Bereits vor Übernahme des Social-Media Riesen „Twitter“ mit dem 27. Oktober 2022 durch Elon Musk wurde bekannt, dass etwa die Hälfte der Belegschaft entlassen werden soll. Die ersten Kündigungen wurden bereits unmittelbar nach dem „Deal“ ausgesprochen. Mitarbeiter wurden per E-Mail aufgefordert zu Hause zu bleiben, aus Meetings geworfen und Log-ins zu ihren Benutzerkonten gesperrt. So auch an den deutschen Standorten der Twitter Deutschland GmbH.

Nachdem Elon Musk Twitter übernommen hat, mussten sofort einige hochrangige Mitarbeiter gehen. Doch Musk will angeblich sogar rund 50 Prozent der etwa 7.500 Angestellten Online-Plattform entlassen. Die ersten Mitarbeiter erhielten bereits E-Mails mit der Aussage, dass „heute“ ihr letzter Arbeitstag sei („Today is your last working day at the company“). Zuletzt wurde die Twitter-Vertriebschefin, Robin Wheeler, entlassen, nachdem sie sich geweigert hatte, weitere Angestellte zu kündigen. Doch die Mitarbeiter wehren sich.

Während in den USA bereits erste Sammelklagen vor den zuständigen Bundesgerichten gegen die Kündigungen eingegangen sein sollen, ist hierzulande ein Großteil Twitter-Mitarbeiter nach der Ankündigung der Entlassungen in die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi eingetreten, um sich bei Kündigungsschutzklagen unterstützen zu lassen.

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Wir sind bekannt aus

Erste Sammelklagen vor US-Gerichten

Mehrere ehemalige Angestellte von Twitter reichten noch am 4. November 2022 eine Sammelklage gegen das Unternehmen ein. Der Vorwurf stützt sich darauf, dass Twitter gesetzliche Vorgaben missachtet haben soll. So sehen arbeitsrechtliche Gesetze wie der “Worker Adjustment and Retraining Notification Act” (kurz: WARN Act) in Kalifornien vor, dass Massenentlassungen 60 Tage im Voraus angekündigt werden müssen. Das Unternehmen habe diese Frist nicht eingehalten.

Grundsätzlich sieht das US-amerikanische Arbeitsrecht keinen allgemeinen Kündigungsschutz vor und unterscheidet sich damit deutlich vom deutschen Arbeitsrecht. Die USA überlassen die Gestaltung des Arbeitnehmerschutzes beinahe vollständig den einzelnen Vertragsparteien. Ein großer Teil der amerikanischen Arbeitsverhältnisse erfolgt nach einem „at will“ (engl. „willkürlich“) Prinzip, was Kündigungen im Vergleich zu einigen Ländern einfacher macht. Arbeitsverhältnisse “at will” bedeuten, dass sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer ein auf unbefristete Zeit geschlossenes Arbeitsverhältnis grundsätzlich jederzeit ohne Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen kündigen kann.

Während das deutsche Arbeitsrecht auf den Schutz des Arbeitnehmers abzielt, muss der Arbeitnehmer in den USA von sich aus aktiv darlegen, dass die Kündigung, die er von seinem Arbeitgeber erhalten hat, ausnahmsweise unwirksam ist. Gesetzlichen Schutz gibt es in den USA sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene nur vereinzelt.

Ein besonderes Gewicht kommt dabei vor allem dem Grundsatz der Gleichbehandlung, also dem Verbot der Diskriminierung wegen Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Alter oder einer Behinderung und den dortigen Antidiskriminierungsgesetzen zu. Auch darf einem Arbeitnehmer nicht wegen einer Handlung gekündigt werden, welche dieser zum Zwecke der Wahrnehmung öffentlicher Interessen vorgenommen hat, bzw. die im öffentlichen Interesse liegt (public policy exception). Dennoch obliegt die Darlegungs- und Beweislast auch hier grundsätzlich dem Arbeitnehmer. Dieser muss beweisen, dass die Kündigung zum Beispiel gegen einen der genannten Grundsätze verstößt und daher unwirksam ist. Der Ausgang der nun eingereichten Sammelklagen der Twitter-Mitarbeiter vor den US-Bundesgerichten ist völlig offen. Insbesondere ist zu beachten, dass eine Verletzung von Ankündigungsfristen bei Massenentlassungen in Kalifornien zwar zumeist Schadensersatzansprüche begründet, aber nicht unbedingt zur Unwirksamkeit der Kündigung führt.

