Eine Fluggesellschaft verkleinerte ihre Flotte und kündigte infolgedessen vielen Flugkapitänen. Einer der Piloten, der sich gerichtlich gegen die Kündigung wehrte, errang nun einen Erfolg vor dem LAG Düsseldorf: Die Richter hielten die Kündigung auf Grund fehlerhafter Sozialauswahl für unwirksam. Diese dürfe nicht bundesweit durchgeführt werden, sondern müsse standortbezogen erfolgen.

Die Sozialauswahl bei Kündigungen hat nur die Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer zu umfassen, wobei deren Versetzbarkeit die Vergleichbarkeit begrenzt. Bei nicht versetzbaren Arbeitnehmern muss die Sozialauswahl daher Standortbezogen erfolgen, wie das Landesarbeitsgericht Düsseldorf jetzt entschied (Urt. v. 08.06.22, Az. 6 Sa 1118/21).

Eine Fluggesellschaft wollte ihre Flotte reduzieren und schloss zu diesem Zweck am 05.03.2021 einen Interessenausgleich mit der Gesamtvertretung Bordpersonal (GV Bord). Darin hieß es, dass die Airline ihre Flotte auf 22 Flugzeuge reduzieren und sechs ihrer derzeit unterhaltenden Stationen vollständig und dauerhaft schließen werde. Weiter hieß es, dadurch sei im Bereich des Cockpit- und Kabinenpersonals die Beschäftigtenzahl anzupassen. Dabei dürfte die tariflich vereinbarte Zahl von 370 Cockpitmitarbeitenden nicht unterschritten werden. Der tatsächliche Bedarf an Cockpitpersonal liege – so die Fluggesellschaft im Verfahren – aufgrund der Betriebsänderung sogar nur noch bei 340. Mit Schreiben vom 27.03.2021 kündigte die Fluggesellschaft das Arbeitsverhältnis eines ihrer Flugkapitäne, der seit dem 01.11.1999 bei ihr beschäftigt war, außerordentlich betriebsbedingt zum 31.12.2021.

Dagegen wandte sich der Pilot mit einer Kündigungsschutzklage. Das noch vorhandene Cockpitpersonal sei nicht in der Lage, ohne überobligatorische Arbeit das verbliebene Flugaufkommen zu bedienen. Alle Mitarbeitenden müssten Mehrflugstunden leisten. Die Sozialauswahl sei zudem nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Die Airline erachtete die Kündigung für wirksam. Der Beschäftigungsbedarf für den Kläger sei entfallen. Die Sozialauswahl habe sie zutreffend einheitlich und bundesweit bezogen auf alle Stationen durchgeführt.

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Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern durch Versetzbarkeit begrenzt

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf gab dem klagenden Piloten nun Recht: Die Kündigung sei jedenfalls aufgrund fehlerhafter Sozialauswahl rechtsunwirksam. Die Fluggesellschaft habe die gemäß § 1 Abs. 3 KSchG vorgesehene Sozialauswahl nicht bundeseinheitlich vornehmen dürfen. Diese sei nur innerhalb der Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durchzuführen. Diese Gruppe werde durch die arbeitsvertraglich vorgesehene Versetzbarkeit begrenzt. In einer Vielzahl von Arbeitsverträgen hatte die Fluggesellschaft mit dem Cockpitpersonal einen sog. „dienstlichen Wohnsitz“ vereinbart, ohne sich die Versetzung an einen anderen Ort ausdrücklich vorzubehalten. Auch der Arbeitsvertrag des klagenden Piloten enthielt die Vereinbarung eines „dienstlichen Wohnsitzes“, nämlich den Ort seiner Station. Im Übrigen hieß es in dem Arbeitsvertrag lediglich, dass die Fluggesellschaft sich für die Zeit der Einarbeitung die Versetzung an einen anderen Ort vorbehielt. Bei dieser vertraglichen Situation hätte die Airline den Flugkapitän nach der Einarbeitung nicht an eine andere Station versetzen dürfen, so die Richter. Die Vergleichbarkeit der zu Kündigenden sei mithin auf die Station begrenzt. Die hiervon abweichende, von der Fluggesellschaft vorgenommene bundesweite Sozialauswahl sei daher gemäß § 1 Abs. 3 KSchG fehlerhaft; die Kündigung des Piloten mithin sozial ungerechtfertigt und deshalb rechtsunwirksam.

Auch Auskünfte an Betriebsrat fehlerhaft

Eine andere Kammer des LAG hatte in demselben Verfahren die Kündigung des klagenden Flugkapitäns sowie eines Co-Piloten ebenfalls für unwirksam gehalten, weil sie die Erteilung zweckdienlicher Auskünfte an den Betriebsrat gem. § 17 Abs. 2 KSchG für fehlerhaft hielt. So sei der GV Bord mitgeteilt worden, dass ca. 80 Beschäftigte des Cockpitpersonals mit Sonderkündigungsschutz nach Einholung der behördlichen Zustimmung ebenfalls gekündigt werden sollte. Tatsächlich verzichtete die Airline jedoch auf den Ausspruch von Kündigungen gegenüber diesen Personen. Dies werteten die Richter als wesentliche Änderung der zuvor mitgeteilten Auswahlkriterien, über welche die GV Bord hätte unterrichtet werden müssen. Anders als bei dieser Verhandlung ließ das LAG nun jedoch die Revision zum Bundesgerichtshof zu. Der Ausgang des Verfahrens ist daher weiter offen.

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jko