Ein Redakteur der Deutschen Welle stand vor Gericht, nachdem er auf privaten Social-Media-Konten Äußerungen gemacht hatte, die als antisemitisch und das Existenzrecht Israels infrage stellend interpretiert wurden. Trotz Löschung einiger dieser Beiträge im Jahr 2022 blieb die Deutsche Welle besorgt über den Rufschaden. Am Ende musste das LAG entscheiden, ob seine Kündigung gerechtfertigt war.

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Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die fristlose Kündigung eines Redakteurs der Deutschen Welle aufgrund antisemitischer Äußerungen auf privaten Social-Media-Konten wirksam ist. Trotz Löschung der Beiträge nach einer Untersuchung im Jahr 2022 sah das Gericht eine schwerwiegende Verletzung der vertraglichen Pflichten und wies auf die Verpflichtung zur Wahrung der Tendenz der Deutschen Welle hin (Urt. v. 04.04.2024, Az. 5 Sa 894/23).

Das Verhalten von Arbeitnehmern in ihrer Freizeit kann mitunter auch arbeitsrechtliche Konsequenzen haben – wie die Kündigungen für die Betroffenen des Sylt-Videos erst kürzlich deutlich machten. Besonders im digitalen Zeitalter sind private Äußerungen auf Social-Media-Plattformen nicht immer ohne Einfluss auf das berufliche Leben. So beschäftigte kürzlich ein Fall eines Redakteurs der Deutschen Welle das LAG Berlin-Brandenburg, in dem die Grenzen zwischen privater Meinung und beruflichen Pflichten im Fokus stehen.

Zum Gerichtsstreit kam es, weil ein gehobener Redakteur über seine Social-Media-Konten Aussagen tätigte, die seinem Arbeitgeber ein Dorn im Auge waren. Um genau zu sein handelte es sich um einen seit 2005 zunächst als freier Mitarbeiter beschäftigten Redakteur, der im Zeitraum von 2014 bis 2019 auf seinen privaten Facebook- und Twitterkonten Äußerungen zu Israel und Palästina tätigte. Im Jahr 2021 trat er in ein befristetes Arbeitsverhältnis mit der Deutschen Welle ein. Nachdem Presseberichte über angeblich antisemitische Äußerungen von Mitgliedern der arabischen Redaktion aufkamen, veranlasste die Deutsche Welle eine externe Untersuchung. Infolgedessen löschte der Redakteur im Jahre 2022 einige seiner Veröffentlichungen.

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LAG erkennt Möglichkeit der Rufschädigung für die Deutsche Welle an

Während die Vorinstanz, das Arbeitsgericht, die fristlose Kündigung noch als unwirksam betrachtet hatte, erkannte das LAG sie nun als wirksam an. Die Richterinnen und Richter stellten fest, dass der Redakteur als sogenannter Tendenzträger verpflichtet gewesen sei, die grundlegenden Zielsetzungen der Deutschen Welle sowohl bei seiner Arbeit als auch im privaten Bereich zu beachten. Diese Zielsetzungen umfassten die Anerkennung des Existenzrechts Israels und den aktiven Einsatz gegen Antisemitismus sowie die Verhinderung der Verbreitung antisemitischer Ansichten.

Da solche Äußerungen eines Redakteurs auch im privaten Bereich den Ruf der Deutschen Welle als Stimme der Bundesrepublik Deutschland im Ausland schädigen könnten, stelle dies eine schwerwiegende Verletzung vertraglicher Nebenpflichten dar. Dies rechtfertige eine fristlose Kündigung, so das LAG. Selbst wenn der Redakteur nach Beginn des Arbeitsverhältnisses keine weiteren beanstandeten Äußerungen gepostet habe, würden die zuvor getätigten und weiterhin öffentlich abrufbaren Äußerungen nachwirken. Das LAG nahm in den Äußerungen einen antisemitischen Charakter an, die das Existenzrecht Israels in Abrede stellen würden.

Keine Berufung auf die Meinungsfreiheit

Aufgrund der Rundfunkfreiheit der Deutschen Welle nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes sei der Redakteur verpflichtet, die Tendenz des Senders zu wahren. Daher könne er sich bei antisemitischen Äußerungen und der Leugnung des Existenzrechts Israels nicht erfolgreich auf seine Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes berufen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht zugelassen. Hiergegen kann der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde beim BAG erheben.

agr