Nach Überzeugung des BAG haben Teilzeitkräfte Anspruch auf Überstundenzuschläge – und zwar genauso wie Vollzeitbeschäftigte. Dieser Anspruch gelte bereits ab der ersten Überstunde.
Teilzeitbeschäftigte haben ab der ersten Überstunde den gleichen Anspruch auf Zuschläge wie ihre vollzeitbeschäftigten Kollegen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. Teilzeitbeschäftigte dürfen bei Überstundenzuschlägen damit nicht mehr schlechter behandelt werden als Vollzeitbeschäftigte. Eine Ausnahme sei nur dann zulässig, wenn sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würdigen, so das BAG (BAG, Urteil vom 05.12.2024, Az. 8 AZR 370/20).
Pflegekraft klagte gegen Regelung zum Überstundenzuschlag
Hintergrund des Verfahrens ist der Fall einer Pflegekraft, die bei einem ambulanten Dialyseanbieter in Teilzeit mit einem Arbeitsumfang von 40 Prozent eines Vollzeitbeschäftigten arbeitete. Ihr Arbeitsverhältnis unterlag dem Manteltarifvertrag (MTV), der unter anderem festlegte, dass für Überstunden nur dann ein Zuschlag gezahlt wird, wenn die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten wird.
Aufgrund der tariflichen Regelung erhielt die Teilzeitbeschäftigte jedoch weder einen Überstundenzuschlag noch eine Zeitgutschrift für ihr Arbeitszeitguthaben von mehr als 129 Stunden. Sie klagte daraufhin auf eine entsprechende Zeitgutschrift und verlangte zudem eine Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung sowie ihres Geschlechts, da in der Gruppe der Teilzeitbeschäftigten beim Arbeitgeber überwiegend Frauen tätig waren.
Regelung benachteilige Teilzeitbeschäftigte
Das Arbeitsgericht wies die Klage zunächst ab. Im Berufungsverfahren hatte das Hessische Landesarbeitsgericht ihr sodann die Zeitgutschrift zuerkannt, jedoch die Entschädigungsforderung abgewiesen (Urteil vom 19. Dezember 2019, AZ. 5 Sa 436/19). Das Verfahren wurde daraufhin an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergeleitet, um Fragen zur Auslegung des Unionsrechts zu klären. Der EuGH entschied am 29. Juli 2024, dass die fragliche tarifvertragliche Regelung gegen das Unionsrecht verstoße, da sie Teilzeitbeschäftigte unzulässig benachteilige (EuGH, Urteil vom 29. Juli 2024, Rechtssache C-184/22 und C-185/22 [KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation eV]).
Das BAG folgte den Vorgaben des EuGH und entschied, dass die Regelung des MTV zur Überstundenvergütung in der vorliegenden Form nicht mit dem Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten vereinbar sei. Die Regelung benachteilige Teilzeitkräfte, da diese, obwohl sie ebenfalls Überstunden leisten, keinen anteiligen Überstundenzuschlag erhielten.
Damit stellte das BAG deutlich klar, dass tarifliche Regelungen, nach denen Teilzeit-Arbeitnehmer erst dann Mehrarbeitszuschläge bekommen, wenn sie mit der Zahl der erbrachten Überstunden die Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten überschritten haben, gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung konnten die Erfurter Richter nicht erkennen. Das BAG entschied daher, dass der Anspruch der Pflegekraft auf die zusätzliche Zeitgutschrift gerechtfertigt sei.
Zusätzlich erkannte das BAG eine mittelbare Benachteiligung der Frau aufgrund ihres Geschlechts an, da in der Gruppe der Teilzeitbeschäftigten des Arbeitgebers überwiegend Frauen tätig waren. Das BAG setzte daher eine Entschädigung in Höhe von 250 Euro fest. Dieser Betrag sei erforderlich, aber auch ausreichend, um sowohl den immateriellen Schaden der Pflegekraft auszugleichen als auch eine abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu entfalten.
Das BAG hatte am gleichen Tag auch eine weitgehend parallel gelagerte Rechtssache (Az. 8 AZR 372/20) entschieden und der dortigen Klägerin ebenfalls die verlangte Zeitgutschrift und eine Entschädigung in Höhe von 250,00 Euro zugesprochen.