Ein Arbeitnehmer, der fristlos gekündigt wird, aber gleichzeitig ein „Angebot zur Weiterbeschäftigung“ erhält, muss nicht davon ausgehen, dass dieses Angebot tatsächlich ernst gemeint ist. Der Arbeitgeber verhält sich dann widersprüchlich und befindet sich im Annahmeverzug – entschied das BAG am 29. März.
In einem Fall vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) kündigte der Arbeitgeber seinem seit August 2018 angestellten Arbeitnehmer im Dezember 2019 fristlos. Eine weitere Beschäftigung sei ihm, dem Arbeitgeber, nicht zuzumuten. Gleichzeitig mit der Kündigung bot er jedoch, während eines Kündigungsschutzprozesses, eine Weiterarbeit unter unveränderten Bedingungen an. Der Arbeitnehmer nahm jedoch weder die Kündigung hin noch erschien er zu einer weiteren Arbeit. Das BAG entschied, dass das Verhalten des Arbeitgebers widersprüchlich sei und dieser so in Annahmeverzug geraten könne (Urt. v. 29.03.2023, Az.: 5 AZR 255/22).
Kündigung mit gleichzeitigem, neuen Job-Angebot
Der Arbeitnehmer war als technischer Leiter des Unternehmens angestellt. Mit der fristlosen Kündigung vom 02.12.2019 wurde diesem gleichzeitig ein neuer Arbeitsvertrag als Softwareentwickler, mit rund 30 % weniger Gehalt an.
Im Falle einer Nichtbeachtung der Kündigung oder Annahme des neuen Job-Angebots, würde man einen Arbeitsantritt am 05.12.2019 um 12 Uhr erwarten. Der Arbeitnehmer lehnte das Angebot jedoch ab und erschien auch nicht zur Arbeit. In einem neuen Schreiben vom 14.12.2019 wurde das Arbeitsverhältnis erneut fristlos gekündigt und im Falle einer Nichtbeachtung der Kündigung, würde ein Arbeitsantritt am 17.12.2019 um 12 Uhr erwartet werden. Der Arbeitnehmer erschien nicht.
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Er erhielt danach für Dezember 2019 nur noch einen Lohn von 765,14 € brutto und fand erst zum 01.04.2020 eine neue Beschäftigung. Aus diesen Gründen erhob der Arbeitnehmer Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs bis zum Zeitpunkt der neuen Beschäftigung.
Erfolglose Klage in zwei Instanzen
Der klagende Arbeitnehmer war der Ansicht, dass sich sein Arbeitgeber wegen der unwirksamen Kündigungen im Annahmeverzug befunden habe – er habe also die Arbeitsleistung nicht angenommen.
Selbst wenn der Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung überhaupt ernsthaft angeboten habe, sei ihm dies nicht zuzumuten gewesen. In der Kündigung soll der Arbeitgeber ihm zu Unrecht umfangreiches Fehlverhalten vorgeworfen, sowie seine Person herabgewürdigt haben. Dies sah der beklagte Arbeitgeber anders, denn es könne kein Annahmeverzug vorliegen, wenn es gar kein Arbeitsangebot gäbe.
Sowohl das Arbeitsgericht Leipzig als auch das sächsische Landesarbeitsgericht (LAG) wiesen die Klage bzw. die Berufung zurück. Es läge kein Annahmeverzug vor, da das Angebot zur Weiterbeschäftigung nicht angenommen worden sei.
Annahmeverzug ohne Arbeitsangebot
Der Arbeitnehmer legte Revision gegen das Urteil des LAG ein – mit Erfolg. Das Gericht war der Ansicht, dass sich der Arbeitgeber auch ohne Arbeitsangebot des Arbeitsnehmers im Annahmeverzug befände.
Da der Arbeitgeber der Meinung war, ein fortdauerndes Beschäftigungsverhältnis sei nicht zumutbar, aber trotzdem eine Weiterbeschäftigung anbot, konnte der Arbeitnehmer von einem nicht ernst gemeinten Angebot ausgehen.
Bezüglich des Vergütungsanspruches käme lediglich in Betracht, dass sich der Gekündigte einen böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen lassen müsste. Jedoch sei diesem eine Weiterbeschäftigung, aufgrund des herabwürdigenden Kündigungsinhaltes nicht zuzumuten. Daher käme auch eine solche Anrechnung nicht in Betracht.
Dass der Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses beantragte mache keinen Unterschied, da dieser auf eine Beschäftigung nach Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung gerichtet war. Ein Widerspruch hätte nur vorgelegen, wenn der Arbeitnehmer seinerseits ein Angebot zur Weiterbeschäftigung während des Prozesses abgelehnt hätte.