Wenn Banken Verbrauchern Kredite gewähren, müssen sie jegliche Änderungen klar und transparent darstellen und ihrer Informationspflicht nachkommen. Tun sie dies nicht, so kann die Bank ihren Zinsanspruch verlieren. Dies hat der EuGH entschieden.

Banken müssen bei Kreditverträgen mit Verbrauchern den effektiven Jahreszins und darüber hinaus alle Änderungen der Vertragsdurchführungen klar und prägnant angeben. Das entschied nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) und stellte klar, dass Banken sogar den Zinsanspruch verlieren können, wenn sie gegen diese Pflicht verstoßen (Urt. v. 13.02.2025, Az. C-472/23).

Hintergrund des Verfahrens vor dem EuGH ist ein Fall aus Polen. Ein polnischer Verbraucher hatte mit einer Bank einen Kreditvertrag über 40.000 polnische Zloty (PLN) abgeschlossen (etwa 9.600 Euro). Zusätzlich zum Kreditbetrag fielen weitere Kosten von rund 25.000 PLN an, die sich aus Zinsen und einer Provision zusammensetzten. Der effektive Jahreszins wurde auf 11,18 Prozent festgelegt.

Der Vertrag sah darüber hinaus vor, dass die Bank Gebühren für bestimmte Verwaltungsaufgaben und Vertragsänderungen erheben könne. Diese Entgelttarife konnten laut Vertrag angepasst werden, sofern bestimmte Bedingungen eintreten würden. Aus dem Vertrag ging hervor, dass die Bank Zinsen nicht nur auf den ausgezahlten Kreditbetrag, sondern auch auf die Gesamtkosten des Kredits berechnet und erhoben hatte. Wären die Zinsen ausschließlich auf den ursprünglichen Kreditbetrag erhoben worden, wäre der effektive Jahreszins niedriger ausgefallen als im Vertrag angegeben.

Vor diesem Hintergrund trat der Mann aus Polen seine Rechte aus dem Kreditvertrag an das Inkassounternehmen Lexitor ab. Dadurch übernahm Lexitor sämtliche potenziellen Ansprüche, die der Mann gegenüber der Bank hatte. Das Unternehmen forderte von der Bank sodann eine Zahlung in Höhe von 12.905,80 PLN zuzüglich gesetzlicher Zinsen, die als Erstattung für zu viel gezahlte Kosten und Zinsen im Zusammenhang mit dem Verbraucherkredit angefallen sein sollten.

Soforthilfe vom Anwalt

Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.

Verstoß gegen Informationspflichten aus Verbraucherkreditgesetz?

Lexitor argumentierte damit, dass die Bank gegen ihre Informationspflichten verstoßen habe, was dem Verbraucher zum Nachteil gereicht habe. Der Mann habe letztlich mehr gezahlt, als er es hätte erkennen können, da ihm wesentliche Informationen nicht ausreichend transparent offengelegt worden seien. Lexitor vertrat die Auffassung, dass die Bank bei Vertragsabschluss gegen gesetzliche Informationspflichten verstoßen habe – insbesondere gegen Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe g der Richtlinie 2008/48/EG. Die Begründung hierfür: Die Bank hätte nicht nur auf den ausgezahlten Kreditbetrag, sondern auch auf die zusätzlichen Kreditkosten Zinsen berechnet. Dadurch sei der zu zahlende Gesamtbetrag verfälscht worden.

Zudem habe die Bank nicht klar angegeben, unter welchen Bedingungen die Entgelte für den Kreditvertrag erhöht werden dürfen. Dieser Umstand stelle einen weiteren Verstoß dar, nämlich gegen Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe k der Richtlinie 2008/48/EG. Das polnische Gericht war allerdings unsicher, ob die von Lexitor gerügten Verstöße der Bank – insbesondere gegen die Informationspflichten und das Verbot missbräuchlicher Klauseln – tatsächlich so schwerwiegend seien, dass der Kreditvertrag als unentgeltlich betrachtet werden müsse, also ohne Zinsen und zusätzliche Kosten.

Außerdem stellte sich die Frage, ob eine derart strenge Sanktion überhaupt verhältnismäßig wäre. Um eine verbindliche Klärung zu erhalten, wandte sich das Gericht mit einem Vorabentscheidungsersuchen daher zunächst an den EuGH.

Die polnischen Richter wollten wissen, ob die Bank tatsächlich gegen die im EU-Recht vorgeschriebenen Informationspflichten verstoßen habe und ob es rechtmäßig wäre, ihr in diesem Fall den Anspruch auf Zinsen und weitere Kosten vollständig zu entziehen.

Der EuGH hat diese Fragen nun geprüft und auf Grundlage von Artikel 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) beantwortet.

Effektiver Jahreszins muss bei Vertragsabschluss klar angegeben sein

Dabei stellte der EuGH zunächst klar, dass der effektive Jahreszins bei Abschluss eines Kreditvertrags klar und prägnant angegeben werden müsse. Allerdings basiere die Berechnung auf der Annahme, dass der Vertrag für die vereinbarte Laufzeit gültig bleibe. Daher würde kein Verstoß gegen die Informationspflicht vorliegen, nur weil der angegebene effektive Jahreszins nachträglich als zu hoch erscheine, da bestimmte Vertragsklauseln missbräuchlich seien.

Jedoch betonte der EuGH auch, dass die Bedingungen für Gebührenänderungen in Kreditverträgen verständlich und nachvollziehbar sein müssten. Falls eine Bank Gebührenänderungen an Faktoren knüpfen wolle, die für Verbraucher schwer zu überprüfen seien, könne dies einen Verstoß gegen die Informationspflichten darstellen. Denn wenn ein Durchschnittsverbraucher nicht nachvollziehen könne, ob eine Änderungsklausel greife und welche Auswirkungen sie auf seine Zahlungen hätten, sei er nicht in der Lage, den Umfang seiner finanziellen Verpflichtungen genau einzuschätzen. Ob dieser Umstand im verhandelten polnischen Fall tatsächlich zutreffe, müsse nun das polnische Gericht prüfen.

Möglicher Zinsverlust der Bank mit EU-Recht vereinbar

Der EuGH entschied zudem, dass eine Bank ihren Anspruch auf Zinsen und Kosten verlieren könne, wenn diese gegen die Informationspflichten verstoßen und dadurch den Verbraucher daran hindere, den Umfang seiner finanziellen Verpflichtungen richtig einzuschätzen. Unabhängig von der Prüfung, die das polnische Gericht nun noch durchführen muss, hält der EuGH eine solche Sanktion für europarechtskonform. Zwar könne die Schwere des Verstoßes und die daraus resultierenden Folgen für den Verbraucher von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen, doch grundsätzlich sei ein Verlust der Zins- und Kostenansprüche als mögliche Konsequenz gerechtfertigt.

agr/tsp