Der Gesetzgeber hängt immer der Realität hinterher? Von wegen! Wenn es um autonomes Fahren geht, ist das deutsche Straßenverkehrsgesetz der Realität um mindestens 3 Jahre voraus. Zukünftig wird es nicht nur technisch möglich, sondern auch erlaubt sein, sein Auto fahren zu lassen und dabei eMails zu schreiben. Nur was, wenn das Auto dabei Fehler macht?

Autonome Autos sind bald auf deutschen Straßen erlaubt – auch wenn es sie erst in frühestens drei Jahren geben wird. Deutschland ist damit eines der ersten Länder weltweit, das hierfür einen Gesetzesrahmen schafft. Der Bundesrat hat bereits am 12. Mai 2017 einem Gesetz der Bundesregierung zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes zugestimmt (BT-Drs. 18/11300 in der geänderten Fassung BT-Drs. 18/11776). Dass der Gesetzgeber damit schneller als die Realität ist, ist schon wirklich eine Seltenheit. Jetzt sind also die Hersteller an der Reihe, der gesetzlichen Realität nachzuziehen und solche selbstfahrenden Autos serienreif fertigen.

Mit den neuen Regelungen wird das menschliche Fahren mit dem Fahren durch einen Computer gleichgesetzt. Hoch- bzw. vollautomatisierte Fahrsysteme dürfen damit künftig die Fahraufgabe selbstständig übernehmen. Allerdings nur „im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung“ – so dürfen Systeme für die Autobahn nicht auf Landstraßen fahren. Auch die Haftungsfragen nach Unfällen wurden in dem neuen Gesetz geregelt. Wenn der Computer gefahren ist, dann haftet am Schluss der Hersteller.

Nur: Für welche Autos gilt das Gesetz überhaupt? Und wer haftet dann bei Unfällen mit teilautonom fahrenden Autos, die es ja jetzt schon gibt?

Vom klassischen Fahrer zum teilautonomen Auto

Bereits jetzt haben viele Autos Fahrsysteme, die bestimmte Funktionen wie etwa Abstandsregelung, das Halten des Tempos oder eine Warnung vor einem Spurwechsel übernehmen. Sie fallen nach dem neuen Gesetz unter „Level 1“ der Automatisierung. Darunter versteht man Assistenzsysteme, die den Fahrer nur unterstützen.

Daneben existieren bereits Autos mit „Level 2“, die sog. teilautomatisierten Systeme. Sie können bereits bestimmte komplexe Funktionen übernehmen: Parkhilfen können Autos mit einer Smartphone-Steuerung quasi autonom in die eigene Garage lenken. Der Fahrer muss aber noch zur Sicherheit einen Finger auf dem Bildschirm haben. Unterbricht der Kontakt, bremst der Wagen automatisch. Und das Elektroauto Tesla Model S verfügt bereits über einen Autopiloten, der das Fahrzeug unter bestimmten Bedingungen autonom über die Straße führen kann. Es ist dabei mit Kameras und Sensoren ausgestattet, die eine Auswertung des Straßenverkehrs in Echtzeit zulassen. Das Auto hält so selbst Geschwindigkeit und Abstand und wechselt eigenständig Spuren. Auch abruptes Abbremsen oder Ausweichmanöver beherrscht das System.

Aber: Die jetzigen Autos, die teilautomatisiert fahren können, sind von der neuen Gesetzesänderung zwar erfasst, doch im Hinblick auf die Pflichten und die Haftung ändert sich nichts. Alles, was bis jetzt auf der Straße fährt, bewegt sich im Rahmen zwischen „Level 0“ (die Menschen fahren selbst) und „Level 2“. Für den Fahrer bedeutet das: Er kann und muss die Systeme überwachen, die Kontrolle behalten und gegebenenfalls jederzeit in das Handeln der Systeme eingreifen bzw. auf Aufforderungen des Systems reagieren können.

Wer haftet bei Unfällen mit teilautomatisierten Autos?

Beim Autofahren gilt zunächst: Der Halter haftet immer, unabhängig davon, wer schuld war. Das ergibt sich aus der Gefährdungshaftung im Straßenverkehrsrecht. Halter ist hierbei derjenige, der das Kfz für einen längeren Zeitraum auf eigene Rechnung gebraucht und über das Auto faktisch verfügt. Deswegen braucht auch jeder Fahrzeughalter eine Haftpflichtversicherung. Kann sich der Fahrzeughalter im Falle eines Schadensereignisses nicht ausnahmsweise auf den – sehr seltenen – Haftungsausschluss der höheren Gewalt berufen, haftet er grundsätzlich für alle Unfallschäden. Auch solche, die auf Grund von Fehlern des Autos oder wegen der falschen Bedienung von softwaregesteuerten Fahrzeug- bzw. teilautonomen Fahrerassistenzsystemen entstehen.

Die Versicherung kann sich aber das Geld ggf. vom Fahrer oder vom Hersteller des automatisierten Fahrzeugsystems zurückholen.

Der Fahrer haftet bei einem Unfall nur für vermutetes Verschulden. Das Gesetz geht also davon aus, dass er Schuld war, er kann diese Vermutung aber entkräften. Gelingt ihm dies nicht, haftet auch er für alle Schäden, die Dritten entstanden sind, also auch für solche, die von softwaregesteuerten Systemen (mit-)verursacht wurden. Im Detail wägen dann die Gerichte ab, wer einen höheren Anteil zahlen muss – der Halter oder der Fahrer.

