Primark wollte durch die Einführung eines Headset-Systems für seine Angestellten die Arbeitsprozesse optimieren und die Kommunikation erleichtern. Da jedoch Vorgesetzte Gespräche zumindest theoretisch jederzeit mithören könnten, erzeuge dies einen enormen Überwachungsdruck bei Arbeitnehmern. Dies sei durch den Gesamtbetriebsrat mitbestimmungspflichtig.
Um die Kommunikation unter den Angestellten während der Arbeit zu erleichtern, wollte der Bekleidungshersteller Primark eine Headset-Pflicht einführen. Dabei jedoch, so das Bundesarbeitsgericht (BAG), handele es sich um eine Überwachungseinrichtung, anhand dessen die Vorgesetzten in der Filiale die Gespräche jederzeit mithören könnten. Da dies jedoch mitbestimmungspflichtig sei, stimmte das BAG der Ansicht des klagenden Betriebsrats bei (BAG, Beschluss vom 16.07.2024, AZ. 1 ABR 16/23).
Primark verwendet verbundene Mitarbeiter-Headsets
Im Jahr 2018 schloss Primark mit dem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur „Einführung und Anwendung von IKT-Systemen, Datenschutz und Informationssicherheit“. Diese sieht ua. vor, dass „mitbestimmungspflichtige IKT-Systeme … in Form einer Systemabsprache als Anlage zu dieser Vereinbarung in den mit dieser Vereinbarung geschaffenen Rahmen integriert“ werden. In der Folgezeit hatte Primark beschlossen, für die Kommunikation der Arbeitnehmer innerhalb der einzelnen Filialen Headsets einer bestimmten Firma zu verwenden. Im Jahr 2021 vereinbarte Primark mit dem Gesamtbetriebsrat eine „Systemabsprache“ zum Einsatz dieser Geräte.
Die Headsets werden mithilfe einer Software betrieben. In dem von Primark ausschließlich verwendeten Standardmodus bilden alle Arbeitnehmer einer Filiale, die ein solches Gerät benutzen, eine gemeinsame Kommunikationsgruppe („Conference“). Die Headsets sind über eine – lokal eingerichtete – Basisstation miteinander verbunden und ermöglichen die drahtlose Übertragung von „Live-Kommunikation“ an die übrigen aktiven Geräte. Eine Übertragung in andere Filialen ist nicht möglich.
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In einem von der Headset-Firma zur Verfügung gestellten Internet-Portal – dem sog. V-Portal – sind mit der Software die Registrierungsdaten der Headsets, die Bezeichnung des Geräts sowie der Zeitpunkt der Verbindung ablesbar. Dort ist u.a. auch erkennbar, wenn Headsets mit der Basisstation in der Filiale verbunden sind. Das Portal wird von Arbeitnehmern der zentralen IT-Abteilung Primarks in Dublin – dem sog. Helpdesk – bedient. Das System wird zudem von dort aus über das Internet-Portal technisch betreut und gewartet. Der Betrieb in Deutschland verfügt über keine eigene IT-Abteilung.
Bei Primark sind die einzelnen Headset-Geräte keinem bestimmten Arbeitnehmer zugeordnet. Sie werden vielmehr täglich nach dem „Zufallsprinzip“ aus dem Gerätepool bzw. der Ladestation entnommen und sind nach Arbeitsende dorthin zurückzulegen. Es wird weder durch das System selbst noch außerhalb von ihm überprüft oder aufgezeichnet, welcher Arbeitnehmer wann welches Gerät genutzt hat. Auch eine Aufzeichnung von Sprachsignalen oder Geräuschen durch das System ist technisch nicht möglich.
Im deutschen Betrieb sollen etwa 34 Geräte zum Einsatz kommen. Es besteht – jedenfalls für die Führungskräfte (Manager und Supervisor) und jeweils einen Arbeitnehmer in den Bereichen Kasse und Umkleidekabine sowie Aufräum- und Returnteam – eine Nutzungsverpflichtung. Soweit dies nicht der Fall ist, verwenden die Arbeitnehmer das System auf freiwilliger Basis.
Der Betriebsrat einer Filiale mit mehr als 200 Mitarbeitenden betrachtete die Einführung des Headset-Systems als mitbestimmungspflichtig gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Diese Vorschrift verlangt die Mitbestimmung des Betriebsrats bei „technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen“. Zudem vertrat der Betriebsrat der Filiale die Auffassung, dass er und nicht der Gesamtbetriebsrat zuständig sei, da die Kommunikation ausschließlich innerhalb der Filiale und nicht in andere Betriebe übertragen werde.
Der Betriebsrat wollte daher Primark untersagen, das Tragen von Headsets ohne seine Zustimmung anzuweisen und klagte.
Gesamtbetriebsrat muss über Headset-System mitbestimmen
Das BAG wies die Rechtsbeschwerde jedoch wie zuvor das Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen bereits als unbegründet zurück. Das LAG habe die Beschwerde des Betriebsrats im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Allerdings gab das BAG dem Betriebsrat Recht, dass die Einführung des Headset-Systems als technische Überwachungseinrichtung mitbestimmungspflichtig sei. Das hatte auch das Arbeitsgericht (ArbG ) Dresden erstinstanzlich so gesehen, das LAG Sachsen aber mangels Eignung des Systems zur Überwachung verneint, da die Geräte keinem bestimmten Beschäftigten zugeordnet seien.
Laut BAG habe der Betriebsrat u.a. bei der Anwendung von technischen Einrichtungen mitzubestimmen, die dazu bestimmt seien, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Das Mitbestimmungsrecht sei darauf gerichtet, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht durch schützenswerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und unverhältnismäßig seien. Die auf technischem Weg erfolgende Erhebung und/oder Aufzeichnung von Informationen über Arbeitnehmer bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung berge die Gefahr in sich, dass sie zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht würden. Die Abläufe einer technikgestützten Datenermittlung seien für den Arbeitnehmer häufig nicht wahrnehmbar und es fehle regelmäßig an einer Möglichkeit, sich ihr zu entziehen. Die Einbindung in eine von ihm nicht beeinflussbare Überwachungstechnik könne zu erhöhter Abhängigkeit führen und damit die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit beeinträchtigen, so das BAG.
Überwachungsdruck durch ständige Überprüfbarkeit
Die ständige Überprüfungsmöglichkeit durch den Arbeitgeber dank des Headset-Systems habe zur Folge, dass Arbeitnehmer einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt seien. Und dieser Überwachungsdruck bestehe, auch ohne dass die Headsets einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet würden. Aufgrund der direkten Übertragung des gesprochenen Worts bestehe ohne Weiteres die Möglichkeit, dass der Vorgesetzte die sprechende oder angesprochene Person anhand ihrer Stimme und/oder des Gesprächsinhalts – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der Dienstpläne – identifiziere, zumal nicht ausgeschlossen sei, dass die Kommunikation unter Verwendung von Eigennamen erfolge.
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats blieb jedoch erfolglos. Das Mitbestimmungsrecht stehe nämlich nach Überzeugung des BAG nicht dem örtlichen Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu.