Unternehmen sind in Deutschland dazu verpflichtet, eine bestimmte Quote ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Halten sich Unternehmen nicht daran, müssen sie eine sogenannte Ausgleichsabgabe entrichten. Doch zum Jahreswechsel sind die Ausgleichsabgaben für Unternehmen, die dieser Beschäftigungspflicht nicht nachkommen, gestiegen.
Damit Menschen mit Behinderung ein besserer Einstieg ins Arbeitsleben ermöglicht wird, sollen Unternehmen in Deutschland eigentlich eine bestimmte Quote ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen. Halten sie sich nicht daran, müssen sie eine sogenannte Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe gem. § 160 Sozialgesetzbuch (SGB) IX an das zuständige Integrationsamt entrichten. Die Abgabe soll Arbeitgeber dazu motivieren, Menschen mit Schwerbehinderung einzustellen.
Zum 1. Januar 2024 wurde mit dem Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes die Ausgleichsabgabe erhöht. Diese Maßnahme soll als Anreiz dienen, die Inklusion von Menschen mit Behinderung im Berufsleben zu fördern und die Schaffung barrierefreier Arbeitsplätze zu intensivieren. In diesem Beitrag klären wir darüber auf, was Unternehmen zu beachten haben und was seit diesem Jahr gilt.
Soll hängt von Unternehmensgröße ab
Halten sich Unternehmen nicht an die neuen Regeln, kann es teuer werden: Bis Ende 2023 lag die Abgabe bei 360 Euro bei einer Quote von unter zwei Prozent an Beschäftigten mit Behinderung. Nun kann es deutlich teurer werden. Neu wurde nämlich eingeführt, dass 720 Euro bei einer jahresdurchschnittliche Beschäftigungsquote von null Prozent fällig werden. Die Höhe der Abgabe ist allerdings danach gestaffelt, um wie viel der reale Anteil schwerbehinderter Beschäftigter vom Soll abweicht. Das Soll hängt von der Größe des Unternehmens ab: Unternehmen mit 20 – 39 Beschäftigten müssen einen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten, bis 59 Beschäftigte zwei. Ab 60 Mitarbeitende muss die Quote solcher Arbeitsplätze bei mindestens fünf Prozent liegen. Die Quote ist nun wie folgt gestaffelt: 140 Euro an Abgabe fallen bei einer Beschäftigungsquote von mehr als drei aber weniger als fünf Prozent an. 245 Euro werden bei einer Quote von zwei bis drei Prozent fällig und 360 Euro bei einer Quote von mehr als null aber unter zwei Prozent. Das Maximum von 720 Euro gilt bei null Beschäftigten mit Behinderung.
Die erhöhte Ausgleichsabgabe sollten Unternehmen also ernst nehmen, um Zahlungen zu vermeiden. Die Maßnahme stellt einen finanziellen Anreiz für Unternehmen dar, sich verstärkt für die Integration von Menschen mit Behinderung einzusetzen. So wird die Arbeitswelt für Menschen mit Behinderung zugänglicher gemacht. Es ist also nicht menschlich, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll für Unternehmen, Menschen mit einer Behinderung einzustellen. Sollten Unternehmen die Quote noch nicht erreicht haben, empfiehlt es sich beispielsweise, zielgerichtete Stellenanzeigen zu schreiben, sodass sich Menschen mit Behinderung für die ausgeschriebene Stelle auch direkt angesprochen fühlen. Außerdem sollten Unternehmen sich entsprechend auf Vorstellungsgespräche vorbereiten und sicherstellen, dass der Zugang barrierefrei ist.
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Schlupfloch AGG-Hopping
Diese Maßnahme ist nicht die einzige, mit der unter anderem Menschen mit einer Behinderung vor Diskriminierung im Arbeitsumfeld geschützt werden sollen. Im Jahr 2006 trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Deutschland in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es, Diskriminierungen zu verhindern oder zu beseitigen. Nach § 1 AGG sind davon auch Diskriminierungen wegen Behinderung umfasst – aber auch solche wegen des Geschlechts, der ethnischen Herkunft oder des Alters.
Dass das AGG Diskriminierungen verhindern will, haben sich nach der Einführung jedoch manche zu Nutzen gemacht. Mit Einführung des AGG bot sich ein Schlupfloch, das es zuließ, das Gesetz mit seinen eigenen Waffen zu schlagen: Die Rede ist vom AGG-Hopping. AGG-Hopping bedeutet, dass sich Menschen gezielt auf Stellen bewerben, bei denen sie wegen einer Diskriminierung abgelehnt werden, um einen Schadenersatzanspruch geltend machen zu können.
Grundsätzlich liegt es natürlich in der Entscheidungsmacht der Unternehmen, wen sie einstellen und wen nicht. Anders sieht das aber aus, wenn durch die Ablehnung einer Bewerbung gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, also das AGG, verstoßen wird. § 7 AGG regelt diesbezüglich ein Benachteiligungsverbot. § 7 verweist auf § 1 AGG, der die Benachteiligungsverbote aufzählt.
So wird sichergestellt, dass Benachteiligungen aufgrund gewisser Merkmale vermieden werden. Beispielsweise wegen des Merkmals „Geschlecht“. Wenn ein Unternehmen also in einer Stellenausschreibung nur nach Sekretärinnen sucht und damit andere Geschlechter ausschließen würden, dann würde dieses Unternehmen gegen § 7 AGG verstoßen.
Solche Stellenausschreibungen sind gefundenes Fressen für AGG-Hopper: Sie bewerben sich nämlich auf diese Positionen und behaupten, dass sie wegen beispielsweise ihres Geschlechts von einer Stelle ausgeschlossen worden wären. Also berufen sie sich auf § 15 AGG und klagen auf Schadenersatz. Abs. 1 schreibt, dass bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ein Schadensersatzanspruch begründet wird. Nach Abs. 2 können sich auch Bewerber auf einen solchen Anspruch berufen.
Jura-Student scheitert mit AGG-Hopping
Und genau dieses Schlupfloch wollte ein Jura-Student nun nutzen. Der Student bewarbt sich auf eine Stelle als „Bürokauffrau/Sekretärin“ in einer 170 km entfernten Stadt. Allerdings ging er in seinem Anschreiben kaum auf die Anforderungen der Stelle ein und erklärte lediglich, sieben Jahre Berufserfahrung in dem Bereich und eine abgeschlossene Ausbildung als Industriekaufmann zu haben – Belege dafür (beispielsweise Zeugnisse) lieferte er nie. Außerdem enthielt sein Anschreiben Rechtsschreib- und Grammatikfehler, die ihn als Bürokraft sofort disqualifizierten.
Nach seiner Ablehnung verklagte der Student die ausschreibende Firma vor dem ArbG Dortmund auf eine Entschädigung wegen Diskriminierung als Mann. Während des Verfahrens kam heraus, dass er bundesweit bereits eine Vielzahl gleicher Verfahren angestrengt hatte. Sowohl das ArbG als nun auch das LAG Hamm (Urt. v. 05.12.2023, Az. 6 Sa 896/23) wiesen seine Klage als rechtsmissbräuchlich ab. Im Februar berichteten wir bereits ausführlich über diesen Fall. Wer es mit dem AGG-Hopping übertreibt, der muss wohl damit rechnen, dass die Klagen fehlschlagen.
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