Im August war der Krankenstand bei Tesla mit 17 % dreimal so hoch wie im Bundesdurchschnitt der Branche. Zwei Tesla-Chefs haben daraufhin 30 vermeintlich „auffällige“ Mitarbeiter zuhause besucht. Natürlich, um diese zu kontrollieren. Gegenüber der DPA sagte Geschäftsführer André Thierig, dass das nicht ungewöhnlich sei, viele Unternehmen machten das so. Doch nur weil es viele machen – heißt das auch, dass das legal ist? Wir klären alle relevanten Fragen rund um das Thema „kranke Mitarbeiter im Arbeitsrecht“ :

Dürfen Arbeitgeber kranke Mitarbeitende zuhause besuchen?

Nein, grundsätzlich dürfen Arbeitgeber Mitarbeitende nicht ohne triftigen Grund unangekündigt zuhause aufsuchen, da dies einen Eingriff in die Privatsphäre darstellt. Davon gibt es allerdings Ausnahmen:

  • Der Besuch war vorher angekündigt und der Mitarbeiter hat explizit eingewilligt.
  • Es handelt sich um einen absoluten Notfall – etwa, weil nur der kranke Mitarbeiter ein wichtiges Passwort kennt. Doch auch dann sollte man im Zweifel erst einmal nur versuchen, ihn telefonisch zu erreichen.
  • Es gibt konkrete Verdachtsmomente, dass der Arbeitnehmer nur „blau macht“ – wie ungewöhnlich häufige oder zeitlich auffällige Krankmeldungen.  

Müssen Mitarbeitende den Chef in ihre Wohnung lassen?

Nein, Mitarbeitende müssen den Arbeitgeber weder in die Wohnung lassen noch die Tür öffnen – egal, ob zumindest der Besuch ausnahmsweise erlaubt war. Die Wohnung ist nach Artikel 13 des Grundgesetzes besonders geschützt. Sollte der Arbeitgeber versuchen, sich Zutritt zu verschaffen, könnte dies als Hausfriedensbruch und möglicherweise Nötigung strafbar sein.

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Wann besteht ein berechtigter Verdacht auf „krankfeiern“?

Arbeitnehmer müssen laut Gesetz ab dem vierten Werktag in Folge, an dem sie krank sind, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vorlegen (manche Arbeitgeber verlangen es allerdings schon ab Tag 1). Die AU hat erst einmal einen Beweiswert dafür, dass der Arbeitnehmer wirklich krank ist. Diesen Beweiswert können Arbeitgeber nur erschüttern, wenn sie konkrete Belege für einen Verdacht auf „krankfeiern“ liefern.  

Ein Verdacht besteht nach § 275 Abs. 1a Sozialgesetzbuch V, wenn Mitarbeitende sich auffällig oft (bzw. oft nur sehr kurz) oder zu bestimmten Zeiten krankmelden (z.B. montags oder freitags). Auch häufige Krankschreibungen von einem auffälligen Arzt können verdächtig wirken. Das müssen Arbeitgeber gut dokumentieren.

Auch Beobachtungen im Alltag oder in den sozialen Medien können Hinweise sein: Wer z.B. Partyfotos auf dem öffentlichen Profil entdeckt, darf den Beweiswert der AU erstmal anzweifeln. Allerdings nicht, wenn man jemandem beim Einkaufen sieht. Denn nicht jede Krankheit erfordert Bettruhe und Mitarbeitende dürfen alle Aktivitäten ausüben, die ihre Genesung nicht gefährden.

Allerdings können Arbeitnehmer dann immer noch beweisen, dass sie wirklich krank waren. Wer an einer Depression leidet, dem tut das ausgelassene Feiern sicherlich sehr gut.

Was können Arbeitgeber tun, wenn sie einen begründeten Verdacht haben?

Bei wirklich begründetem Verdacht sind, wie gesagt, zunächst Besuche der Arbeitnehmer zulässig.

Eine dauerhafte Beschattung – etwa durch eine Detektei – ist wegen des erheblichen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht nur in Ausnahmefällen, bei „berechtigten und erheblichen Zweifeln, die auf konkreten Tatsachen beruhen“, zulässig (Grundsatzurteil des BAG von 2015, 8 AZR 1007/13). In jedem Fall ist bei solchen Maßnahmen die „Verhältnismäßigkeit“ zu beachten. Heimliche Überwachung darf nur das letzte Mittel sein. Das gilt insbesondere bei heimlichen Fotos und Videoaufnahmen, die erst zulässig sind, wenn schriftliche Protokolle nichts bringen. In einem Fall, in dem ein kranker Bauarbeiter gesehen wurde, wie er bei Konkurrenten arbeitete, hatte das BAG 2017 allerdings auch Videosaufnahmen zugelassen (2 AZR 597/16). In jedem Fall aber darf die Überwachung nicht zu sehr in die Rechte der Arbeitnehmer eingreifen – im Schlaf- oder Badezimmer ist sie z.B. tabu. Illegal erlangte Beweise sind vor Gericht auch meist unzulässig und unterliegen einem Beweisverwertungsverbot.

Alternativ können Arbeitgeber auch die Krankenkasse informieren, die den medizinischen Dienst zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit beauftragen kann.  

Welche Rechte haben Mitarbeitende, die zu Unrecht überwacht werden?

Mitarbeitende können Schmerzensgeld einfordern, wenn sie ohne berechtigten Verdacht überwacht wurden, da dies eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellt. So hat z.B. dieses Jahr das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigt, dass einem von einem Detektiv überwachten Mitarbeiter 1.500 Euro zustehen (8 AZR 225/23). 

Was droht Mitarbeitenden, die „blau machen“?

Mitarbeitenden, die ihre Krankheit nur vortäuschen, drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen wie die Sperrung der Lohnfortzahlung oder sogar die Kündigung. Zudem könnten sie wegen Betrugs (§ 263 StGB) oder des Vorlegens eines falschen Attests (§ 279 StGB) strafrechtlich verfolgt werden.

Können Mitarbeitende wegen langer Krankheit gekündigt werden?

Ja, in bestimmten Extremfällen kann eine personenbedingte Kündigung wegen Krankheit erfolgen. Das geht aber erst, wenn jemand über Jahre hinweg immer wieder (innerhalb von drei Jahren mehr als sechs Wochen) oder sehr lange (deutlich über ein Jahr am Stück) krank ist. Außerdem müssen Arbeitgeber in solchen Fällen nachweisen, dass eine Weiterbeschäftigung unzumutbar geworden ist.

Wie können Arbeitgeber Fehlzeiten vorbeugen?

Neben einem frühen Einfordern von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen können Arbeitgeber durch Gespräche mit häufig kranken Mitarbeitenden psychische Belastungen erkennen und Lösungen finden. Besonders wichtig ist: Ein gesundes Arbeitsumfeld und Wertschätzung können präventiv dazu beitragen, die Krankenstände zu reduzieren.