Darf ein Krankenpflegehelfer ohne vorhergehende Abmahnung fristlos gekündigt werden, weil er das abgerissene Stück einen Pizza und er vom übrig gebliebenen Gulasch genascht hat?
Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte ein Krankenpfleger 19 Jahre nichts zuschulden kommen lassen. Aufgrund des abgeschlossenen Arbeitsvertrages war bei ihm aufgrund seiner langen Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst keine ordentliche Kündigung möglich. Plötzlich erhält er von seinem Arbeitgeber ohne Vorwarnung die fristlose Kündigung. Der Vorwurf lautet einmal, dass er das bereits abgerissene Stück Pizza eines Patienten gegessen haben soll. Darüber hinaus soll er an einem anderen Tag etwas von dem übrig gebliebenen Gulasch gegessen haben. Der betroffene Arbeitnehmer zog hiergegen vor Gericht – mit Erfolg.
Sowohl das Arbeitsgericht Lübeck als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig Holstein als Berufungsgericht stellten sich hier auf die Seite des Krankenpflegehelfers. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschied in seinem Urteil vom 29.09.2010, dass die fristlose Kündigung wegen eines solch geringfügigen Schadens rechtswidrig ist.
Der Arbeitgeber muss vor dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung wegen eines Fehlverhaltens – die nur wegen eines wichtigen Grundes zulässig ist – normalerweise erst eine Abmahnung aussprechen. Von dieser Verpflichtung ist er nur entbunden, wenn sie voraussichtlich zu keiner Änderung des Verhaltens beim Arbeitnehmer führt oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt. Bei dem Verzehr eines abgebrochenen Stücks Pizza und einer übrig gebliebenen Patientenportion Gulasch handelt es sich nach Ansicht der Richter allenfalls um ein geringfügiges Eigentumsdelikt. Anders wäre es, wenn der Krankenpflegehelfer sich etwa an privaten Wertgegenständen der Patienten vergriffen hätte – was er aber nicht getan hat. Darüber hinaus ist vorliegend zu berücksichtigen, dass sich der Arbeitnehmer über viele Jahre nichts hat zu Schulden kommen lassen und gegenüber Frau und Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist.
Die Richter haben nicht die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Diese Entscheidung bedeutet allerdings keinen Freibrief für Arbeitnehmer. Wie das jeweilige Gericht urteilt, hängt sehr von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab.
Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 29.09.2010 Az. 3 Sa 233/10