Im Streit um hohe Kosten beim vorzeitigen Ausstieg aus einem Immobilienkredit hat der BGH nun ein OLG-Urteil aus dem Vorjahr bestätigt. Damit stärken die Richter die Rechte der Bankkunden, denn die aufgerufene sog. Vorfälligkeitsentschädigung ist in vielen Fällen zu hoch. Allein bei der Commerzbank sind in etwa 95.000 Kreditverträge betroffen.
Der vorzeitige Ausstieg aus einem Immobilienkredit ist für die Darlehensnehmer regelmäßig mit hohen Kosten verbunden. Deren Berechnung jedoch muss von den Banken „klar, prägnant, verständlich und genau“ dargestellt werden. Dies hatte zunächst das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. im vergangenen Jahr 2020 entschieden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit seinem Urteil (Az. XI ZR 320/20) vom 28. Juni 2021 diesem Fazit angeschlossen und die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung für die frühzeitige Beendigung eines Verbraucherdarlehensvertrages für unzulässig erklärt. Damit wies der BGH die Revision der Commerzbank AG zurück und eröffnet zig Tausenden Verbrauchern die Chance auf eine hohe Rückforderung.
Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist- man muss es so sagen- teils so komplex, dass sogar die Institute selbst daran scheitern, ihren Informationspflichten zu dieser Entschädigungsforderung nachzukommen. Wenn Banken ihrer Informationspflicht über die Berechnung jedoch nicht vollumfänglich nachkommen, so geht dies auch zu ihren Lasten.
Commerzbank kassiert Niederlage- auch andere Banken betroffen
In dem konkreten Fall forderten die Kläger die Rückzahlung einer im Zuge der vorzeitigen Beendigung eines Verbraucherkreditvertrages gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung. Die Kläger schlossen als Verbraucher mit dem beklagten Kreditinstitut, der Commerzbank, im November 2016 zwei schriftliche Immobiliendarlehensverträge in Höhe von 245.520 Euro und 50.000 Euro. In dem konkreten Fall sollte der Kreditnehmer für die Ablösung der zwei Darlehen satte 21.500 Euro an die Commerzbank zahlen. Mit einer solchen Entschädigung sichern sich Banken wie die Commerzbank – vereinfacht gesagt – einen Ausgleich dafür, dass ihnen im Fall einer vorzeitigen Kündigung eines Kreditvertrages Zinseinnahmen entgehen.
Die Frankfurter Richter gaben daraufhin der Klage der Darlehensnehmer statt und stärkten die Rechte der Verbraucher. Gegen dieses verbraucherfreundliche Urteil wollte sich die Commerzbank wehren. So hatte sie kurz nach dem Urteil im Juni 2020 direkt angekündigt, vor dem BGH eine Nichtzulassungsbeschwerde einzureichen. Grund dafür war, dass das OLG die Revision nicht zuließ. Der BGH jedoch sah keinen Grund für eine weitere Auseinandersetzung in der Sache und wies die Beschwerde der Commerzbank zurück.
Für Verbraucher ist das Urteil grandios. Schließlich bestehen jetzt sehr gute Erfolgsaussichten, um Vorfälligkeitsentschädigungen zurückzufordern. Unsere Kanzlei-Auffassung ist hier seit langer Zeit bereits klar: Das Verhalten deutscher Kreditinstitute ist unzulässig. Die Vorfälligkeitsentschädigungen ausgehend von einem negativen Wiederanlagezinssatz zu berechnen und zu fordern führt nämlich im Regelfall dazu, dass das Kreditinstitut eine höhere Vorfälligkeitsentschädigung vereinnahmt als die Summe der noch zu zahlenden Zinsen. Der BGH schloss sich dem Urteil des OLG an und zeigt damit deutlich, dass er eine weitere Klärung der Sache für nicht notwendig erachtet. Für Kreditinstitute wie die Commerzbank ist das Urteil eine schallende Ohrfeige. Wenn Sie eine kostenfreie Erstberatung zu einer Rückforderungsmöglichkeit wünschen, wenden Sie sich gerne an unser erfahrenes Team im Bankrecht.
