Wann darf es Google untersagt werden, Suchergebnisse zu negativen Presseberichten über eine Person in der Trefferliste anzuzeigen? Über diese hoch spannende Frage zum Recht auf Vergessenwerden hat der BGH am 25. April 2023 verhandelt, das Urteil soll am heutigen 23. Mai 2023 gefällt werden. Zuvor hatte bereits der EuGH zu Fragen der DSGVO entschieden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) wird voraussichtlich am heutigen 23. Mai 2023 ein mit Spannung erwartetes Urteil zum Recht auf Vergessenwerden fällen. Dabei geht es um die Frage, welche Voraussetzungen es genau braucht, um von Google die Löschung von Suchergebnissen verlangen zu können, wenn diese angeblich unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalten (Az. VI ZR 476/18). Die letzte mündliche Verhandlung fand am 25. April 2023 statt.
In seinem Urteil wird der BGH die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) umsetzen. Dieser hatte zuvor zu Artikel 17 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) entschieden, dass Google Falschinformationen auch ohne vorheriges Urteil auslisten muss. Zumindest, sofern Betroffene auf anderem Weg nachweisen können, dass die Informationen bzw. ein nicht unbedeutender Teil von ihnen „offensichtlich unrichtig“ sind (Urt. v. 08.12.2022, Rs. C-460/20).
Geklagt hatte ein Ehepaar aus der Finanzdienstleistungs-Branche. Sie behaupten, die negativen Informationen, die eine amerikanische Website über ihr Anlagemodell verbreitete, seien falsch. Schließlich hätten auch andere dieser Website vorgeworfen, bewusst Falschinformationen zu verbreiten, um anschließend ihre Opfer damit zu erpressen, die negativen Berichte gegen Geld wieder offline zu nehmen. Google weigerte sich jedoch, die Links zu den Berichten zu löschen. Schließlich könne der Suchmaschinenbetreiber nicht beurteilen, ob an den Vorwürfen etwas dran sei. Außerdem verlangte Google, dass das Paar zuerst gerichtlich gegen den Websitebetreiber vorgehen müsse.
Die Instanzgerichte und zunächst auch der BGH hatten Googles Auffassung zunächst bestätigt, bis der EuGH eine andere Meinung vertrat. Nun muss der BGH unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils entscheiden, ob das Ehepaar auch im konkreten Fall einen Anspruch auf Löschung der Suchergebnisse gegen Google hat. Dabei wird es darauf ankommen, ob die Finanzdienstleister nachweisen können, dass die Informationen auf der US-Website zumindest in weiten Teilen offensichtlich unwahr sind.
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FAQ zum erwarteten Urteil – Rechtsanwalt Christian Solmecke klärt auf!
Worauf beruht das Recht auf Vergessenwerden?
Das Recht auf Vergessenwerden beruht auf Art. 17 DSGVO. Mit diesem Artikel der seit 2018 anwendbaren DSGVO wurde das „Recht auf Vergessenwerden“ erstmalig in Gesetzesform gegossen. Dieses Recht hatte der EuGH in seinem Urteil vom 13.05.2014 (C 131/12) aufgestellt. Danach kann jede Person unter bestimmten Voraussetzungen verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten gelöscht werden. So etwa, wenn die Person eine ursprünglich erteilte Einwilligung widerrufen hat oder wenn die Datenverarbeitung generell unrechtmäßig war. Wenn dann zum Beispiel nach Jahren immer noch unangenehme Presseberichte über eine Person über Google zu finden sind, kann die betroffene Person mitunter die Löschung der Links in der Google-Ergebnisliste verlangen.
Warum hat das Urteil eine so große Bedeutung?
Das Urteil ist von besonderer Bedeutung, weil hier grundlegende Fragen der Auslegung von Artikel 17 DSGVO geklärt werden. Es geht um die grundlegende Frage, einen im Einzelfall gerechten Ausgleich zwischen dem Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu finden. Gerade weil ein Hauptanwendungsfall, die Auslistung von Google-Suchergebnissen, eine hohe Praxisrelevanz hat, werden die Grundsatzentscheidungen dieses Urteils große Auswirkungen darauf haben, wie künftig mit Auslistungsbegehren umzugehen ist.
Wie weit geht das Urteil und an wen richtet es sich?
Das Urteil richtet sich erst einmal nur gegen Suchmaschinen wie Google und deren Verlinkungen auf im Internet verfügbare Presseartikel. Mit einem erfolgreichen Löschantrag gegen Google lassen sich unliebsame Ergebnisse zu einem bestimmten Suchbegriff entfernen. Die Suchergebnisse werden dann nicht mehr gelistet. Die Presseartikel auf den Websites, auf die verlinkt wird, werden allerdings nicht gelöscht. Für Betroffene ist durch die Löschung des Google-Eintrags trotzdem schon viel gewonnen: Was bei Google nicht auftaucht, wird von den meisten Leuten im Internet nicht mehr gefunden. Außerdem werden mit diesem Urteil und auch dem vorherigen des EuGH allgemeine Auslegungsfragen zu Art. 17 DSGVO geklärt – Artikel 17 DSGVO kann auch in anderen Konstellationen relevant werden.
Wie stehen die Erfolgschancen, gegen Google etwas durchzusetzen?
Wenn man gegen Google vorgehen und einen Link aus der Suchergebnisliste löschen lassen will, musste man bislang viel Geduld mitbringen. Nicht selten kommt es vor, dass Google bei einem Löschungsantrag erst einmal nicht reagiert oder sich komplett quer stellt. Wenn Google den Löschungsantrag ablehnt, kann man sich an den Datenschutzbeauftragten seines Bundeslandes wenden. Außerdem kann man sich Unterstützung von einem Rechtsanwalt suchen, der bereits außergerichtlich erfahrungsgemäß mehr Erfolg hat. Schlussendlich steht einem auch der Klageweg offen. Mit dem erwarteten Urteil dürfte es nun leichter werden, diesen Anspruch in der Praxis durchzusetzen.