Man liest es immer wieder in den Schlagzeilen: Große und bekannte Einzelhändler und Unternehmen melden Insolvenz an. Die Gründe sind vielfältig. Galeria Karstadt Kaufhof ist nun erneut betroffen. Die Warenhauskette hat beim Amtsgericht Essen einen Insolvenzantrag gestellt. Es ist der dritte Insolvenzantrag innerhalb von drei Jahren. Doch was bedeutet das für die dort beschäftigten Arbeitnehmer? Was können Sie tun, wenn Ihr Arbeitgeber Sie nicht mehr bezahlen kann? Wann besteht ein Anspruch auf Insolvenzgeld und was ist das überhaupt?
Unter Insolvenz versteht man zunächst die Situation eines Schuldners, seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Gläubiger nicht erfüllen zu können. Im deutschen Insolvenzrecht wird zwischen drei (Eröffnungs-)Gründen für Insolvenz unterschieden: Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Liegt einer dieser Gründe vor, ist das Unternehmen verpflichtet Insolvenz anzumelden.
Das Insolvenzgeld bezeichnet eine Ersatzzahlung für das fehlende Entgelt der Beschäftigten, die von einer Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffen sind. Dieses zahlt die Agentur für Arbeit einmalig für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Insolvenzereignisses. Anknüpfungszeitpunkt ist dabei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, sofern die ersten beiden Punkte nicht in Betracht kommen. Der Wortlaut der Regelung ist hier etwas missverständlich. Es ist nicht erforderlich, dass der Insolvenzgeldzeitraum unmittelbar mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet.
Zweck der Zahlung eines Insolvenzgeldes durch die Agentur für Arbeit ist zum einen die finanzielle Entlastung des insolventen Arbeitgebers. Durch eine Verbesserung seiner Liquidität soll ihm die Möglichkeit eröffnet werden, eine Sanierung durchzuführen. Außerdem soll der Arbeitnehmer vor einem Lohnausfall geschützt werden.
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Was müssen Betroffene tun, um Insolvenzgeld zu erhalten?
Einen Anspruch auf das Insolvenzgeld haben alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von der Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffen sind. „Dritte“ können einen Anspruch auf das Insolvenzgeld haben, sofern sich ein solcher beispielsweise im Rahmen von Unterhaltsansprüchen oder Ansprüchen wegen vorgeleistetem Arbeitslosengeld II ergibt. Das Insolvenzgeld kann innerhalb von zwei Monaten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens online oder bei der örtlichen Arbeitsagentur beantragt werden. Dem Antrag sind alle notwendigen Unterlagen und Nachweise beizufügen, unter anderem eine vom Arbeitgeber oder Insolvenzverwalter ausgestellte Insolvenzbescheinigung, eine Kopie des Arbeitsvertrages und die letzten drei Lohn-/Gehaltsabrechnungen.
Wie hoch ist das Insolvenzgeld?
Die Höhe des Insolvenzgeldes bemisst sich nach dem ursprünglichen Nettolohn und umfasst auch die im Insolvenzzeitraum (potenziell) zu zahlenden Lohnanteile, wie beispielsweise Provisionen. Einmalzahlungen wie das Urlaubs- oder Weihnachtsgeld können zumindest anteilig ausgezahlt werden. In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass zwischen den Verhandlungsparteien über die genaue Festlegung der Höhe des Insolvenzgeldes gestritten wird.
Vorteile des Insolvenzgeldes gegenüber dem Arbeitslosengeld
Grundsätzlich ist das Insolvenzgeld für den Beschäftigten attraktiver, da im Vergleich zum Arbeitslosengeld eine Entgeltzahlung in voller Höhe gewährt wird und nicht nur in Höhe von 60- 67 % des Nettogehaltes. Außerdem kann das Insolvenzgeld auch von Beschäftigten beantragt werden, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Zu beachten ist bei einer Beantragung des Insolvenzgeldes jedoch die Beitragsbemessungsgrenze als Obergrenze für besserverdienende Beschäftigte. Im Jahr 2024 liegt diese in den neuen Bundesländern bei 7450 Euro, in den alten Bundesländern bei 7550 Euro im Monat.
Was tun, wenn Betroffene betriebsbedingt gekündigt werden?
Im Fall von Galeria Karstadt Kaufhof ist es möglich, dass infolge der Insolvenz viele Arbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt werden. Wenn der Arbeitnehmer länger als sechs Monate bei dem Unternehmen beschäftigt ist, greift das Kündigungsschutzgesetz. Danach muss die Kündigung folgende Bedingungen erfüllen: Vorliegen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses zum Abbau der Stelle, dadurch Wegfall der dauerhaften Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer, Fehlen milderer Mittel (z.B. anderer Arbeitsplatz, Kurzarbeit oÄ) und Treffen einer Sozialauswahl.
Gegen die betriebsbedingte Kündigung kann der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage vorgehen und sich darauf berufen, dass eine der oben genannten Anforderungen nicht erfüllt ist. Beispielsweise kann die Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß erfolgt sein. Wenn nicht alle Arbeitnehmer, sondern nur einige Arbeitnehmer gekündigt werden, kann sich der Arbeitgeber nicht frei aussuchen, welche Arbeitnehmer bleiben und welche gehen. Er muss eine Auswahl in Abstimmung mit dem Betriebsrat anhand von Kriterien treffen wie etwa Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, ggf. Unterhaltspflichten oder Schwerbehinderung.
In der Vergangenheit hatte Kaufhof gemeinsam mit dem Betriebsrat einen Sozialplan verhandelt, nachdem Abfindungen an die gekündigten Mitarbeiter gezahlt wurden. Ob dies erneut so ablaufen wird, bleibt abzuwarten.
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