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Entscheidung des BGH
Zwar sind Vorfälligkeitsentschädigungen nicht grundsätzlich unzulässig, denn eine Bank habe das Recht, „eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden“ zu verlangen, hieß es im Urteil des OLG. Dennoch hat der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde der Commerzbank gegen das Frankfurter OLG-Urteil zurückgewiesen und sich damit der Ansicht der Frankfurter Richter-Kollegen angeschlossen und die Position von schätzungsweise Hunderttausenden Darlehensnehmern gestärkt.
Hinsichtlich der Entscheidungsgründe berief sich der BGH nun auf die Ausführungen der vorinstanzlichen Richter. Bereits das OLG war zu der Auffassung gelangt, dass die Ausführungen der Commerzbank zur Berechnung der Entschädigung in dem strittigen Darlehensvertrag „nicht den gesetzlichen Anforderungen“ genügen. Die Leistung der Vorfälligkeitsentschädigung sei ohne Rechtsgrund erfolgt. Eine Zahlungsverpflichtung habe nicht bestanden (Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Az. 17 U 810/19). So führte das OLG seinerzeit wie folgt aus:
„Die Vertragsangaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sind unzureichend i.S.v. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wenn sie nicht klar und verständlich i.S.v. Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB i.V.m. § 492 Abs. 2 BGB sind (BGH, Urteil vom 5. November 2019, Az. XI ZR 650/18). Maßgeblich ist die Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers (BGH, Beschluss vom 19. März 2019, Az. XI ZR 44/18). Ein solcher Verbraucher war nicht in der Lage, den Angaben in den Allgemeinen Darlehensbedingungen zu entnehmen, wie die Beklagte im Falle der vorzeitigen Rückzahlung die Vorfälligkeitsentschädigung berechnen würde.“
Was bedeutet diese Entscheidung in Zukunft für andere Bankkunden?
Kurz zusammengefasst sind also Verbraucherdarlehensverträge, deren Klauseln bzgl. der Vorfälligkeitsentschädigung schwammig oder für die Verbraucher unverständlich formuliert sind, unzulässig.
Das Urteil des BGH ist nicht nur für Commerzbank-Kunden wegweisend. Vielmehr ist es generell auf Verbraucherdarlehensverträge, die nach dem 22. März 2016 geschlossen wurden, anzuwenden.
Aus diesem Grund kann auch Ihr Vertrag von dieser Rechtsprechung betroffen sein. Zwar haben einige Kreditinstitute ihre Vertragstexte bereits angepasst, dennoch sind auch diese Anpassungen zu großen Teilen weiterhin rechtlich zu beanstanden und angreifbar. Nach unserer Einschätzung gibt es für viele Privatleute die Möglichkeit, eine Vorfälligkeitsentschädigung zu vermeiden. Um dies in Ihrem Fall zu beurteilen, stehen Ihnen unsere Rechtsexperten jederzeit beratend zur Seite.
Was können Sie jetzt tun?
Wenn Sie Ihren Verbraucherdarlehensvertrag nach März 2016 abgeschlossen haben, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Ihr Vertrag von dieser neuen Rechtsprechung betroffen ist und etwaige Vorfälligkeitsentschädigungszahlungen unzulässig sind. Der Gesetzgeber hatte seinerzeit festgeschrieben, dass Banken ihre Kunden gerade auch bei Baufinanzierungen deutlich über die sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung belehren müssen.
Gerne überprüfen wir Ihre Vertragsunterlagen auf die Zulässigkeit dieser Forderungen. So können Sie die Zahlung einer unzulässigen Vorfälligkeitsentschädigung vermeiden oder bereits geleistete Zahlungen von Ihrem Kreditinstitut zurückfordern.