nun in Kraft getretene Gesetz die Hinweisgeber in der Praxis tatsächlich wirksam schützen kann und dazu führt, dass Missstände vermehrt gemeldet werden. Dass jedoch zwei Monate nach Inkrafttreten schon über 100 Hinweise bei der Meldestelle des Bundes eingegangen sind, kann ein aufmunterndes Zeichen sein. Ob sich die Zahl der Meldungen weiter erhöht oder das Gesetz letztlich doch nicht die gewünschte Wirkung entfaltet, steht bislang noch in den Sternen.
lyt/ezo/agr