Das LAG Köln hat entschieden, dass die Rücknahme einer Homeoffice-Erlaubnis bei zeitgleicher Versetzung des Arbeitnehmers an einen 500 km entfernten Betrieb nicht erlaubt war. Arbeitgeber müssen nicht nur dringende betriebliche Gründe für eine solche Entscheidung darlegen, sondern auch die Interessen der Arbeitnehmer umfassend berücksichtigen.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln erklärte den Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis bei zeitgleicher Versetzung an einen 500 km entfernten Präsenzarbeitsplatz sowie eine hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung für unwirksam. Der Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis überschreite die Grenzen des billigen Ermessens gemäß § 106 Gewerbeordnung (GewO). Die Arbeitgeberin habe trotz Schließung eines Standortes keine hinreichenden sachlichen Gründe darlegen können, die den Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis und eine künftige Präsenzarbeit rechtfertigen würden (Urt. v. 11.07.2024, Az. 6 Sa 579/23).

Der Arbeitnehmer war seit 2017 bei einem Unternehmen im Automobilbereich in der industrieller Planung und Entwicklung angestellt. Seit mehreren Jahren arbeitete er zu etwa 80 % im Homeoffice, wobei er projektbezogen Kunden sowohl vor Ort als auch in aller Welt betreute. Im März 2023 schloss die Arbeitgeberin jedoch den Betrieb am bisherigen Standort, von dem der Arbeitnehmer bisher aus tätig war. Sie versetzte ihn mit Schreiben von Ende März, jedoch mit Wirkung schon zum 1. Mai 2023 an einen rund 500 km entfernten Standort und wies ihn zudem an, fortan vor Ort in Präsenz zu arbeiten. Alternativ sprach sie eine Änderungskündigung aus, die den Mitarbeiter zu unveränderten Bedingungen, jedoch ausschließlich am neuen Standort, weiterbeschäftigen sollte. Der Kläger lehnte das Angebot ab und bot seine Arbeitsleistung weiterhin aus dem Homeoffice an. Das wollte seine Arbeitgeberin nicht akzeptieren. Daraufhin klagte der Arbeitnehmer gegen die Versetzung und die Änderungskündigung.

LAG Köln: Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis war unverhältnismäßig

Das LAG Köln folgte der Argumentation des Klägers und betonte, dass der Widerruf der Homeoffice-Regelung einer strengen Prüfung unterliegt: Gemäß § 106 GewO könne der Arbeitgeber zwar Arbeitsbedingungen einseitig festlegen, müsse dabei jedoch die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen. Insbesondere dürfe die Weisung nur dann erfolgen, wenn sie sachlich gerechtfertigt sei und die Grenzen billigen Ermessens nicht überschreite.

Die Interessen des Arbeitnehmers, der über Jahre im Homeoffice tätig war und sich auf diese Arbeitsweise eingestellt hatte, überwogen die von seiner Arbeitgeberin vorgebrachten betrieblichen Interessen. Er konnte überzeugend darlegen, dass er familiär und logistisch auf seinen bisherigen Lebensmittelpunkt angewiesen sei und die Versetzung mit erheblichen persönlichen Nachteilen verbunden wäre. Insbesondere sei es praktisch unmöglich, innerhalb von nur einem Monat eine neue Wohnung zu finden – Hotel- und Reisekosten wolle seine Arbeitgeberin aber auch nicht übernehmen.

Das Unternehmen wiederum konnte keine konkreten betrieblichen Gründe für den Widerruf der Homeoffice-Regelung vortragen. Zwar sei der bisherige Standort geschlossen worden, sodass eine Präsenzarbeit dort nicht mehr möglich sei. Eine Zuordnung zu dem neuen Standort sei mithin gerechtfertigt. Jedoch bestehe aus Sicht des Gerichts keine Notwendigkeit, dem Mitarbeiter zudem auch die Erlaubnis zur Tätigkeit aus dem Homeoffice zu entziehen. Das vorgebrachte Argument eines „unternehmensweiten Arbeitskonzepts“ der Präsenzkultur bleibe unkonkret und sei nachweislich nicht einheitlich umgesetzt worden. Demgegenüber stünde die Tatsache, dass der Mitarbeiter seine Aufgaben auch bislang hauptsächlich per Telefon und Computer mit den international verteilten Kunden sprach, sie ansonsten direkt besuchte.

Auch die Änderungskündigung sei gemäß § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) unwirksam, weil sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt sei. Sie sei unverhältnismäßig und damit sozialwidrig. Die Beklagte hätte mildere Mittel – insbesondere die Fortsetzung der Homeoffice-Tätigkeit – prüfen und anbieten müssen.

ahe