Daneben gibt es bereits jetzt die allgemeine Produkthaftung des Herstellers. Auch die ist als eine sog. Gefährdungshaftung ausgestaltet. Danach haften Fahrzeughersteller für technische Fehler des Fahrzeugs, wenn durch diese jemand getötet wurde, Körper- oder Gesundheitsverletzungen eingetreten sind oder andere Sachen als das Fahrzeug selbst beschädigt wurden. Dabei kann ein auch für einen Fehler von Zulieferern haften – z.B. in einer verwendeten Software. Dafür muss der Halter, Fahrer oder die Versicherung diesem aber ein Fehler bei der Konstruktion oder Programmierung des Fahrzeuges nachweisen – und das ist nicht so einfach. Schließlich gibt es noch die verschuldensabhängige Produzentenhaftung, die eintritt, wenn der Hersteller z.B. ein Produkt nicht zurückgerufen hat, nachdem Sicherheitsrisiken bekannt geworden sind oder wenn er die Fahrer nicht auf riskante Änderungen durch Software-Updates aufmerksam gemacht hat.

Was ist hoch- und vollautomatisiertes Fahren?

Die Stufen ab „Level 3“, die das Gesetz regelt, sind das hoch- und vollautomatisierter Fahren. Diese Grenze der Automatisierung wird zwar wohl in absehbarer Zeit hergestellt werden – noch gibt es sie aber nicht.

Unter hochautomatisiertes Fahren versteht man Systeme, bei dem der Fahrer sich zeitweise anderen Tätigkeiten zuwenden kann. Das System muss aber durch den Fahrer jederzeit per Hand übersteuerbar oder deaktivierbar sein. Außerdem muss es „rechtzeitig“ mit Ton- oder Lichtsignalen anzeigen, wenn das nötig ist. Experten erwarten solche Fahrzeuge frühestens für 2020 auf dem Markt.

Die Vollautomatisierung, „Level 4“, bei der Fahrer nur noch im Notfall eingreifen muss, wird wohl erst noch später serienreif werden.

Und „Level 5“, das eigentliche autonome Fahren, bei dem Menschen nur noch Passagiere sind, ist bislang ferne Zukunftsmusik. Ganz theoretisch muss man bei ihnen aber nur noch das Ziel eingeben. Es ist kein Eingriff mehr möglich. Hierfür benötigt man dann nicht einmal mehr den Führerschein.

Was darf der Fahrer bei hoch- und vollautonomen Autos tun?

Der Fahrer darf sich dem Gesetz zufolge bei der hoch- und vollautomatisierten Fahrt (Level 3 und 4) vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugführung abwenden. Er darf also die Hände vom Lenker nehmen und kann sogar im Internet surfen, solange er nur weiter am Lenkrad sitzt. All die Ablenkungen durch elektronische, die gerade für herkömmliche Autos verboten wurden, sind für solche Autos explizit erlaubt.

Wichtig ist aber, dass er in der Lage bleibt, jederzeit selbst wieder unverzüglich zu übernehmen. Dies muss er nach dem Gesetz entweder tun, wenn das hoch- oder vollautomatisierte System ihn dazu auffordert. Oder wenn er erkennt oder aufgrund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass er dringend eingreifen muss, weil das vollautomatisierte Fahren nicht mehr reicht – z.B. wenn der Reifen geplatzt ist oder aufgewirbelter Regen die Sensoren stört. Das bedeutet: Man muss noch so „wahrnehmungsbereit“ sein, dass man die meiste Zeit immer noch die Augen auf der Straße hat und schnell reagieren kann.

Wer haftet bei Unfällen, wenn das Auto allein gefahren ist?

An der Halterhaftung ändert sich auch zukünftig grundsätzlich nichts – sie haften weiter im Rahmen der Gefährdungshaftung.

Aber: Bei allen Autos, die mindestens „Level 3“ beherrschen, kann sich die Verkehrshaftpflichtversicherung zukünftig leichter an den Autohersteller wenden. Nämlich dann, wenn der Computer zu Recht allein gefahren ist. Der Fahrer ist in solchen Fällen dann „aus dem Schneider“. Der Fahrer haftet aber z.B. dann, wenn er die Aufforderung des Systems ignoriert hat, wieder das Steuer zu übernehmen.

Daher müssen auch alle Autos, die dieses Level beherrschen, einen Unfalldatenspeicher (Black Box) an Bord haben. So weiß die Polizei hinterher genau, ob zum Zeitpunkt des Unfalls der Fahrer oder der Computer das Auto gelenkt hat und ob der Fahrer zum Eingreifen aufgefordert wurde.

Das Ganze bedeutet natürlich auch: Der Fahrer wird damit permanent überwacht. Daher wird hier der Datenschutz besonders wichtig. Hier war insbesondere die Speicherdauer umstritten und letztlich von drei Jahren auf sechs Monate verkürzt. Verbraucherschützer sind damit aber immer noch nicht zufrieden. Außerdem steigt damit die Gefahr, dass Hacker von außen die Kontrolle über ein Fahrzeug übernehmen und bewusst Unfälle provozieren. Aus diesen Gründen und auch, weil aufgrund der technischen Entwicklungen in diesem Bereich rasant voranschreiten, soll das Gesetz 2019 noch einmal überprüft werden.

Die Vorteile sollen aber überwiegen – schließlich sind Menschen fehlbarer als Maschinen, sodass Experten erwarten, dass die Unfallzahlen drastisch sinken werden.

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