Arbeitsrechtliche Folgen für Mitarbeiter in Deutschland

Von Debbie Rowe – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0

Auf die Arbeitsverträge der Mitarbeiter der Twitter Deutschland GmbH finden die allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzvorschriften des deutschen Arbeitsrechts Anwendung. Im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes müssen Kündigungen daher grundsätzlich auf betriebsbedingte Gründe, personenbedingte Gründe oder verhaltensbedingte Gründe gestützt werden können. Die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes sind heranzuziehen, sobald der Mitarbeiter in einem in Deutschland belegenen Betrieb mit mehr als zehn Mitarbeitern (§ 23 Abs. 1 KSchG) arbeitet und dort seit mindestens sechs Monaten (§ 1 Abs. 1 KSchG) angestellt ist. Anders als das US-amerikanische Arbeitsrecht sichert das deutsche Arbeitsrecht den Bestand des Arbeitsverhältnisses.

Bei den nun ausgesprochenen Kündigungen gegen die Twitter-Mitarbeiter in Deutschland wird es sich voraussichtlich um betriebsbedingte Kündigungsgründe aufgrund einer Restrukturierung des Unternehmens handeln. Für diese muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen können, dass der Arbeitsplatz aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen dauerhaft wegfällt und eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt wurde. Änderungen der betrieblichen Strukturen, Umstrukturierungen oder Einsparungsmaßnahmen können eine solche Kündigung grundsätzlich rechtfertigen.

Besonders fehleranfällig und im Rahmen einer Kündigungsschutzklage durch die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angreifbar, ist dabei allerdings oftmals die ordnungsgemäße Sozialauswahl. Wurde die Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt, ist die betriebsbedingte Kündigung allein aus diesem Grund sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam. Die vier Gesichts­punk­te, auf die es bei der Sozialauswahl ankommt, werden in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG genannt. Hiernach ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.

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Massenentlassung auch an deutschen Standorten?

Bei Massenentlassungen gem. § 17 Absatz 1 KSchG ist der Arbeitgeber überdies verpflichtet der Agentur für Arbeit anzuzeigen, dass er Arbeitnehmer im Rahmen einer Massenentlassung kündigen wird. Unterbleibt diese Anzeige, ist die Kündigung unwirksam. Wie viele Mitarbeiter entlassen werden müssen ist abhängig von der Anzahl der Beschäftigten und der Betriebsgröße. So liegt bei einer Beschäftigtenanzahl zwischen 20 und 60 Mitarbeitern eine Massenentlassung bereits ab 5 entlassenen Arbeitnehmern innerhalb von 30 Kalendertagen vor.

Nach Angaben der Arbeitnehmervertretung “Ver.di” sind in der Twitter Deutschland GmbH mehr als 30 Mitarbeiter in den Bereichen Vertrieb, Entwicklung und IT-Sicherheit beschäftigt gewesen. Viele von diesen Mitarbeitern sollen nun in den letzten Tagen eine Kündigung erhalten und von der Arbeit freigestellt worden sein. Hierbei dürfte es sich folglich um Massenentlassungen handeln, die von der Twitter bei der Agentur für Arbeit angezeigt werden müssen.

Sollten Sie als Mitarbeiter von einer betriebsbedingten Kündigung betroffen sein, so gilt es für Sie zunächst Ruhe zu bewahren. Zu beachten ist, dass gegen die  Kündigung innerhalb von drei Wochen nach Zugang bei Ihnen Kündigungsschutzklage eingereicht werden muss. Anderenfalls gilt die gegen Sie ausgesprochene Kündigung als wirksam.

Unsere erfahrenen Fachanwälte aus dem Arbeitsrecht beraten Sie gerne und stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Rufen Sie uns jederzeit unter 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit) an.