Das AG Karlsruhe hat Sozialarbeiter des KSC-Fanprojekts zu Geldstrafen verurteilt. Nach einem Pyro-Eklat der Fan-Szene hatten sie sich geweigert, als Zeugen auszusagen.
Das Amtsgericht (AG) Karlsruhe verurteilte drei Sozialarbeiter des KSC-Fanprojekts zu Geldstrafen wegen versuchter Strafvereitelung in 21 Fällen. Die Sozialarbeiter hatten sich geweigert, in Ermittlungen zu einer Pyrotechnik-Aktion im KSC-Stadion auszusagen, um das Vertrauensverhältnis zu den Fans zu wahren. Da sie weder ein Zeugnis- noch ein Aussageverweigerungsrecht besaßen, sah das Gericht die Strafvereitelung als gegeben an und verhängte eine Geldstrafe in Höhe von jeweils 90 Tagessätzen zu 90, 70 und 45 Euro (AG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2024, Az. 17 Cs 530 Js 45512/23).
Pyrotechnik-Aktion der KSC-Fanszene
Im November 2022 führten KSC-Fans der Ultra-Gruppierung „Rheinfire“ im Wildparkstadion eine Pyrotechnik-Aktion durch, die elf Personen verletzte, darunter ein Kind, und weitere Gäste beeinträchtigte. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe nahm daraufhin Ermittlungen auf und rief die drei Sozialarbeiter des städtischen KSC-Fanprojekts als Zeugen auf, um mehr über die Urheber der Pyrotechnik-Aktion zu erfahren. So wurden die Sozialarbeiter im Rahmen der Ermittlungen mehrfach zu verschiedenen Sachverhalten (unter anderem zur Vorbereitung der Pyrotechnik möglicherweise in den Räumen des Fanprojekts, Wahrnehmungen während des Spiels) im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Mitglieder der Ultragruppierung „Rheinfire“ befragt.
Die Sozialarbeiter, die durch den Stadtjugendausschuss Karlsruhe beschäftigt sind, lehnten jedoch die Aussage ab. Sie erklärten, dass eine Kooperation mit den Behörden das Vertrauensverhältnis zur Fanszene gefährden würde, was die sozialarbeiterische Arbeit innerhalb des Projekts erheblich beeinträchtigen könnte.
Daraufhin erließ das Gericht gegen sie Strafbefehle und verhängte Geldstrafen, was für die Beteiligten vor allem berufliche und persönliche Konsequenzen bedeutet.
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Aussageverweigerung sollte Strafverfolgung verzögern oder vereiteln
Das AG Karlsruhe begründete das Urteil damit, dass die Sozialarbeiter kein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialarbeit besitzen, das mit anderen Berufsgruppen wie der Seelsorge oder dem medizinischen Bereich vergleichbar wäre. Da ihnen die Notwendigkeit einer Aussage zur Aufklärung bekannt gewesen sei und sie kein eigenes Risiko einer Strafverfolgung trugen, stellte das Gericht fest, dass ihre Aussageverweigerung dazu dienen sollte, die strafrechtliche Verfolgung der beteiligten Fans zu behindern, zu verzögern oder ganz zu verhindern. Es urteilte daher auf versuchte Strafvereitelung, ungeachtet der sozialarbeiterischen Verpflichtungen, die das Fanprojekt und die Stadt Karlsruhe als dessen Träger als Begründung herangezogen hatten.
Die Angeklagten hätten es jedenfalls auch für möglich gehalten, dass die im Rahmen der richterlichen Vernehmung ihnen genannten Personen schwere Straftaten begangen hatten, nämlich die Körperverletzung von Stadionbesuchern. Sie seien zu Beginn der Vernehmung darauf hingewiesen worden, dass sie zur Aussage verpflichtet sind. Den Sozialarbeitern sei auch bewusst gewesen, dass sie kein Aussageverweigerungsrecht wegen der Gefahr einer möglichen eigenen Strafverfolgung hatten, ebenso wenig wie ein Zeugnisverweigerungsrecht.
Sie sahen es jedenfalls betreffend eines Teils der gestellten Fragen als sichere Folge ihrer Aussageverweigerung an, dass es zu einer Strafvereitelung komme. Lediglich hinsichtlich dreier später durch die Staatsanwaltschaft eingestellter Ermittlungsverfahren gegen Security-Mitarbeiter hat sich nach Auffassung des Gerichts der Vorwurf der versuchten Strafvereitelung nicht bestätigt.
Kritik an geltendem Recht wächst
Die Verurteilung stößt auf breite Kritik, insbesondere von Fanorganisationen und dem Träger des Fanprojekts. Die angeklagten Fanprojekt-Mitarbeiter haben zudem ein breites Bündnis aus mehreren Verbänden, Gewerkschaften und Vereinen auf ihrer Seite. Gemeinsam fordern diese ein Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter und damit eine Reform des derzeit geltenden Rechts. Diese argumentieren, dass ein Vertrauensverhältnis für die Sozialarbeit im Fanprojekt unerlässlich sei und durch das Urteil nachhaltig beschädigt würde. Nur ein Zeugnisverweigerungsrecht würde ihnen die notwendige Rechtssicherheit bei ihrer Arbeit mit Randgruppen und Risikoklientel geben. Kritiker sehen hierin auch eine Grundsatzfrage über die Rolle und das Verständnis der Sozialarbeit im Spannungsfeld zwischen Behörden und Sozialprojekten.
Die Bundesregierung hatte sich indes im vergangenen Jahr auf eine kleine Anfrage der Linken im Bundestag gegen ein Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter ausgesprochen. Um Straftaten effektiv verfolgen zu können, müsse der Kreis der Zeugnisverweigerungsberechtigten auf das unbedingt erforderliche Maß begrenzt werden und verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Das Urteil verdeutlicht die teils komplexen rechtlichen Herausforderungen für Mitarbeiter u.a. in Sozialen Diensten, die zwischen Vertrauensschutz und gesetzlichen Pflichten stehen. Ob das Urteil Bestand haben wird, bleibt offen, da die Verteidigung Rechtsmittel angekündigt hat, um eine gerichtliche Überprüfung des Zeugnisverweigerungsrechts in der Sozialarbeit herbeizuführen. Der Fall wird somit auch noch das Landgericht beschäftigen.