Eine Probezeit, die über die gesamte Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses vereinbart wird, ist in der Regel unverhältnismäßig und damit unwirksam. Trotz dieser Unwirksamkeit bleibt die ordentliche Kündigungsmöglichkeit bestehen – beide Parteien können das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen beenden. Dies hat das BAG entschieden.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat geurteilt, dass eine Probezeit, welche die gesamte Befristung eines Arbeitsverhältnisses umfasst, als unverhältnismäßig anzusehen ist. Daraus folgt, dass die verkürzte Kündigungsfrist gemäß § 622 Abs. 3 BGB, die während der Probezeit Anwendung finden könnte, nicht greift. Stattdessen müsse die Kündigung unter Einhaltung der regulären Fristen des § 622 Abs. 1 BGB erfolgen, so das BAG (Bundesarbeitsgericht, 24. August 2023, 2 AZR 17/23).

Befristung deckungsgleich mit Probezeit

Hintergrund des Verfahrens ist ein Fall eines Kfz-Meisters, der von einem Autohaus für einen befristeten Zeitraum von sechs Monaten eingestellt wurde. Im zugrunde liegenden Arbeitsvertrag wurde gleichzeitig eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart. Diese Regelung sah vor, dass das Arbeitsverhältnis während der Probezeit von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen schriftlich gekündigt werden könne. Bereits nach etwa zwei Monaten entschied sich das Autohaus, das Arbeitsverhältnis zu beenden und sprach eine Kündigung aus, die sich auf die verkürzte Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB berief.

Der betroffene Kfz-Meister widersprach dieser Vorgehensweise und machte geltend, dass die vereinbarte Probezeit – welche exakt die gesamte Befristungsdauer abdeckte – unverhältnismäßig und somit unwirksam sei. Er argumentierte, dass eine zu lange Probezeit den Schutz des Arbeitnehmers gefährde, da sie zu einer übermäßig kurzen Kündigungsfrist führen könne, die in einem befristeten Arbeitsverhältnis nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche. Die Meinungsverschiedenheiten führten zu einem Rechtsstreit, der zunächst vom Arbeitsgerichts Lübeck (Az. 4 Ca 1903/22), dann vom Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein entschieden (Az. 3 Sa 81/23) und in weiterer Folge beim BAG verhandelt wurde.

Urteil und Begründung

Das BAG kam nun zu dem Schluss, dass die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung einer Probezeit, die der gesamten Befristung von sechs Monaten entspreche, den gesetzlichen Anforderungen nicht genüge. Nach § 15 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) müsse die Dauer der Probezeit im Verhältnis zur erwarteten Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses und der Art der auszuübenden Tätigkeit stehen. Im konkreten Fall habe sich aus dem Vertrag ergeben, dass die Probezeit exakt der Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses entsprochen habe. Das BAG beurteilte dies als unverhältnismäßig. Diese Unverhältnismäßigkeit führe dazu, dass die verkürzte Kündigungsfrist gemäß § 622 Abs. 3 BGB – die normalerweise während der Probezeit greifen könnte – nicht zur Anwendung komme. Anstelle der verkürzten Frist sei die ordentliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB maßgeblich.

Das Urteil unterstreicht dabei den Schutz des Arbeitnehmers vor einer zu abrupten Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Sinn der Probezeit bestehe darin, beiden Parteien ausreichend Zeit zu geben, die gegenseitige Eignung zu überprüfen. Werde die Probezeit jedoch so gestaltet, dass sie die gesamte Befristungsdauer umfasse, gerate der Arbeitnehmer in eine ungewollt prekäre Situation, da er schon vor Ablauf des Vertrags mit einer verkürzten Kündigungsfrist konfrontiert werden könnte.

Zugleich betont das BAG, dass die separat vereinbarte Kündigungsregelung im Arbeitsvertrag – die ausdrücklich vorsah, dass das Arbeitsverhältnis auch während der Probezeit mit einer kurzen Kündigungsfrist beendet werden konnte – unabhängig von der Unwirksamkeit der überlangen Probezeit weiterhin Bestand habe. Somit bleibe die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung für beide Vertragsparteien erhalten.

Die Entscheidung berücksichtigt auch die Vorgaben der europäischen Arbeitsbedingungen-Richtlinie, die in Artikel 8 Abs. 2 S. 1 festlegt, dass die Probezeit in einem Arbeitsverhältnis angemessen sein muss. Die Richtlinie sieht zwar keine expliziten absoluten oder relativen Höchstdauern für die Probezeit vor, fordert jedoch ein Verhältnis, das dem Charakter und der erwarteten Dauer des Arbeitsverhältnisses Rechnung trägt. Im Fall des Kfz-Meisters führe die exakte Entsprechung der Probezeit zur Befristungsdauer zu einer Überschreitung der Angemessenheit, da der Kfz-Meister bei einer Kündigung während der Probezeit unverhältnismäßig mit einer verkürzten Kündigungsfrist belastet würde. Diese Problematik unterstreicht den Schutzgedanken des Gesetzgebers, der verhindern will, dass Arbeitnehmer bereits vor Ablauf eines befristeten Vertrags in eine zu unsichere Situation geraten.

Darüber hinaus wies das BAG in seiner Urteilsbegründung darauf hin, dass vertragliche Regelungen, die gegen zwingende gesetzliche Vorgaben verstoßen, in ihrer unwirksamen Formulierung nicht automatisch das gesamte Arbeitsverhältnis gefährdeten. Es sei möglich, einzelne unwirksame Klauseln zu streichen, ohne den Grundgehalt des Vertrags zu beeinträchtigen. Die separate Abrede im Fall des Kfz-Meisters zur Kündigungsfrist wurde als eigenständiger und wirksamer Bestandteil des Arbeitsvertrags bewertet. Diese Auffassung sorgt dafür, dass der Arbeitgeber trotz der Unwirksamkeit der überlangen Probezeit das Recht behalte, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zu kündigen – allerdings unter Einhaltung der regulären, längeren Kündigungsfrist.

Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für die Praxis der Arbeitsvertragsgestaltung, insbesondere bei befristeten Verträgen. Arbeitgeber werden angehalten, bei der Vereinbarung von Probezeiten sorgfältig darauf zu achten, dass diese in einem angemessenen Verhältnis zur Befristungsdauer stehen. Eine Probezeit, die automatisch die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses umfasst, ist nicht nur unwirksam, sondern kann auch zu erheblichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen. Gleichzeitig aber schützt die Entscheidung auch den Arbeitgeber, indem sie klärt, dass eine separat getroffene Kündigungsabrede weiterhin Gültigkeit besitzt. Somit entsteht ein ausgewogenes Verhältnis, das beiden Parteien Planungssicherheit bietet und zugleich den gesetzlichen Schutz des Arbeitnehmers gewährleistet.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten die BAG-Grundsätze bei der Formulierung zukünftiger Verträge berücksichtigen, um Konflikte und rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden.

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