Für Arbeitnehmer sind Fortbildungen in der heutigen Zeit von enormer Bedeutung. Und Arbeitgeber investieren gerne in die Entwicklung ihrer Arbeitnehmer, wenn sich Arbeitnehmer im Gegenzug bereit erklären, ihr Arbeitsverhältnis in einer bestimmten Zeitspanne nach Abschluss der Weiterbildung nicht zu beenden. Kündigt der Arbeitnehmer dennoch, so soll er die Kosten für die betriebliche Weiterbildung übernehmen oder sich zumindest anteilig daran beteiligen. Das BAG hat sich nun einmal mehr mit der Materie auseinandergesetzt und aufgezeigt, dass eine wirksame Vertragsgestaltung durchaus seine Tücken hat.

Arbeitgeber können Fortbildungskosten nicht vom Arbeitnehmer zurückverlangen, sofern die Rückzahlungsklausel im Fortbildungsvertrag den Fall einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers wegen unverschuldeter, dauerhafter Leistungsunfähigkeit nicht ausschließt. Eine Rückzahlungsklausel, die eine solche Vertragsbedingung nicht ausschließt, stelle eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 01. März 2022 (Az. 9 AZR 260/21) entschieden.

Die beklagte Arbeitnehmerin war von Juni 2017 bis Januar 2020 als Altenpflegerin in einer Reha-Klinik beschäftigt. 2019 schlossen Arbeitnehmerin und Arbeitgeber einen Fortbildungsvertrag, dem zufolge die Arbeitnehmerin im Zeitraum von Juni bis Dezember 2019 an 18 Arbeitstagen an einer Fortbildung zum „Fachtherapeut Wunde ICW“ teilnehmen sollte. Für die Dauer der Fortbildung wurde die Arbeitnehmerin bezahlt freigestellt.

Der mit dem Arbeitgeber geschlossene Fortbildungsvertrag regelte die Pflicht des Arbeitgebers die Kosten der Fortbildung zu übernehmen sowie eine Verpflichtung der Arbeitnehmerin sich nach dem Ende der Fortbildung für mindestens 6 Monate an den Arbeitgeber zu binden. Ebenso wurde im Fortbildungsvertrag in bestimmten Fällen eine Rückzahlungsverpflichtung für die Arbeitnehmerin bestimmt. So etwa unter anderem im Falle einer von der Arbeitnehmerin erklärten Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus einem nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund.

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Die Arbeitnehmerin schloss die Fortbildung am 03. Dezember 2019 ab, kündigte jedoch bereits mit Schreiben vom 29. November 2019 das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber forderte eine anteilige Rückzahlung der Fortbildungskosten in Höhe von 2726,68 €. Die Arbeitnehmerin verweigerte die Rückzahlung. Die Klage des Arbeitgebers wurde vom Arbeitsgericht Würzburg abgewiesen (ArbG Würzburg, 8.9.2020, Az. 9 Ca 220/20). Die entsprechende Berufung wurde ebenfalls vom LAG Nürnberg zurückgewiesen (LAG Nürnberg, 26.3.2021, Az. 8 Sa 412/20). Die Revision blieb ebenfalls erfolglos.

Eigenkündigung wegen unverschuldeter Leistungsunfähigkeit:

Grundsätzlich sind Rückzahlungsvereinbarungen über Fortbildungskosten zulässig. Im Einzelfall sind jedoch die genauen Formulierungen im Vertrag entscheidend, denn diese können den Arbeitnehmer unter Umständen unangemessen benachteiligen. Die im Fortbildungsvertrag getroffenen Abreden zur Rückzahlungspflicht, sind Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB.

Problematisch war im vorliegenden Fall, dass die betreffende Rückzahlungsklausel des Fortbildungsvertrages sämtliche Eigenkündigungen des Arbeitnehmers umfasste, die nicht auf einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund beruhten. Dies bedeutete, dass auch die Fälle erfasst waren, in denen der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage war die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

Unangemessene Benachteiligung i.S.d. § § 307 Abs. 1 BGB:

Wird eine Rückzahlungspflicht an das Ausscheiden wegen Eigenkündigung der Arbeitnehmerin vor Ablauf der Bindungsdauer geknüpft, stellt dies eine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmerin dar. Die Regelung hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht stand.

Unangemessen ist nach dem BAG jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Das Interesse der Arbeitnehmerin an ihrer arbeitsplatzbezogenen Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG) und das Interesse des Arbeitgebers an der Nutzbarmachung einer finanzierten Ausbildung für seinen Betrieb sind wechselseitig zu berücksichtigen. Die Anknüpfung der Zahlungspflicht an eine Kündigung durch die Arbeitnehmerin, kann eine Beschränkung des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG darstellen. Die erworbene Fortbildung kann die Beschränkung auch nicht ausgleichen: Die Arbeitnehmerin konnte die durch die Fortbildung erworbene Qualifikation aus gesundheitlichen Gründen nicht nutzen bzw. das Erlernte nicht einsetzen. Sie blieb weiterhin unverschuldet leistungsunfähig.

Differenzierung erforderlich:

Erforderlich sei somit eine Differenzierung nach dem jeweiligen Grund des Ausscheidens. Ist die Arbeitnehmerin unverschuldet, dauerhaft nicht zur Erbringungen der geschuldeten Arbeitsleistung in der Lage, muss sie die Möglichkeit haben sich vom Arbeitsverhältnis zu lösen, ohne einer Rückzahlungsverpflichtung ausgesetzt zu sein. Die Bindung an ein „sinnentleertes“ Arbeitsverhältnis sei nicht zu rechtfertigen.

Dass eine finanzielle Investition in die Fortbildung eines Arbeitnehmers aufgrund unverschuldeter dauerhafter Leistungsunfähigkeit sich nicht amortisiert, gehöre zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers.

Bedeutung für die Praxis:

Für die Praxis bedeutet dies, dass Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen so umformuliert werden müssen, dass eine Rückzahlungspflicht entfällt, sofern eine personenbedingte Eigenkündigung auf nicht vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen beruht. Die Aufnahme einer solchen Ausnahmeregelung ist dem Arbeitgeber möglich und auch zumutbar. Fehlt eine solche, hat dies die Unwirksamkeit der gesamten Klausel und damit auch der Rückzahlungsverpflichtung zur Folge. Es kommt dann nicht darauf an, ob im konkreten Fall tatsächlich eine unverschuldete Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers vorlag. Die Klausel ist auch dann unwirksam, wenn die Kündigung auf anderen Gründen beruht.

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