Nach einer vermeintlichen Bedrohungssituation an einem Probierstand hatte das LAG Schleswig-Holstein die Frage zu klären, ob das Schwenken eines Filetiermessers Grund zur fristlosen Kündigung sein kann. Das Gericht gebot Vorsicht am Arbeitsplatz, eine außerordentliche Kündigung sei aber trotzdem nicht immer gerechtfertigt.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hat eine außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigung für unwirksam erklärt, da das Hantieren mit einem scharfen Filetiermesser weder als eine Bedrohung eingestuft werden könne, noch der unsachgemäße Gebrauch eine Kündigung ohne vorherige einschlägige Abmahnung rechtfertige (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.07.2023, Az. 5 Sa 5/23).

Hintergrund des Verfahrens ist der Fall eines 29-jähriger Mitarbeiters, der bei einem Unternehmen eigentlich als Industriemechaniker beschäftigt war. Am 1. Juni 2022 arbeitete er mit einer Mitarbeiterin und einem Mitarbeiter ausnahmsweise an einem Probierstand. Zwischen ihm und seinem Arbeitgeber wird seither darum gestritten, was dort vorfiel. Der Arbeitgeber warf dem Mann vor, er habe der Mitarbeiterin ein Filetiermesser mit einer Klingenlänge von 20 cm mit einem Abstand von 10 bis 20 cm an den Hals gehalten und damit deren Leib und Leben bedroht. Nach erteiltem Hausverbot, Beurlaubung durch den Arbeitgeber und Anhörung durch den Betriebsrat, hatte der Arbeitgeber ihm am 14. Juli 2022 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. Oktober 2022 gekündigt.

Dagegen wandte sich der Mann zunächst vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Lübeck und in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein, die ihm beide Recht gaben. Laut den Gerichten träfe ihn zwar eine besondere Vorsichtspflicht, doch weder die fristlose noch die ordentliche Kündigung seien deshalb wirksam gewesen.

Drohung nicht immer ein Kündigungsgrund

Die Kündigungsschutzklage des Mannes war in zwei Instanzen erfolgreich. Sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung sind unwirksam. Es fehle, so das LAG an einem hinreichenden Kündigungsgrund. Zwar komme eine ernstliche Drohung des Arbeitnehmers mit Gefahren für Leib oder Leben u.a. von Arbeitskollegen als „an sich“ als wichtiger Grund für eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung in Betracht. Dies setze aber voraus, dass der Arbeitnehmer mit dem Willen handele, dass der Kollege die Drohung zur Kenntnis nehme und als ernst gemeint auffasse.

Selbst den Vortrag des Arbeitnehmers als zutreffend unterstellt, könne jedoch nicht auf einen bedingten Vorsatz bei dem Industriemechaniker geschlossen werden, so das LAG. Vielmehr sei es auch möglich, dass er das Messer schlicht in der rechten Hand haltend sich mit dem Oberkörper zur Mitarbeiterin gedreht habe und bei dieser Drehbewegung dessen rechte Hand mit dem Messer nahe an deren Hals gelangt sei.

Die Kündigungen könnten aber auch nicht darauf gestützt werden, dass er allein durch das Hantieren mit dem Messer Leib und Leben der Mitarbeiterin objektiv und fahrlässig gefährdet habe. Der unsachgemäße Umgang mit einem Messer stelle zwar eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Diese hätte nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz den Ausspruch einer fristlosen oder fristgerechten Kündigung nur gerechtfertigt, wenn er zuvor wegen einer ähnlichen Pflichtverletzung abgemahnt worden wäre. Insbesondere stehe auch nach dem Vortrag des Arbeitnehmers nicht zur Überzeugung des LAG fest, dass er das Messer bewusst und aktiv an den Hals der Mitarbeiterin gehalten habe.

Das LAG verneinte somit in zweiter Instanz sowohl eine Tat als auch ein Verdachtskündigung. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Sachverhalt stets genau aufklären

Das Urteil veranschaulicht, wie kompliziert oftmals die Ermittlung des Sachverhalts durch Arbeitgeber sein kann. Unklarheiten bei der Aufklärung des genauen Sachverhalts gehen – wie hier – meist zu Lasten des kündigenden Arbeitgebers. Sofern dieser den Sachverhalt nicht restlos aufklären kann, muss er sich im jeweiligen Fall entscheiden, ob er eine (fristlose) Kündigung riskiert oder unter Umständen doch „nur“ eine Abmahnung ausspricht. Hier lohnt es sich, zuvor rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

tsp