Von einem angehenden Polizeibeamten ist zu erwarten, dass er jederzeit gegen antisemitisches, frauenverachtendes oder rassistisches Gedankengut eintritt und so zu jeder Zeit und ohne jeden Vorbehalt für die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und die Grundwerte eines friedlichen Zusammenlebens eintritt. Dies gilt auch in einer WhatsApp-Gruppe. Ansonsten ist er für den Dienst nicht geeignet.
Die Polizeihochschule durfte einen angehenden Polizeibeamten wegen Zweifeln an seiner charakterlichen Eignung entlassen, weil er – wenn auch weitgehend passiv – Mitglied einer WhatsApp-Gruppe war, in der nationalsozialistische, antisemitische, rassistische, gewaltverherrlichende und frauenverachtende Kommentare und Bilder geteilt wurden. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Freiburg entschieden und damit den gegen seine Entlassung gerichteten Eilantrag eines Polizeimeisteranwärters abgelehnt. (Beschluss vom 19.10.2020, Az. 3 K 2398/20).
Angehender Polizist habe rechtes, antisemitisches und frauenfeindliches Gedankengut toleriert
Der entlassene Polizeimeisteranwärter bei der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg in Villingen-Schwenningen war gemeinsam mit sechs weiteren Klassenkameraden Mitglied einer WhatsApp-Gruppe mit dem Namen „Pozilei bad boys“. In der Gruppe wurden neben Nachrichten zu Ausbildungs- und Freizeitthemen u. a. Hitlerportraits, das Hakenkreuzsymbol sowie antisemitische, rassistische, gewaltverherrlichende und frauenfeindliche Bilder und Texte verschickt.
Nach Bekanntwerden der WhatsApp-Gruppe entließ die Polizeihochschule den Polizeimeisteranwärter aus dem Polizeivollzugsdienst. Sie begründete dies mit Zweifeln an seiner charakterlichen Eignung. Auch wenn er in der Gruppe weder Administrator noch treibende Kraft gewesen sei, habe er Beiträge geschrieben, kommentiert und mitgelesen. Damit habe er rechtes, antisemitisches und frauenfeindliches Gedankengut toleriert. Dies sei mit der Vorbildfunktion als angehender Polizeibeamter nicht vereinbar. Der entlassene Polizeimeisteranwärter wendete hiergegen ein, er habe die Beiträge der anderen nicht genau gelesen und sei auch mit ihrem Inhalt nicht einverstanden gewesen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag im Wesentlichen mit folgender Begründung ab:
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Polizeianwärter müssten freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigen
Beamte auf Widerruf wie der Polizeimeisteranwärter könnten entlassen werden, wenn berechtigte Zweifel an ihrer persönlichen oder fachlichen Eignung bestünden. Die Polizeihochschule habe die Entlassung – nach der im Eilverfahren vorzunehmenden überschlägigen gerichtlichen Prüfung – voraussichtlich zu Recht auf Zweifel an der charakterlichen und damit persönlichen Eignung gestützt. Für die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Beurteilung der charakterlichen Eignung sei die Einschätzung entscheidend, inwieweit ein Bewerber der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werde.
Von einem Polizeibeamten sei dabei zu erwarten, dass er zu jeder Zeit und ohne jeden Vorbehalt für die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und die Grundwerte eines friedlichen Zusammenlebens eintrete. Damit einher gehe nicht nur das Verbot von gegen die Verfassung gerichteten Taten, sondern auch eine Pflicht zum aktiven Handeln.
Polizeianwärter hätte aus WhatsApp-Gruppe austreten können
Es sei vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden, dass die Polizeihochschule dem entlassenen Polizeimeisteranwärter vorhalte, er sei weder aus der WhatsApp-Gruppe ausgetreten noch habe er in der Gruppe zu erkennen gegeben, dass er das dort dokumentierte Gedankengut nicht teilt, sondern im Gegenteil sogar einige Beiträge kommentiert habe.
Indem er die nationalsozialistischen, antisemitischen, rassistischen, gewaltverherrlichenden und frauenverachtenden Äußerungen, Symbole und Bilder hingenommen und vereinzelt ohne jede Distanzierung kommentiert habe, habe er sie verharmlost und bagatellisiert.
Es sei von ihm auch bereits in der Ausbildungszeit zu erwarten gewesen, dass er sich aktiv für die Grundwerte des gesellschaftlichen Zusammenlebens einsetze und sich dem widersprechenden Verhalten gerade innerhalb des Kollegenkreises entgegenstelle. Damit begründe bereits das Hinnehmen und kritiklose Kommentieren die berechtigten Zweifel an seiner charakterlichen Eignung für den Polizeiberuf, ohne dass es der Feststellung einer gefestigten eigenen rechtsextremen Überzeugung des entlassenen Polizeimeisteranwärters bedürfe.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Der Antragsteller kann Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim einlegen.
tsp