Obwohl sich Urteile zu DSGVO-Schadensersatzansprüchen mehren, sind sich die Gerichte immer noch uneinig, wann Betroffene von Datenschutzverstößen auch tatsächlich Geld sehen. In einem aktuellen Urteil hat sich das OLG-Köln mit dieser Frage beschäftigt und damit Klarheit in eine noch undurchsichtige Rechtslage gebracht. Ein genauerer Blick lohnt sich.
Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ermöglicht betroffenen Personen, nach Art. 15 Auskunft darüber verlangen, welche Daten über sie gespeichert sind oder verarbeitet werden. Wird eine solche Datenauskunft beantragt, müssten die Verantwortlichen die von ihnen erfassten Daten rechtzeitig und vollständig mitteilen, ansonsten stünden den Betroffenen Schadenersatzansprüche zu. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln vergangenen Juli entschieden und einen Rechtsanwalt zur Zahlung von 500 Euro Schmerzensgeld verurteilt (Urt. v. 14.07.2022, Az. 15 U 137/21).
Hintergrund des Verfahrens vor dem OLG Köln war ein Rechtsstreit zwischen einer Frau und ihrem ehemaligen Rechtsanwalt, den sie zur Verfolgung von Ansprüchen aus einem Verkehrsunfall beauftragt hatte. Mit dem Engagement des Anwalts war die Frau dann allerdings nicht zufrieden, woraufhin sie den Anwaltsvertrag kündigte. Anschließend beantrage die Frau im Januar 2020 unter anderem Datenauskunft zum Mandatskonto sowie der E-Mail- und WhatsApp-Kommunikation. Weil sie dann jedoch acht Monate auf die Daten warten musste, klagte die Frau vor dem Landgericht (LG) Bonn und verlangte Schmerzensgeld von mindestens 1.000 Euro. Zur Begründung führte sie aus, dass sie die verspätete Datenauskunft psychisch belastet hätte, da für sie nicht absehbar gewesen wäre, ob sie ihr Verfahren durch einen neuen Anwalt noch erfolgreich beendigen könnte. Mit der späten Datenauskunft habe der Anwalt außerdem gegen die DSGVO verstoßen, was einen Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß Art. 82 DSGVO auslöse.
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LG Bonn verneint Schadensersatzanspruch bei DSGVO-Verstoß
Das LG Bonn gab der Frau erstinstanzlich allerdings nur teilweise Recht (Urt. v. 20.05.2021, Az. 15 372/20). Zunächst bestätigte das Gericht zwar die Pflicht des Anwalts, seiner ehemaligen Mandantin vollständige Auskunft über die von ihm erfassten Daten zu erteilen. Hierunter fielen auch Angaben aus dem Mandatskonto sowie der E-Mail und WhatsApp-Verkehr. Außerdem müsste eine solche Datenauskunft auch gemäß Art. 15 DSGVO innerhalb eines Monats nach Antragstellung erfolgen. Indem die Frau die Daten jedoch erst nach acht Monaten erhalten hatte, bestünde ein DSGVO-Verstoß.
Dennoch verneinten die Richter einen Schmerzensgeldanspruch mit der Begründung, dass ein Verstoß den Auskunftsanspruch keinen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO auslösen könnte. Zudem verneinte das Gericht einen Schaden der Frau durch die verspätete Datenauskunft.
Gegen die Entscheidung des LG legte die Frau Berufung beim OLG Köln ein – mit Erfolg.
LG Köln bejaht Schmerzensgeldanspruch der Frau
Anders als das LG Bonn bejahte das OLG Köln einen Schmerzensgeldanspruch der Frau. Die Einschätzung des LG, wonach ein Verstoß gegen Auskunftspflichten nicht als Grundlage für einen Ersatzanspruch dienen könnten, ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch dem Sinn und Zweck der DSGVO, der in dem Schutz von Personen bei der Verarbeitung ihrer Daten bestehe.
Eine verspätete Datenauskunft sei daher dazu geeignet, einen DSGVO-Schadensersatzanspruche auszulösen, so das Gericht.
Auch der Auffassung des LG, wonach der Frau durch die verspätete Datenauskunft kein Schaden entstanden sei, folgten die Kölner Richter nicht. Zwar habe die Frau infolge der verspäteten Auskunft keine finanziellen Nachteile erlitten. Allerdings sei sie für eine nicht unerhebliche Dauer daran gehindert gewesen, das Unfallverfahren mit ihrem neuen Anwalt voranzutreiben. Art. 82 DSGVO erfasse auch solche sogenannten immateriellen Schäden. Daher bejahte das OLG ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 500 Euro. Schadensmindernd hatte das Gericht unter anderem berücksichtigt, dass sich die Datenauskunft auch aufgrund einer zeitweisen Erkrankung des Anwalts verzögert hatte.
Es bleibt abzuwarten, ob der Anwalt gegen die Entscheidung des OLG Köln Revision einlegt. Dann müsste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage beschäftigen, ob Verstöße gegen Datenauskünfte einen DSGVO-Schadensersatzanspruch auslösen und damit endgültig Klarheit in dieser Debatte schaffen.
aha