Dass sich der folgende Fall tatsächlich so zugetragen hat, ist kaum zu glauben: Aus Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit hatte ein Arbeitgeber einen erkrankten Arbeitnehmer auf dessen Privatgrundstück heimlich durch ein Loch in der Hecke filmen lassen. In einem aktuellen Urteil stellte das LAG Nürnberg fest, dass die auf diese Weise entstandenen Filmaufnahmen im Kündigungsschutzprozess nicht verwertet werden dürfen. Eine Verwertung sei nur dann zulässig, wenn hinreichende Verdachtsmomente für eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit vorliegen.
Der mit einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Kläger war seit 23 Jahren als Betontechnologe bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Seit November 2020 war er, mit Ausnahme von einer Woche, durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Da der Arbeitgeber Zweifel an der tatsächlichen Schwere der Erkrankung seines Mitarbeiters hatte, beauftragte er kurzerhand einen Privatdetektiv, der Hinweise auf eine mögliche Arbeitsunfähigkeit suchen sollte. Hierfür filmte der Detektiv den Arbeitnehmer heimlich auf dessen Privatgrundstück – durch ein Loch in der Gartenhecke. Dabei dokumentierte er tatsächlich, wie der vermeintlich kranke Mitarbeiter stundenlang schwere körperliche Arbeiten beim Bau einer Gartenmauer und einer Terrasse ausführte. Infolgedessen kündigte der Arbeitgeber dem Beschäftigten fristlos mit der Begründung der Arbeitnehmer habe sich gesundheitsschädlich verhalten und die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht. Der Arbeitnehmer erhob vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Bamberg Klage in Form eines Kündigungsschutzverfahrens (Urt. v. 10.05.2022, Az. 4 Ca 612/21). Wie schon das ArbG Bamberg, entschied nun auch das zweitinstanzliche Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg zugunsten des Arbeitnehmers und wies die Berufung des Arbeitgebers zurück (Urt. v. 29.11.2022, Az. 1 Sa 250/22).
Verwertungsverbot der Filmaufnahmen
Im Kündigungsschutzverfahren bestritt der Kläger, dass er gesundheitsschädliche schwere körperliche Arbeiten geleistet habe, denn aufgrund seiner Behinderung sei er dazu gar nicht in der Lage gewesen. Er gab jedoch zu, dass er Handlangerdienste verrichtet habe und für etwa 20 Minuten auch einen Zwei-Takt-Stampfer bedient habe. Dies sei lediglich ein Test gewesen, um die Belastungsfähigkeit seiner Schulter zu überprüfen.
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Gemäß dem Urteil des LAG Nürnberg dürfen die Filmaufnahmen nicht verwertet werden. Ebenso erstreckte sich das Beweisverwertungsverbot auf den schriftlichen Bericht der Detektei wie auf das Angebot der Vernehmung der Detektive als Zeugen. Ohne hinreichende Verdachtsmomente dürften Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer nicht heimlich auf ihrem Privatgrundstück filmen lassen. Hinreichende Verdachtsmomente hatte es im konkreten Fall jedoch nicht gegeben, sodass die Aufnahmen einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre darstellten. Das LAG machte deutlich, dass Arbeitnehmer grundsätzlich auch erwarten dürfen, dass solch eingriffsintensive Maßnahmen seitens des Arbeitgebers nicht ohne einen konkreten Verdacht einer Straftat oder einer schweren Pflichtverletzung ergriffen werden.
Im konkreten Fall durften die eigenen Aussagen des Arbeitnehmers zu den Gartenbauarbeiten jedoch berücksichtigt werden. Diese würden dennoch keine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen. Da eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers aufgrund der „feindseligen Haltung des Arbeitgebers“ nicht mehr möglich sei, löste das Gericht das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Klägers jedoch auf. Der Arbeitgeber wurde zu einer Zahlung von 35.000 € verpflichtet.
Wann ist die Verarbeitung von Videoaufnahmen doch zulässig?
Grundsätzlich dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet und genutzt werden, soweit dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Dies ergibt sich aus § 26 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Der Knackpunkt ist hier in der Regel das Wort „erforderlich“. Dies bedeutet, dass die zu legitimierende Datenverarbeitung nicht nur der Begründung, Durchführung und Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen dienen muss, sondern auch das mildeste Mittel darstellen muss, um diese Zwecke zu erfüllen. Kurz: Übermäßige Belastungen des Arbeitnehmers sind in jedem Fall zu vermeiden. Eine Überwachung „ins Blaue hinein“ oder wegen des Verdachts bloß geringfügiger Verstöße ist aufgrund des starken Eingriffs in die Privatsphäre daher jedenfalls nicht zulässig und, so wie hier, nicht für die Beendigung erforderlich.
ezo